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Online-Shopping
Welche Chancen dem Einzelhandel bleiben

Der klassische Einzelhandel in den Innenstädten empfindet das Internet oftmals als Konkurrenz und Bedrohung, in kleinen und mittleren Städten beginnt die Verödung der Kaufzonen. Dabei kann das Web mit der richtigen Strategie auch eine Bereicherung sein.

Von Judith Dauwalter | 01.08.2015
    Die Einkaufsmeile Hohe Strasse fotografiert am Mittwoch (22.08.2012) in Köln.
    Einkaufsmeile Hohe Straße in Köln: Einzelhändler beschäftigen sich mit Online-Konkurrenz. (picture-alliance / dpa / Oliver Berg)
    "Also, der Kunde hat verschiedenes Obst bestellt. Dann haben wir noch an Wurstwaren einiges, 16 Rosensemmeln."
    Claudia Pirdßun schlängelt sich geschäftig vorbei am steinernen Brunnen und den großen Kaffeebehältern aus buntem Porzellan. Im Münchner Feinkostgeschäft Dallmayr, an der Dienerstraße, nicht weit vom Marienplatz entfernt, reichen die Verkäufer mit ihren weißen Schürzen Delikatessen wie Salami oder Törtchen über die Ladentheke. Frischware, die bisher nur vor Ort verkauft wurde. Claudia Pirdßun schaut auf ihren Einkaufszettel:
    "Dann schauen wir gleich mal in die Fleischabteilung, da brauchen wir ein frisches Hendl. Und der Lieferant müsste am Vormittag gleich gekommen sein."
    Dallmayr-Mitarbeiterin Claudia Pirdßun kauft an diesem Morgen für andere ein: Für Kunden aus dem Raum München, die den neuesten Service des Hauses nutzen und sich die frischen Lebensmittel übers Internet bestellen. Denn seit einem guten Jahr ist das Unternehmen dort auch mit seinen Frischwaren zu finden, "Dallmayr Express" heißt das Konzept.
    Das zweite Standbein Internet ist eigentlich bei einem Feinkostladen nicht nötig, würde man meinen: Der Lebensmittelhandel gilt bislang noch weitestgehend gefeit vor Konkurrenz aus dem Netz. Hier liegt der Marktanteil der Online-Händler bei gerade mal einem Prozent. Doch eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young prognostiziert auch in dieser Branche einen rasanten Anstieg des Verkaufs übers Internet. Dallmayr will da gerüstet sein – auch wenn das Ladengeschäft täglich bestens besucht ist. Die Einkäufer: Eine Mischung aus Münchner Stammkunden und Touristen aus aller Welt, die nach dem Besuch des berühmten Glockenspiels am Marienplatz dort vorbeischauen.
    Nicht nur das bekannte Feinkostgeschäft profitiert von der Nähe zu Münchens bekanntestem Platz und den vielen Menschen, die täglich dorthin strömen. In bester Lage haben sich Geschäfte aus allen Bereichen in den Straßen rundherum angesiedelt. Doch für die Zukunft reicht das nicht:
    "Ich glaube, das ist ein Thema, das für uns zunehmend wichtig wird. Wenn man um den Marienplatz herumschaut und eben auch bei den Traditionshändler guckt: Die haben alle Projekte in dem Bereich."
    Dallmayr hat sein Ladenkonzept ins Internet übertragen. Und das geht für Geschäftsführer Florian Randlkofer auf, weil man nun einmal ein besonderes Angebot habe, sagt er. Denn statt mit Parkplatzproblemen zu kämpfen und Einkaufstaschen durch die Menschenmassen von Laden zu Laden zu tragen, erledigen immer mehr Deutsche ihre Einkäufe bequem per Mausklick von Zuhause. Laut Statistischem Bundesamt kaufen 45 Millionen Menschen für private Zwecke im Netz ein und damit 30 Prozent mehr als noch fünf Jahre zuvor. Auch Untersuchungen des Kölner Instituts für Handelsforschung IFH belegen: Schon heute kommt jeder fünfte Konsument deutlich seltener zum Bummeln in die Innenstadt als früher.
