Friedbert Meurer: Siebeneinhalb oder acht Stunden hat der Verhandlungsmarathon im Kanzleramt gedauert. Bis etwa 4:30 Uhr ging es um das Schicksal von Opel. Dabei die Kanzlerin, mehrere Minister, vier Ministerpräsidenten, die Chefs von Fiat und Magna, das US-Finanzministerium und so weiter und so weiter, und es scheint, als stünde man mit leeren Händen da.
Erst einmal begrüße ich jetzt am Telefon den Frankfurter Bezirksleiter der IG Metall, Armin Schild. Er sitzt für die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat des Unternehmens Opel. Guten Morgen, Herr Schild.
Armin Schild: Guten Morgen.
Meurer: Entspricht das Ergebnis jetzt Ihren Vorstellungen? Man hat ja schon gewusst oder geahnt, dass die Bundesregierung sich nicht auf einen Investor festlegt. Wie groß ist Ihre Enttäuschung, dass man auch nicht weiß, wie jetzt die Übergangszeit organisiert wird?
Schild: Ja, natürlich ist das jetzt keine gute Nachricht, insbesondere für die Menschen, die bei Opel arbeiten, eine erneute Phase der Unsicherheit. Ich denke aber, wir sollten jetzt auch nicht überdramatisieren. Die zeitliche Zuspitzung, dass heute Nacht eine Lösung gefunden werden musste, war ja nicht gottgegeben, sondern war eine Entscheidung, um ausreichend Druck auf alle Beteiligten zu machen. Das hat jetzt so nicht funktioniert, das muss man sehen, aber ich denke, wir befinden uns jetzt in der Nachspielzeit und in der Nachspielzeit sind ja auch schon viele Spiele entschieden worden.
Meurer: Aber manchmal auch verloren worden, Herr Schild.
Schild: Natürlich. Es gibt keine Garantien dafür, dass die Zukunft von Opel gesichert ist, wenn das Treuhandmodell nicht steht und wenn eine Verständigung mit General Motors auf der einen Seite und einem der Investoren auf der anderen Seite nicht gelingt. Das ist natürlich die Kunst, die jetzt zuwege gebracht werden muss, aber ich will doch auch sagen, eigentlich sind alle Voraussetzungen gegeben, um zu einer Lösung zu kommen. Ich glaube, es gab zwei große Punkte, die heute Nacht Probleme bereitet haben; das sind einmal 300 Millionen Euro, die an Nachforderungen oder an neuem Cash-Bedarf genannt wurden, und das ist die starke Belastung des Werkes Bochum mit Personalabbau. Ich glaube, mit Beidem kann man umgehen, für beides gibt es Lösungen.
Meurer: Aber 300 Millionen Euro sind auch nicht gerade ein Pappenstiel. Versucht die US-Seite, die Bundesregierung zu erpressen?
Schild: Da ich nicht Teilnehmer dieses Gespräches war, kann ich ganz offen gesagt nur aus dem Blickwinkel eines Aufsichtsratsmitglieds sagen, dass ich diese 300 Millionen Euro auch nicht nachvollziehen kann. Wer da wen wie auch immer über den Tisch oder nicht über den Tisch zieht, das möchte ich nicht kommentieren. Was mir wichtig zu sein scheint in diesem Zusammenhang ist der Hinweis, dass natürlich eine Reihe von offenen Fragen jetzt doch mit einem hohen Zeitdruck geklärt werden musste, Fragen, die im Zusammenhang mit der Herauslösung von Opel aus GM eben entstehen. Das ist ein Prozess, mit dem ja keiner der Handelnden Erfahrung hat. Aber ich will auch nicht ausschließen, dass an diesem Tisch gepokert wird. Das kann allerdings nur heißen, dass damit jetzt ein Ende gemacht werden muss. Dafür geht es um zu viel.
Meurer: Es wird morgen weiterverhandelt und es sickert ein bisschen durch, aus Berlin hört man, wenn es morgen nicht klappt, dann könnte Opel doch noch in die Insolvenz gehen, dann sei diese Drohung ziemlich real. Was meinen Sie?
