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Online-Portal "Meduza"
Ins Exil für die Pressefreiheit

Um unabhängig und ohne politischen Druck berichten zu können, haben sich einige russische Journalisten im Ausland eine Existenz aufgebaut. So arbeitet die Redaktion der Nachrichten-Seite "Meduza" von Riga aus – vor allem für ein russischsprachiges Publikum.

Von Benjamin Weber |
    Mitten im Zentrum von Riga, in einem wunderschönen Altbau mit Parkett, hohen Decken und Stuck residiert "Meduza". Auf dem Konferenztisch steht Kuchen, jemand hat Geburtstag, die Atmosphäre ist ungezwungen und gleichzeitig ernsthaft-arbeitsam.
    Die Menschen, die hier arbeiten, sind relativ jung. Sie berichten über Russland – kritisch und unabhängig.
    Nachdem die russische Journalistin Galina Timchenko 2014 auf Druck des Kreml ihren Job als Chefin einer Nachrichtenseite verloren hatte, ging sie ins journalistische Exil nach Lettland. Wegen der Pressefreiheit.
    "Meduza"-Netzwerk in Russland
    Der 34jährige "Meduza"-Chefredakteur Ivan Kolpakov ist so etwas wie die rechte Hand von Timchenko. Journalismus in Russland, sagt er, findet unter sehr schwierigen Bedingungen statt.
    "In Russland hat der Staat direkte Kontrolle über 80 Prozent des Medienmarkts. Journalisten erleben Zensur oder zensieren sich von vornherein selbst. Die Behörden dürfen deine Webseite blockieren. Als Journalist in Russland zu arbeiten, ist kompliziert – und ganz bestimmt kein Traumberuf."
    "Meduza" operiert mit einem Netzwerk aus Korrespondenten in Russland. So decken sie politische, gesellschaftliche und kulturelle Nachrichten ab. Korruption, das Schicksal von Alexej Nawalny, den positiv auf Doping getesteten russischen Curler und natürlich die Präsidentschaftswahl am 18. März – die Beiträge erscheinen auf Russisch, einige werden auf Englisch übersetzt.
    App kann Blockaden umgehen
    "Meduza" gibt es als Webseite und als App. In Kasachstan und Usbekistan ist die Webseite gesperrt. Doch die App kann die Blockade umgehen.
    "Meduza"-Chefredakteur Ivan Kolpakov in den Redaktionsräumen.
    "Meduza"-Chefredakteur Ivan Kolpakov (Deutschlandradio/ Benjamin Weber)
    Kolpakov ist stolz auf dieses Feature. Digital ist die Redaktion ohnehin weit vorne. "Meduza" produziert Instagram-Stories, Video-Content und Podcasts, erstellt Listicles und News Gaming. Natürlich sind sie auch in allen relevanten Social Media, mit über eine Million Follower auf Twitter.
    "Verglichen mit den großen russischen Medien haben wir nur ein sehr kleines Team – das erzeugt aber sehr viel Content. Wir versuchen eben, ein super-zeitgenössisches Medium zu sein."
    "Eine wichtige Stimme"
    Doch natürlich weiß auch Kolpakov, dass er auf diese Art und Weise einige Leute auch nicht erreicht: alte Menschen ohne Internetzugang oder eben auch Andersdenkende, die sich nicht von alleine zu Meduza verirren würden.
    "Stalinismus ist in Russland aktuell ein großes Thema. Deswegen haben wir ein Erklärstück gemacht. Überschrift: 'Wie man mit jemandem redet, der ein Stalinist ist' Es liefert Überzeugungshilfen, dass Stalin eben nicht der effiziente Manager war, für den ihn viele Russen halten."
    Wen auch immer "Meduza" in Russland erreicht, internationale Journalisten beziehen sich mehr und mehr auf das kleine Media-Outlet aus Riga. Für die ARD-Fernsehkorrespondentin Golineh Atai ist "Meduza" zu einer wichtigen Stimme geworden.
    Journalismus aus dem Exil
    "Mir erscheint "Meduza" sehr frisch, aufgeräumt, schnell, auch aktuell. Wenn ich ein unabhängiges, wenn ich ein staatsfernes, Kreml-fernes Medium lesen will, dann steht die russische Ausgabe von "Meduza" sicherlich auf einer der ersten Stellen."
    Seit 2014 berichtet "Meduza" mittlerweile aus dem selbstgewählten Exil im Baltikum – Golineh Atai beobachtet, dass immer mehr Journalisten Russland den Rücken kehren und dem "Meduza"-Beispiel folgen.
    "Wenn ich sehe, was diese ehemalige RBK-Redakteurin da in USA aufbaut mit The Bell, das ist auch wieder so Newsletters-Service, was ausgebaut werden soll auf Englisch und Russisch, denke ich: Vielleicht könnte darin irgendwie die Zukunft liegen. Die Zukunft liegt sicherlich nicht bei den großen Verlagen und den großen Häusern, bei den großen Medienprojekten. Die sind sämtlich unter staatlicher Kontrolle."