    Veränderte Einkaufsgewohnheiten fordern Opfer
    Die veränderten Einkaufsgewohnheiten haben schon prominente Opfer gefordert: In Bayern verlor Fürth den ehemaligen Handelsgiganten Quelle, in Augsburg hat der Logistikbereich des Weltbild-Verlags gerade wieder Insolvenz angemeldet. Und auch die Zukunft der Karstadt-Warenhäuser ist ungewiss. In München ist mittlerweile der Traditionsbuchhändler Hugendubel auf dem Rückzug.
    Das Einkaufen per Mausklick verändert aber auch die Städte: Ladensterben und verwaiste Zentren besonders in Klein- und Mittelstädten sind die Folge. Experten gehen davon aus, dass dort viele schwache Einzelhändler ihre Läden werden schließen müssen. Doch die verringerten Innenstadtbesuche der Konsumenten sind für Städte jeder Größe spürbar, berichtet das IFH. Auch am Münchner Marienplatz sucht der Einzelhandel deshalb nach Zukunftsstrategien. Und die müssen mit einer Grunderkenntnis beginnen, weiß IFH-Geschäftsführer Kai Hudetz:
    "Dass man es vom Kunden her denkt. Und der Kunde, der denkt eben in Möglichkeiten, in Chancen, einzukaufen. Und dann muss ich diese Sachen miteinander kombinieren. Und heute möchte er dann eben, weil es jetzt doch noch ein bisschen kühl ist, lieber gemütlich zu Hause einkaufen. Und morgen, übermorgen – wenn es wieder wärmer wird, dann geht er halt in die Stadt."
    Die Anzeige eines elektronischen Warenkorbs auf einem Computerbildschirm auf der Internetseite eines Onlinehändlers, aufgenommen am 10.01.2014 in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern).
    Elektronischer Warenkorb: Konkurrenz durch den Onlinehandel (picture alliance / dpa / ZB / Jens Büttner)
    "Multi-Channel-Marketing" heißt das Zauberwort, also die Strategie, den Kunden auf verschiedenen Kommunikationskanälen anzusprechen. Im Zentrum steht dabei für den Einzelhändler der Wunsch der Kunden, möglichst einfach und bequem einzukaufen. Von überall und jederzeit. Dieser Wunsch lässt sich schon jetzt in Zahlen fassen: Der Anteil der Online-Einnahmen am gesamten Einzelhandelsumsatz betrug 2014 nach IFH-Hochrechnungen zehn Prozent. Und in Zukunft wird das Internet noch eine deutlich größere Rolle spielen: 2020 soll via Internet fast dreimal so viel Umsatz gemacht werden wie heute.
    Offline wächst dagegen nichts mehr. Trotzdem: Auf das Geschäft vor Ort wollen viele Käufer eben doch nicht verzichten – auch nicht am Münchner Marienplatz, beobachtet Bernd Ohlmann, Pressesprecher beim Bayrischen Handelsverband:
    "Service, Beratung und Qualität. Das alles kann das Internet nicht bieten. Und ich denke, das ist die Trumpfkarte, auf die der Einzelhandel in Deutschland auch in Zeiten von E-Commerce setzen müsste. Und das sagen wir immer all den stationären Einzelhändlern, die das Internet als Bedrohung sehen: Es ist so, dass man mit dem Pfund, Einkaufen als Erlebnis natürlich wuchern kann."
    E-Commerce als große Herausforderung
    E-Commerce – also der Verkauf übers Internet – stellt den städtischen Einzelhandel vor große Herausforderungen: Denn der Käufer kommt nicht mehr wie früher automatisch, also aus Alternativlosigkeit ins Geschäft, beobachtet Bernd Ohlmann. Der Konsument sucht heute Geschäfte auf, weil er eine Motivation hat: die Lust am Einkaufen. Und die müsse erst einmal geweckt werden.
    Alteingesessene Geschäfte wie Dallmayr, die bundesweit aus der Werbung dafür bekannt sind, wollen den Wettbewerbsvorteil Erlebniseinkauf vor Ort weiterhin ausspielen – und im Netz Geld verdienen. Viele Geschäftsinhaber aber seien längst noch nicht soweit, beobachtet Bernd Ohlmann vom Bayrischen Handelsverband.
    "In den Veranstaltungen, die wir zum Thema Onlinehandel und E-Commerce anbieten, ist es so, dass sehr viele Unternehmen Angst haben vor den Umwälzungen, sie spüren den Druck. Und sind sehr stark verunsichert, mit welchen Strategien sie diesen neuen Online-Einkäufen begegnen sollen."
    Nach Einschätzung des Kölner IFH läuft heute schon fast die Hälfte des Internethandels über den Online-Versandriesen Amazon, der seine deutsche Zentrale in München hat. Kaum eine Branche, die nicht vom Konzern betroffen ist: Auch am Münchner Marienplatz klagen viele Buchhandlungen, Schuh- und Modeläden oder kleine Elektro-Händler über den Umsatzrückgang. Denn in diesen Bereichen sind die im Internet erwirtschafteten Umsätze längst schon höchst relevant. Laut IFH machen sie teils bis zu 30 Prozent der Gesamtbrancheneinnahmen aus.
    Traditionshandel bekommt Konkurrenz des Internets zu spüren
    Gleich zur Begrüßung spannt der alteingesessene Händler Meinrad Aumiller einen Regenschirm auf, sein Hauptverkaufsprodukt. Der Laden liegt schräg gegenüber von Dallmayr – und auch er bekommt die neuen Kaufgewohnheiten zu spüren. Obwohl die Kunden nach wie vor gern in seinen kleinen Laden kommen, um sich beraten zu lassen:
    "Jüngere Leute bis 40 schauen sich die Ware an. Lassen sich beschreiben, wie es funktioniert: Ja, danke, dann weiß ich Bescheid. Also, das Internet tut mir sehr weh."
    An schlechten Tagen macht Aumiller gerade mal 300 Euro Umsatz. Vor ein paar Jahren sei er enttäuscht gewesen, wenn er an einem Tag nur 1000 Euro verdient habe, erzählt der Schirmhändler. Seinem 15-jährigen Sohn hat er wegen der großen Konkurrenz aus dem Netz längst abgeraten, das Geschäft zu übernehmen. Bernd Ohlmann vom Handelsverband kennt die Not:
    "Es ist sicherlich so, dass im Einzelhandel der sogenannte Beratungsklau ein großes Problem ist. Dass die Leute sich stundenlang über einen Fernseher stationär informieren lassen, sich dann auf dem Absatz umdrehen und doch online einkaufen, ein großes Ärgernis. Aber: Neueren Studien zufolge ist der Kundenzuwachs durch den Kunden, der sich online über einen Artikel informiert und dann lieber doch beim Geschäft um die Ecke einkauft, größer. Und das ist sicherlich auch eine Chance."
    Eine Chance, die Schirmverkäufer Meinrad Aumiller bislang kaum nutzt. Eine Homepage hat er zwar, doch dort steht wenig über sein spezielles Sortiment. Welche Schirmarten gibt es, wie ist der Preisunterschied? Wertvolle Informationen, die Konsumenten in den Laden locken. Mit wenig Aufwand, aber viel Nutzen.
    Stefan Wilhelm hat das erkannt. Sein Fotogeschäft liegt direkt am Münchner Marienplatz gegenüber dem Glockenspiel. Durch einen kleinen Eingang geht es rein in Wilhelms Fotoladen, auf den Treppenstufen nach unten stehen Digitalkameras.
