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Online-Uni für Asylbewerber
Studieren auch ohne Papiere

Flüchtlinge mit laufendem Asylverfahren dürfen nicht arbeiten. Ob sie mit einer Duldung studieren dürfen, ist je nach Bundesland verschieden. Berlin verbietet den geduldeten Flüchtlingen generell das Studium. Gerade dort haben deutsche Studierende einen Weg gefunden, mit dem Asylbewerber trotzdem studieren können.

Von Kemal Hür |
    Der Syrer Nidal Abbas ist 19 Jahre alt. Er flüchtete aus der zerstörten Stadt Homs, die im Westen Syriens liegt. Schlepper brachten ihn zunächst in die Türkei. Von dort fuhr er im letzten Dezember mit 700 Personen in einem Schiff nach Italien, erzählt er und zeigt Fotos, die er auf der sechstägigen Fahrt gemacht hat. Die Flüchtlinge hätten kaum Essen und Wasser gehabt. Er habe von dem Kühlwasser für die Schiffsmaschinen getrunken. In Deutschland angekommen, habe er sehr hilfsbereite Menschen kennengelernt, sagt Nidal Abbas.
    "Sie haben mir von der Wings University erzählt. Ich war beeindruckt von dem Namen Flügel-Universität. Das ist das Symbol für Freiheit. Ich hoffe, diese Flügel werden uns in eine glänzende Zukunft in Deutschland tragen."
    Die Rede ist von der Online-Universität, die ein paar Berliner Studenten für Flüchtlinge gegründet haben. Nidal Abbas hatte in Syrien angefangen, Maschinenbau zu studieren. Aber wegen des Bürgerkriegs musste er aus seinem Land flüchten. Er möchte sein Studium nun an der Online-Universität wieder aufnehmen. Als geduldeter Flüchtling darf er in Berlin nicht regulär studieren. Aber für die Online-Universität gelten die strengen Berliner Verwaltungsvorschriften nicht, sagt Jakob Tengler, einer der Gründer der Wings University.
    "Einschreiben kann sich bei uns jeder. Und auch studieren kann jeder bei uns. Ist egal, welchen Status du hast. Es gibt ja auch zum Beispiel staatenlose Menschen. Die haben überhaupt keine Papiere oder sowas. Und dennoch können sie sich bei uns einschreiben, weil wir nur die Basisinformationen brauchen und keine Dokumente."
    Hochschullehrer aus aller Welt
    Für die Online-Anmeldung reicht der Name aus. Einen Pass müssen Studierende erst am Ende des Studiums vorlegen, wenn sie ihren Bachelor-Abschluss erreichen. 3.000 Interessenten haben sich bereits angemeldet, sagt Jakob Tengler. Bis Ende des Jahres, wenn die Lehrveranstaltungen anfangen, rechnet er mit 10.000 Studenten. Für die Zulassung müssen sie einen Zugangstest bestehen, den die Gründer der Universität zusammen mit zehn Professoren aus Partner-Universitäten entwickelt haben. Die ehrenamtlich arbeitenden Hochschullehrer sind mehrheitlich in Deutschland tätig. Es sind aber auch einige aus Italien, den USA und Malaysia dabei. Über die angebotenen Studienfächer konnten die Interessenten selbst entscheiden, sagt Tengler.
    "Wir haben eine Umfrage gemacht, was für Studiengänge die Studenten am meisten interessieren. Das Ergebnis waren vor allem Architektur, Ingenieurswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und IT."
    Die Lehrveranstaltungen werden von den ehrenamtlichen Professoren vorbereitet. Die Studierenden lernen selbstständig; reale Kontakte sind nicht vorgesehen und kaum möglich. Die Partneruniversitäten übernehmen die Prüfungen. Die Studiengänge sollen Ende dieses Jahres oder spätestens im Frühjahr 2016 beginnen. Tengler und seine Mitstreiter rechnen mit 700 Euro Kosten pro Student und Jahr für die Wings University. Das Geld soll hauptsächlich aus Spenden zusammenkommen.
    "Alle Leute, die uns helfen, arbeiten erst mal ehrenamtlich. Wir versuchen, so viel wie möglich selbst zu entwickeln mit unseren Ressourcen. Wir haben auch schon viele Unterstützer gesammelt, unter anderem SAP, das Social Impact Lab. Insgesamt versuchen wir durch ein Crowdfunding demnächst ein bisschen Geld reinzuholen und eben auch Spenden."
    Flüchtlinge können überall studieren
    Wenn alles so läuft, wie Jabob Tengler und die anderen Initiatoren es sich vorstellen, könnte sich der Traum von Flüchtlingen wie Nidal Abbas, aber auch dem Team der Online-Uni erfüllen. Eine Berufsausbildung für Menschen, die von der Bildung ausgeschlossen sind. Die Universitätsgründer sind selbst alle Studenten, und sie wollten nicht mit anschauen, dass Flüchtlinge keinen Zugang zum Studium haben. Das Internet macht es nun möglich, dass an der Wings University Flüchtlinge aus aller Welt studieren können. Der syrische Flüchtling Nidal Abbas will einer der Ersten sein, der das Online-Studium als Maschinenbauer abschließt. Denn er hat feste Pläne.
    "Vor dem Bürgerkrieg war Syrien ein schönes Land. Ich werde versuchen, hier mein Studium zu absolvieren. Dann würde ich gerne zurückgehen und beim Wiederaufbau des Landes mithelfen. Das ist meine Hoffnung."