Schild: Ich bin überzeugt davon, und zwar – wie soll ich sagen? – aus tiefstem Herzen, aber auch mit kühlem Verstand, dass bei zwei Investoren, wie wir sie jetzt an Bord haben, bei einer Konzeption insbesondere bei einem der beiden Investoren (bei Magna), die doch sehr dem nahe kommt, was alle anderen Beteiligten gefordert haben – mit einer Ausnahme: die Auslastung des Werkes in Bochum, um die wir uns kümmern müssen; da sind wir auch als IG Metall mit dem Anspruch, die Zahl der Personalmaßnahmen, die Zahl der Kündigungen klein oder auf null zu halten, dabei; da sehe ich auch Nachbesserungsbedarf, gemeinsam mit meinen Kollegen in Bochum -, ich insgesamt eine Lösung in greifbarer Nähe sehe. Und ich denke, dass deshalb an alle Beteiligten, an GM, an die amerikanische Regierung, aber auch an die Bundesregierung, der klare Appell gehen muss, jetzt sozusagen auf der Zielgeraden nicht plötzlich rechts abzubiegen.
Meurer: Umso mehr wundert man sich, dass das heute Nacht so gehakt hat. Akzeptieren Sie die Haltung der Bundesregierung, unter anderem des Bundeswirtschaftsministers, zu sagen, wir wollen kein übertriebenes Risiko eingehen für die Staatsbürgschaft, die wir jetzt für die Treuhand und für die Übergangszeit bereitstellen wollen?
Schild: Ich sage ganz ausdrücklich, das Management des Themas Opel, eines um Hilfe bittenden Unternehmens - seit November vergangenen Jahres beschäftigen wir uns jetzt in aller Öffentlichkeit mit dem Thema -, durch die Bundesregierung und das zuständige Ministerium, ist kein Meister- und vielleicht noch nicht mal ein Gesellenstück.
Meurer: Wo wurde gepfuscht?
Schild: Wir haben sehr lange gebraucht, bis wir uns überhaupt entschieden haben, dass es Aufgabe einer Regierung, einer Bundesregierung ist – die Landesregierungen haben das ja immer anders gesehen -, sich um die Rettung eines Unternehmens wie Opel aktiv zu bemühen. Wir haben damit Monate verbracht und ein Teil der CDU/CSU hat bis heute nicht begriffen, welchen Stellenwert das Unternehmen Opel hat und dass eine Pleite von Opel allen, auch den Steuerzahlern, mehr schadet, als dem Unternehmen zu helfen.
Meurer: Aber da gilt ja das Wort der Kanzlerin vom 31. März bei Ihnen auf der Betriebsversammlung, sie hilft so weit das möglich ist.
Schild: Ja. Allerdings ich darf darauf hinweisen, das war mal eben fünf Monate, nachdem das Unternehmen in Berlin um Hilfe gebeten hatte. Ich will das nicht kritisieren, das soll nicht Nachtreten sein, aber Sie fragen mich, wo liegt die Kritik. Ich will auch dann sagen, dann hatten wir plötzlich einen neuen Bundeswirtschaftsminister, mit diesem neuen Bundeswirtschaftsminister einen Prozess, der nach meiner Wahrnehmung zu keinem Zeitpunkt für industrielle Investoren, für strategische Investoren in ausreichender Diskretion, in ausreichender Transparenz die Möglichkeit gegeben hatte, sich um Opel zu bemühen. Dann gab es ein enges Zeitfenster, in dem sich Investoren öffentlich erklären sollten. Ich frage mich immer, welcher Vorstandssprecher oder Vorstandsvorsitzende mit diesen Vorgaben hätte umgehen können. Und am Ende sind zwei übrig geblieben; das will ich noch sagen.
Meurer: Nur dass das nicht so heimlich geblieben ist, waren daran auch die Gewerkschaften beteiligt, wenn Ihre Kollegen oder Sie schon immer erkennen ließen, dass sie eine Präferenz für Magna haben?
Schild: Ganz offen gesagt, ich persönlich und auch ein Teil meiner Kollegen hat diese Präferenz bis heute nicht erkennen lassen. Was wir festgestellt haben und woran wir uns natürlich auch aktiv beteiligt haben war zu verhindern, dass nolens volens gewissermaßen im Hintergrund ein Deal mit Fiat eingefädelt wurde. Schon alleine durch die Berufung von Herrn Berger als Fiat-Verwaltungsausschussmitglied auf Wunsch des Bundeswirtschaftsministeriums und dem wundersamen Auftauchen von sehr vertraulichen Informationen über Opel bei Fiat entstand natürlich für uns der Eindruck, dass hier sozusagen im Hintergrund ein ganz anderes Spiel gespielt wird.