    Strategien gegen den Beratungsklau
    Stefan Wilhelm ist zufrieden: Wer am Marienplatz spontan mit dem Smartphone einen Fotoladen sucht, findet direkt ihn. Natürlich ist das Internet auch für den Fotohändler eine große Konkurrenz – genauso wie für den Schirmhändler Aumiller: Wie ein Schirm ist auch eine Kamera bequem beim Internet-Versandhändler bestellt, dort lassen sich auch schnell die Preise vergleichen. Doch an Geschäftsaufgabe hat er noch nicht gedacht. Denn er weiß sich gegen den Beratungsklau zu wehren:
    "Also, haben wir gesagt, okay wir machen eine Beratungspauschale über 25 Euro. Und dann können sich die Kunden eben das erklären lassen. Wenn sie vorher bei uns sich beraten lassen mit den 25 Euro, dann können sie sich die anrechnen lassen beim Kauf. Da ist sehr viel Laufkundschaft unterwegs. Und die nutzen es halt, wenn sie schon mal in der Stadt unterwegs sind, dass sie dann einfach nur Fragen stellen und nichts kaufen wollen. Muss man ja auch nicht immer. Aber fair umgehen muss man dann schon ein bisschen miteinander."
    Schatten vor dem Schriftzug: Bis zu 70 % reduziert
    Preisdruck durch das Internet: Service und Originalität könnten dem stationären Handel Erfolg bringen. (imago/Müller-Stauffenberg)
    Die meisten Kunden reagieren verständnisvoll, erzählt Wilhelm. Er ist sicher: Service ist ein starkes Argument für den Einkauf im Laden. Eines, das auch der Käufer schätzt. Mittlerweile ist der Internethandel aber auch für Stefan Wilhelm zum zweiten Standbein geworden. Zwar verkauft er dort kaum Kameras. Denn im Netz kann er sich bei der geringen Gewinnspanne schlecht von anderen Anbietern abheben. Aber: Er hat sich eine Nische gesucht.
    "Wir haben spezielle Kameragurte. Und die gibt es eben dann zum Beispiel in weiß-blau. Und man hat diese weiß-blauen Gurte deswegen im Internet eingestellt, weil wenn der Amerikaner hier irgendwo spazieren geht, dann wird er kaum auf die Idee kommen und sagen: In welchem Geschäft finde ich denn hier einen Gurt in weiß-blau? Aber im Internet ist das so, dass man einfach das Stichwort eingibt: Gurt weiß-blau. Und dann findet man ihn eben."
    Websites passend gestalten
    Noch ein Vorteil: Im Gegensatz zum kleinen Laden im Keller hat Wilhelm auf seiner Internetseite keine Platzprobleme, um das Sortiment zu präsentieren. Zweigleisig fahren, also im Laden und im Netz Kunden binden: Fotohändler Stefan Wilhelm fühlt sich am Marienplatz für die Zukunft gut aufgestellt. Manche seiner Nachbarn allerdings lassen sich bei der Neupositionierung helfen – wie etwa das Schuhhaus Bartu, das ebenfalls mit einer Filiale unweit des Münchner Marienplatzes vertreten ist:
    - Ronkin: "Wir schauen uns jetzt das Design an."
    - Hummel: "Die farbliche Gestaltung, mit dem kräftigen Pink wird die Dame angesprochen."
    - Ronkin: "Das sind aber nur Platzhalter?"
    - Hummel: "Genau."
    Ein modernes Großraumbüro mit hohen Decken und viel Glas: Die Agentur Norisk hat die Internetstrategie von zahlreichen Traditionshäusern am Marienplatz entwickelt. Das Modehaus Ludwig Beck und das Sportgeschäft Schuster zählen zum Kundenstamm. Auch das Schuhhaus Bartu ist seit neuestem dabei. Bald soll der Onlineshop starten. Die letzten Details spricht Viktor Ronkin vom Schuhhaus mit Agenturmitarbeiter Christoph Hummel durch:
    - Hummel: "Das Wichtigste am Multichannel ist, dass der Kunde den Schuh online bestellen, reservieren, im Laden abholen und die Filialverfügbarkeit anzeigen lassen kann."
