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Opel zu retten wird "eine sehr, sehr schwere Aufgabe"

Spätestens im nächsten Jahr werden auch deutsche Opel-Standorte zur Diskussion stehen, prophezeit Willi Diez. Vom Opel-Magna-Deal hält er nicht viel - und vermutet dahinter eine Taktik von General Motors.

    Sandra Schulz: 4,5 Milliarden Euro Staatsbürgschaften sollen für die Opel-Rettung bereitgestellt werden, aber die Bundesregierung will nicht alleine zahlen und darum gibt es neuen Streit um die Zukunft des Autobauers, denn auch Brüssel will da ein Wörtchen mitreden. Die Kommission hat angekündigt, die Zahlungen auf ihre europarechtliche Vereinbarkeit hin prüfen zu wollen, und in den anderen EU-Standorten, in Großbritannien, Belgien und Spanien zum Beispiel, wächst die Sorge, die Bundesregierung wolle einen Schutzschirm für deutsche Jobs kaufen. Auch ein erster Beschwichtigungsversuch gestern bei einem Treffen in Berlin hat da kaum Fortschritte gebracht.
    Meine Kollegin Britta Fecke hat dazu Einschätzungen des Leiters des Instituts für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Nürtingen eingeholt. Ihre erste Frage an Professor Willi Diez: Ist die Kritik aus Europa an der Bundesregierung berechtigt?

    Willi Diez: Man muss natürlich sagen, das Verhandlungsergebnis ist so, dass es natürlich schon den Eindruck erweckt, als würden die deutschen Standorte geschont und als hätte man sich das eben mit dem Überbrückungskredit und natürlich auch mit den zugesagten Kreditbürgschaften erkauft. Insofern muss man sicher die europäischen Nachbarn in dieser Frage auch verstehen.

    Britta Fecke: Inwieweit wird denn durch die Staatshilfe tatsächlich Einfluss genommen auf den Erhalt der Arbeitsplätze im eigenen Land, denn schließlich werden die ja wohl kaum vertraglich zugesichert werden?

    Diez: Nein. Man kann das natürlich vertraglich letztlich nicht festzurren und die wirtschaftliche Entwicklung wird sicher auch so sein, dass wir wahrscheinlich über kurz oder lang auch an einer Standortdiskussion, was die deutschen Standorte anbelangt, nicht umhin kommen. Aber es ist natürlich schon so, dass hier eine gewisse moralische Verpflichtung damit verbunden ist, wenn man Hilfen in dieser Größenordnung bekommt, dass man dann versucht, die Standorte in dem Land zu erhalten, wo diese Hilfe so großzügig ausgefallen ist.

    Fecke: Aber mal schlicht gefragt: Warum sollen wir eigentlich diese staatlichen Kredite in Höhe von im Moment 4,5 Milliarden Euro leisten, wenn wir gar nichts davon haben?

    Diez: Ja, das ist natürlich die andere Seite und das ist genauso legitim zu sagen, wir unterstützen, dann wollen wir natürlich auch gewisse Zusagen. Aber wir leben eben in einem gemeinsamen Europa, wir wollen alle gute Europäer sein und da passt natürlich eine solche Haltung nicht hinein, wobei, ich möchte noch mal betonen, dass wir vielleicht jetzt im Moment eine Scheindiskussion erleben, denn nach meiner Auffassung werden wir spätestens Mitte nächsten Jahres eine Standortdiskussion im Hinblick auf Opel bekommen, die sicher nicht vor den Toren von Deutschland haltmachen wird.

    Fecke: Sondern?

    Diez: Es wird dann auch um deutsche Standorte gehen, denn es ist ja absehbar, dass der europäische Markt nächstes Jahr wahrscheinlich weiter zurückgehen wird, insbesondere auch der deutsche Markt. