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Olympia 2016
Teures Erbe

Noch 2014 sprach das IOC von der schlechtesten Vorbereitung aller Zeiten, nun zeigte es sich bei einem Besuch in Rio de Janeiro demonstrativ zufrieden mit den Baufortschritten für Olympia 2016. Der Besuch war jedoch nicht überall willkommen im Gastgeberland, das derzeit gleich in mehreren Krisen steckt.

Von Carsten Upadek | 01.03.2015
    Thomas Bach und das IOC werden in Brasilien von Demonstranten empfangen.
    Thomas Bach und das IOC wurden in Brasilien nicht nur freundlich empfangen. (picture alliance/dpa/MAXPPP)
    Nach Reden war den Demonstranten nicht zumute, die den IOC-Präsidenten Thomas Bach und den IOC-Vorstand am 28.02.2015 vor einem Hotel in Rio de Janeiro erwarteten. Also brauste Bach ohne Gespräch davon. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Mitglieder des Exekutivkomitees alle Punkte ihrer mehrtägigen Sitzung abgehakt: Reformen, Ticketpreise, Baufortschritte in Rio de Janeiro. Besonders optimistisch hatte IOC-Boss Bach gestimmt:
    "Dass in den letzten Monaten sehr großer Fortschritt erzielt worden ist. Und dass auf der anderen Seite das Organisationskomitee und die Verantwortlichen hier wissen, dass noch eine Menge zu tun und kein Tag zu verlieren ist und diese realistische und positive Einschätzung führt dazu, dass wir großes Vertrauen in die Vorbereitungen haben."
    Ein Gastgeberland in der Krise
    Doch bei aller verbreiteter positiver Stimmung: hinter den Kulissen dürfte die IOC-Spitze tiefe Sorgen haben. Brasilien durchlebt mehrere schwere Krisen - die Wirtschaft ist am Boden, die Trinkwasser-Reservoirs sind fast leer, es droht eine Wasserrationierung. Da der Strom zum großen Teil aus Wasserkraftwerken stammt, ist die Wasser- auch eine Stromkrise. Das alles könnte sich direkt auf die Olympischen Spiele auswirken, meint der brasilianische Journalist Sergio Rangel. Wohl deshalb hatte IOC-Präsident Bach wochenlang auf einen Termin bei Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff gedrungen: "Er wollte Garantien. Das hat mir die Vizepräsidentin Nawal gesagt. Einen Notfallplan für 2016."
    Dem Deutschlandfunk sagte IOC-Boss Bach, Präsidentin Dilma Rousseff habe ihm zugesagt, "dass nicht nur sie, sondern ihre gesamte Regierung hier mit voller Überzeugung und vollem Engagement hinter diesen Spielen stehen und alles tun werden, um sie zum Erfolg zu führen."
    Das IOC stütze das lokale Organisationskomitee mit über 1,3 Milliarden Euro, die brasilianische Regierung übernehme Sicherheit und Infrastruktur. Das heißt wohl auch: finanzielle Absicherung der Olympia-Projekte, meint Journalist Rangel: "Die Präsidentin hat gesagt, die Regierung wird die Verantwortung für alle Kosten übernehmen, auch wenn sich ein Problem mit einem der Bauunternehmen ergibt."
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Das Olympiagelände in Rio de Janeiro. (Carsten Upadek)
    Denn die wichtigsten Bauunternehmen stecken bis zum Hals im größten Schmiergeldskandal der brasilianischen Geschichte, der sich auf über drei Milliarden Euro summieren soll. Darin verwickelt: der staatlich kontrollierte Ölkonzern Petrobras, die regierende Arbeiterpartei von Präsidentin Dilma Rousseff und sieben Bauunternehmen, die wesentliche Olympia-Projekte konstruieren, aber nun laut Medienberichten kaum noch an Kredite kommen. Trotzdem seien die Unternehmen finanziell stabil, habe das lokale Organisationskomitee versichert, so IOC-Exekutivdirektor Christophe Dubi: "Das Komitee hat uns garantiert, dass es keine Probleme geben wird."
    Das sei so, solange das öffentliche Geld fließe, sagt Jorge Borges, Geograph und technischer Referent der linken Oppositions-Partei PSOL. Beispiel Olympia-Park das Herz der Spiele: Im animierten Werbevideo entsteht auf einer brachen Fläche magisch aus dem Nichts das Tennis-Zentrum, das Velodrom, drei Arenen, Medienzentrum und das Schwimmstadion. Kosten: rund 450 Millionen Euro, bezahlt von einem angeblich privaten Investor. Dahinter aber steht die Caixa Economica Federal, eine 100-prozentige Staatsbank und Steuerungsinstrument der Regierung. Die überweist das Geld dem Konsortium "Rio Mais", das aus drei Bauunternehmen besteht. Jorge Borges sagt: "Direkt nach den Spielen errichten sie dort Appartementblocks. Bis wohin ich das verfolgt habe, waren es mehr als 20 Stück."
    Kritik an geplanter Nachnutzung des OIympia-Parks in Rio
    Mit den Appartementblöcken dürfte "Rio Mais" hunderte Millionen verdienen, kritisiert Borges. Noch umstrittener ist der neue olympische Golfplatz. Der wurde ohne Umweltgutachten in einem Naturschutzgebiet gebaut (der Deutschlandfunk berichtete). Das Bauunternehmen erhielt im Gegenzug die Genehmigung, 23 Luxus-Appartementblöcke zu bauen. Der Gewinn: über 300 Millionen Euro. Dagegen demonstrierten am 28.02.2015 vor dem Hotel des IOC Anhänger der Bewegung "Golf für wen?". Das Olympische Komitee verschließe die Augen, so Anwalt Jean Carlos Novaes:
    "Das IOC weiß ganz genau, was die Konstruktion des Golfplatzes für die Umwelt der Stadt bedeutet. Trotzdem sagen sie nichts dazu."
    Nach der Anzeige von Novaes hat die Staatsanwaltschaft Mitte Februar 2015 Ermittlungen gegen Rios Bürgermeister Eduardo Paes aufgenommen. Der soll durch Wahlkampfspenden der Baufirma profitiert haben. Erstmals äußerte sich Paes am Rande des IOC-Meetings öffentlich dazu: Er fürchte die Ermittlungen nicht, habe den Golfplatz angeblich aber nie haben wollen:
    "Ich hasse, diesen Golfplatz geschaffen zu haben. Wenn es nach mir ginge, wäre er nie geschaffen worden. Aber unglücklicherweise haben alle Partner gesagt, dass die vorhandenen zwei Golfplätze nicht ausreichen würden."
    Das wunderte dann selbst den chronisch optimistischen IOC-Präsidenten Thomas Bach: Bei einem Treffen mit Studenten sagte er, jeder wusste, dass Paes auf die Konstruktion des Platzes gedrungen habe: "Er hat das wohl gesagt, weil er ihm jetzt Probleme macht um Hinblick auf diese Ermittlungen zu deren Qualität ich nichts sagen kann, aber Tatsache ist, dass dieser Golfplatz privat finanziert ist, deshalb keine Steuergelder gekostet hat und dass er der erste öffentliche Golfplatz in Rio de Janeiro sein will und deshalb eine positive Legacy dieser Spiele ist."
    Ein positives Erbe der Spiele - das können zumindest die Bauherren der Milliarden-Projekte erwarten. Wenn denn der öffentliche Geldfluss bis zu den Spielen nicht versiegt.