    - Ronkin: "Hier kommt schon noch unser Slogan drunter, oder?"
    Weihnachtsmarkt auf dem Marienplatz in München mit der Frauenkirche im Hintergrund
    Münchener Marienplatz: Hier denken viele Händler über eine Onlinestrategie nach (Imago / All Canada Photos)
    Seit 15 Monaten planen Ronkin und Hummel den Onlineshop. Neben Gestaltung, Funktionen und der dahinterstehenden Technologie geht es vor allem um die richtigen Inhalte. Und um die Strategie, die den Shop erfolgreich machen soll. Da stellen sich jedem Internetneuling die gleichen Fragen, erzählt Norisk-Geschäftsführer Dominik Haupt:
    "Die Grundüberlegung muss natürlich sein: Was für einen Onlinemarkt finde ich vor? Ist es ein sehr, sehr besetzter Markt? Also wenn wir jetzt heute in den Fashionbereich, in den Schuhbereich beispielsweise schauen, wo wir große Onlineplayer am Markt haben, muss sich ein Stationärer natürlich ganz klar überlegen, mit was für Services kann ich auftreten, damit das wirklich funktionieren kann."
    Wie hebt sich also der eigene Internethandel ab von der Konkurrenz? Die Frage muss jeder Netzneuling für sich beantworten. Beim Schuhhaus Bartu hat man sich entschieden: Der Name soll für Qualität und Service stehen, für exklusive Schuhe und eine eigene Marke, erklärt Viktor Ronkin;
    "Wir haben den Onlineshop ins Leben gerufen, damit der stationäre Handel stärker wird. Um zu sagen: Wir sind ein stationärer Händler, wir haben ein Geschäft in der besten Lage Münchens, haben da unsere Kompetenz. Und da die Chance dem Kunden zu geben, unsere Filiale zu besuchen."
    Norisk-Chef Dominic Haupt betont: In Zukunft muss es dem Einzelhändler egal sein, ob der Kunde ihn im Laden oder im Netz besucht. Er muss nur alle Kanäle gleich gut bedienen. Auch Bernd Ohlmann vom Bayerischen Handelsverband sieht das so:
    "Eine Website ist heute ein absolutes Muss. Ohne das geht's überhaupt gar nicht. Die Einzelhändler müssen auch im Netz für die Kunden auffindbar sein. Eine Website mit Öffnungszeiten, mit ein paar Artikeln, mit einem Kontakt oder der Geschäftsadresse – das ist absolut Pflicht. Über 80 Prozent der Einzelhändler haben das mittlerweile, Tendenz weiter steigend."
    Metropolen könnten sogar profitieren
    Der bundesweite Trend ist auch am Münchner Marienplatz gut zu sehen: Die meisten Geschäfte haben dort mittlerweile den Schritt ins Internet getan und damit gute Erfahrungen gemacht. Dazu kommt der Standortvorteil: In direkter Nachbarschaft zu touristischen Sehenswürdigkeiten ist zumindest die Laufkundschaft auch in Zukunft gesichert. Verhängte Schaufenster und leer geräumte Geschäfte – längst Alltag in vielen deutschen Klein- und Mittelstädten – werden in München wohl nicht zum Problem werden. Denn Metropolen wie die an der Isar – aber auch Hamburg, Frankfurt, Köln und Düsseldorf – werden in Zukunft nach Expertenmeinung als attraktive Einkaufsorte noch gewinnen. Eine komfortable Situation also. Das allein reicht aber nicht. Das Zentrum Münchens wird zukünftig ähnliche Bedürfnisse stillen müssen wie alle Innenstädte der Republik. Davon ist Kai Hudetz vom Kölner Institut für Handelsforschung überzeugt.
