Dienstag, 07. Mai 2024

Archiv

Online-Überwachung
Seehofers Wunschliste für den Verfassungsschutz

Das Bundesinnenministerium will Befugnisse für den Verfassungsschutz bei der Online-Überwachung ausweiten und unter anderem auch den heimlichen Zugriff auf Computer ermöglichen. Die Pläne stoßen auf Kritik, unter anderem auch beim Koalitionspartner SPD.

Von Gudula Geuther | 26.03.2019
Aufnahmes des Bundesamts für Verfassungsschutz in Köln
Die Pläne für die Ausweitung der Online-Überwachung beim Verfassungsschutz sind umstritten. (Geisler-Fotopress / picture alliance)
Die Abstimmung in der Bundesregierung über mehr Kompetenzen für den Verfassungsschutz hat gerade erst begonnen. Aber schon ist klar: So wie Bundesinnenminister Horst Seehofer es sich wünscht, werden sie wohl nicht Wirklichkeit. Während die SPD heute Widerstand anmeldet, legt das Ministerium nach.
Sein Entwurf sieht einen ganzen Katalog von zusätzlichen Eingriffsbefugnissen für den Inlandsgeheimdienst vor, darunter auch den heimlichen Zugriff auf Computer. Mit der Online-Durchsuchung, dem Blick auf die Festplatte also, wie sie seit wenigen Jahren das Bundeskriminalamt durchführen darf. Und mit der sogenannten Quellen-TKÜ. Dabei wird nur auf Kommunikation zugegriffen, zum Beispiel auf Chats über verschlüsselte Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram. Technisch ist dafür aber der Zugriff auf den Computer nötig. Gleichwohl sagt Innen-Staatssekretär Hans-Georg Engelke, man wolle nicht mehr, als man zu Zeiten der klassischen Telefon-Überwachung auch durfte.
"Wir wollen nicht in Neuland vorstoßen. Wir wollen nur technisch da sein, wo wir schon waren."
Kritik für Seehofers Pläne aus vielen Fraktionen
Nicht nur die Grünen sehen das anders. Ihr Fraktionsvize Konstantin von Notz beklagt in der ARD den Preis für diese technischen Fähigkeiten:
"Das heißt, der Staat muss Sicherheitslücken auf dem Schwarzmarkt ankaufen und hält sie dann offen, schließt sie nicht - obwohl er weiß, dass diese Sicherheitslücken eben auch für 80 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger bestehen."
André Hahn von der Partei Die Linke spricht gar von einem Horrorkatalog aus der Praxis eines Überwachungsstaates. Er kritisiert auch, dass der Verfassungsschutz - und mit demselben Gesetzentwurf auch der Bundesnachrichtendienst - Zugriff auf Videoüberwachung des öffentlichen Raums bekommen soll, etwa in Fußballstadien. Die Befugnisse der Nachrichtendienste, so moniert er, würden immer weiter in den polizeilichen Bereich verschoben.
Datenspeicherung auch bei 14-Jährigen?
Umstritten ist auch eine weitere Forderung. Schon lange fordern Verfassungsschützer, auch die Daten von Kindern speichern zu dürfen. Die Altersgrenze, die zuletzt von 16 auf 14 Jahre gesenkt worden war, soll nach dem Entwurf ganz fallen. Staatssekretär Engelke nennt etwa Kinder, die in Deutschland in einem islamistischen Umfeld aufwachsen oder Kinder von Syrien-Kämpfern, die nun zurückkommen könnten.
"Wir glauben, dass wir - wenn wir Informationen über diese Kinder haben und sie nicht beispielsweise an Jugendämter weitergeben dürfen - dann auch deren Interessen gefährden. Wir wollen vereinfacht nur, dass wir die Möglichkeit haben, wenn wir Hinweise auf Gefährdungen haben, dass wir dann im Rahmen unserer Befugnisse die verarbeiten dürfen."
Und zwar auch, wenn von den Kindern selbst keine Gefahr ausgeht. Auch hier gibt es Widerspruch, von der FDP etwa. Konstantin Kuhle:
"Hier kann die objektive Gefährlichkeit auch von der Polizei festgestellt werden. Es darf bezweifelt werden, ob unter 14-jährige wirklich ein Fall für den Inlandsgeheimdienst sind."
Zur Umsetzung bräuchte der Entwurf aber vor allem die Unterstützung der SPD. Der Koalitionsvertrag sieht, wörtlich: "maßvolle und sachgerechte Kompetenzerweiterungen" vor. Und, so betont Fraktionsvize Burkhard Lischka gegenüber der taz: Die Kontrolle des Dienstes sollte gestärkt werden - was der Entwurf nicht anspricht. "Mit uns ist das nicht zu machen" sagt der SPD-Politiker.