Meurer: Der Frankfurter Bezirksleiter der IG Metall, Armin Schild, Mitglied im Opel-Aufsichtsrat, bei uns im Deutschlandfunk nach dem Verhandlungsmarathon heute Nacht im Kanzleramt in Berlin. Danke, Herr Schild, und auf Wiederhören.
Schild: Danke!
Erst einmal begrüße ich jetzt am Telefon den Frankfurter Bezirksleiter der IG Metall, Armin Schild. Er sitzt für die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat des Unternehmens Opel. Guten Morgen, Herr Schild.
Armin Schild: Guten Morgen.
Meurer: Entspricht das Ergebnis jetzt Ihren Vorstellungen? Man hat ja schon gewusst oder geahnt, dass die Bundesregierung sich nicht auf einen Investor festlegt. Wie groß ist Ihre Enttäuschung, dass man auch nicht weiß, wie jetzt die Übergangszeit organisiert wird?
Schild: Ja, natürlich ist das jetzt keine gute Nachricht, insbesondere für die Menschen, die bei Opel arbeiten, eine erneute Phase der Unsicherheit. Ich denke aber, wir sollten jetzt auch nicht überdramatisieren. Die zeitliche Zuspitzung, dass heute Nacht eine Lösung gefunden werden musste, war ja nicht gottgegeben, sondern war eine Entscheidung, um ausreichend Druck auf alle Beteiligten zu machen. Das hat jetzt so nicht funktioniert, das muss man sehen, aber ich denke, wir befinden uns jetzt in der Nachspielzeit und in der Nachspielzeit sind ja auch schon viele Spiele entschieden worden.
Meurer: Aber manchmal auch verloren worden, Herr Schild.
Schild: Natürlich. Es gibt keine Garantien dafür, dass die Zukunft von Opel gesichert ist, wenn das Treuhandmodell nicht steht und wenn eine Verständigung mit General Motors auf der einen Seite und einem der Investoren auf der anderen Seite nicht gelingt. Das ist natürlich die Kunst, die jetzt zuwege gebracht werden muss, aber ich will doch auch sagen, eigentlich sind alle Voraussetzungen gegeben, um zu einer Lösung zu kommen. Ich glaube, es gab zwei große Punkte, die heute Nacht Probleme bereitet haben; das sind einmal 300 Millionen Euro, die an Nachforderungen oder an neuem Cash-Bedarf genannt wurden, und das ist die starke Belastung des Werkes Bochum mit Personalabbau. Ich glaube, mit Beidem kann man umgehen, für beides gibt es Lösungen.
Meurer: Aber 300 Millionen Euro sind auch nicht gerade ein Pappenstiel. Versucht die US-Seite, die Bundesregierung zu erpressen?
Schild: Da ich nicht Teilnehmer dieses Gespräches war, kann ich ganz offen gesagt nur aus dem Blickwinkel eines Aufsichtsratsmitglieds sagen, dass ich diese 300 Millionen Euro auch nicht nachvollziehen kann. Wer da wen wie auch immer über den Tisch oder nicht über den Tisch zieht, das möchte ich nicht kommentieren. Was mir wichtig zu sein scheint in diesem Zusammenhang ist der Hinweis, dass natürlich eine Reihe von offenen Fragen jetzt doch mit einem hohen Zeitdruck geklärt werden musste, Fragen, die im Zusammenhang mit der Herauslösung von Opel aus GM eben entstehen. Das ist ein Prozess, mit dem ja keiner der Handelnden Erfahrung hat. Aber ich will auch nicht ausschließen, dass an diesem Tisch gepokert wird. Das kann allerdings nur heißen, dass damit jetzt ein Ende gemacht werden muss. Dafür geht es um zu viel.
Meurer: Es wird morgen weiterverhandelt und es sickert ein bisschen durch, aus Berlin hört man, wenn es morgen nicht klappt, dann könnte Opel doch noch in die Insolvenz gehen, dann sei diese Drohung ziemlich real. Was meinen Sie?
Schild: Ich bin überzeugt davon, und zwar – wie soll ich sagen? – aus tiefstem Herzen, aber auch mit kühlem Verstand, dass bei zwei Investoren, wie wir sie jetzt an Bord haben, bei einer Konzeption insbesondere bei einem der beiden Investoren (bei Magna), die doch sehr dem nahe kommt, was alle anderen Beteiligten gefordert haben – mit einer Ausnahme: die Auslastung des Werkes in Bochum, um die wir uns kümmern müssen; da sind wir auch als IG Metall mit dem Anspruch, die Zahl der Personalmaßnahmen, die Zahl der Kündigungen klein oder auf null zu halten, dabei; da sehe ich auch Nachbesserungsbedarf, gemeinsam mit meinen Kollegen in Bochum -, ich insgesamt eine Lösung in greifbarer Nähe sehe. Und ich denke, dass deshalb an alle Beteiligten, an GM, an die amerikanische Regierung, aber auch an die Bundesregierung, der klare Appell gehen muss, jetzt sozusagen auf der Zielgeraden nicht plötzlich rechts abzubiegen.