    "Da sehen wir, dass es die attraktiven Innenstädte durchaus schaffen. Weil die auch anderen Bedürfnissen bedienen. Die dienen nicht nur der Versorgung, sondern in vielen Fällen hat das auch mit Kultur zu tun, es hat mit Sport, mit Freizeit hier auch zu tun. Und ich glaube, Konzepte, die dort stärker auf Erlebnis fokussieren, die werden das sehr erfolgreich machen können. Aber zu einer funktionierenden Einkaufsstadt gehört eben auch Gastronomie, gehört der öffentliche Nahverkehr, gehören viele Faktoren."
    Wenn Städte in Zukunft nicht aus verwaisten Fußgängerzonen und leer stehenden Ladenlokalen bestehen sollen, dann müssen sie Vielfalt bieten. IFH-Geschäftsführer Kai Hudetz:
    "Wir haben jetzt natürlich schon Onlineanteile, die richtig relevant sind. Wenn wir davon ausgehen, dass bis zum Jahr 2020 25 Prozent des gesamten Einzelhandelsvolumens online abgewickelt werden, dann ist da einfach Druck im Kessel. Das zwingt die Händler, hier dann auch zu reagieren. Auf der anderen Seite gibt es aus meiner Sicht keinen Grund, zu erwarten, dass die Technologie langsamer wird."
    Sprung ins Virtuelle wird existenziell
    Das Stadtbild wird sich also durch das neue Kaufverhalten im Internet weiter und schneller verändern. Einzelhandelsexperten gehen davon aus, dass künftig in den Innenstädten nur die Geschäfte überleben, die auch den Sprung ins Virtuelle geschafft haben. Wichtig wird aber auch bleiben, dass die Einzelhändler vor Ort vor allem auf Beratung und Service setzen. Denn dort kann der Kunde die Produkte noch richtig anschauen und anfassen. Aus leeren Geschäften muss die Stadt der Zukunft also nicht bestehen. Aber wahrscheinlich aus kleineren Läden mit individuellerem Sortiment. IFH-Geschäftsführer Kai Hudetz setzt auf Innovation und Tradition im innenstädtischen Handel:
    "Es werden die Händler machen, die es einerseits schaffen, das was sie im stationären Leben bislang sehr, sehr gut gemacht haben, dann auch zu übertragen in die digitale Welt. Und ich glaube, dass es dann letztlich eine Mischung sein wird aus Händlern, die das Bewährte konsequent weitermachen. Und auf der anderen Seite, die neugierig bleiben und die versuchen, ihr Geschäftsmodell anhand vom Kunden weiter zu entwickeln."
    Zudem spreche das moderne Verbraucherverhalten durchaus für die Einzelhändler: Denn Kunden achteten zunehmend auf Qualität – auf nachhaltige Produktion, regionale Herkunft und fairen Handel. Überleben werden wohl online wie offline, am Münchner Marienplatz wie in den Innenstädten der gesamten Republik Ladenkonzepte, die sich weiterentwickeln. Beim Feinkosthändler Dallmayr blickt Florian Randlkofer deshalb ganz entspannt in die Zukunft.
    "Ich bin sicher, dass wir gerüstet sind, weil wir eben das Ganze schon proaktiv angehen. Handel ist Wandel, heißt es. Und da gehört unser Geschäft dazu. Uns gibt es seit 300 Jahren. Wir werden da sicher weiter bestehen."
    Sein Geschäft hat vorgebaut – mit einer Kombination aus Internet- und stationärem Handel. Dallmayr-Mitarbeiterin Claudia Pirdßun hat mittlerweile die Bestellungen der Internetkunden zusammengetragen und macht sie versandfertig.
    "Also hier ist die Pforte. Der Kollege bereitet alles zu, hat dann mehrere Regale."
    Der Handel im Internet: Er hat neue Spielregeln aufgestellt. Spielregeln, auf die sich Unternehmen wie Dallmayr am Münchner Marienplatz einstellen müssen – mit neuen Konzepten. Aber auch der Kunde trägt Verantwortung. Schließlich entscheidet er durch sein Kaufverhalten, wie vielfältig das Angebot in den Städten der Zukunft noch sein wird.