Meurer: Umso mehr wundert man sich, dass das heute Nacht so gehakt hat. Akzeptieren Sie die Haltung der Bundesregierung, unter anderem des Bundeswirtschaftsministers, zu sagen, wir wollen kein übertriebenes Risiko eingehen für die Staatsbürgschaft, die wir jetzt für die Treuhand und für die Übergangszeit bereitstellen wollen?
Schild: Ich sage ganz ausdrücklich, das Management des Themas Opel, eines um Hilfe bittenden Unternehmens - seit November vergangenen Jahres beschäftigen wir uns jetzt in aller Öffentlichkeit mit dem Thema -, durch die Bundesregierung und das zuständige Ministerium, ist kein Meister- und vielleicht noch nicht mal ein Gesellenstück.
Meurer: Wo wurde gepfuscht?
Schild: Wir haben sehr lange gebraucht, bis wir uns überhaupt entschieden haben, dass es Aufgabe einer Regierung, einer Bundesregierung ist – die Landesregierungen haben das ja immer anders gesehen -, sich um die Rettung eines Unternehmens wie Opel aktiv zu bemühen. Wir haben damit Monate verbracht und ein Teil der CDU/CSU hat bis heute nicht begriffen, welchen Stellenwert das Unternehmen Opel hat und dass eine Pleite von Opel allen, auch den Steuerzahlern, mehr schadet, als dem Unternehmen zu helfen.
Meurer: Aber da gilt ja das Wort der Kanzlerin vom 31. März bei Ihnen auf der Betriebsversammlung, sie hilft so weit das möglich ist.
Schild: Ja. Allerdings ich darf darauf hinweisen, das war mal eben fünf Monate, nachdem das Unternehmen in Berlin um Hilfe gebeten hatte. Ich will das nicht kritisieren, das soll nicht Nachtreten sein, aber Sie fragen mich, wo liegt die Kritik. Ich will auch dann sagen, dann hatten wir plötzlich einen neuen Bundeswirtschaftsminister, mit diesem neuen Bundeswirtschaftsminister einen Prozess, der nach meiner Wahrnehmung zu keinem Zeitpunkt für industrielle Investoren, für strategische Investoren in ausreichender Diskretion, in ausreichender Transparenz die Möglichkeit gegeben hatte, sich um Opel zu bemühen. Dann gab es ein enges Zeitfenster, in dem sich Investoren öffentlich erklären sollten. Ich frage mich immer, welcher Vorstandssprecher oder Vorstandsvorsitzende mit diesen Vorgaben hätte umgehen können. Und am Ende sind zwei übrig geblieben; das will ich noch sagen.
Meurer: Nur dass das nicht so heimlich geblieben ist, waren daran auch die Gewerkschaften beteiligt, wenn Ihre Kollegen oder Sie schon immer erkennen ließen, dass sie eine Präferenz für Magna haben?
Schild: Ganz offen gesagt, ich persönlich und auch ein Teil meiner Kollegen hat diese Präferenz bis heute nicht erkennen lassen. Was wir festgestellt haben und woran wir uns natürlich auch aktiv beteiligt haben war zu verhindern, dass nolens volens gewissermaßen im Hintergrund ein Deal mit Fiat eingefädelt wurde. Schon alleine durch die Berufung von Herrn Berger als Fiat-Verwaltungsausschussmitglied auf Wunsch des Bundeswirtschaftsministeriums und dem wundersamen Auftauchen von sehr vertraulichen Informationen über Opel bei Fiat entstand natürlich für uns der Eindruck, dass hier sozusagen im Hintergrund ein ganz anderes Spiel gespielt wird.
Meurer: Der Frankfurter Bezirksleiter der IG Metall, Armin Schild, Mitglied im Opel-Aufsichtsrat, bei uns im Deutschlandfunk nach dem Verhandlungsmarathon heute Nacht im Kanzleramt in Berlin. Danke, Herr Schild, und auf Wiederhören.
Schild: Danke!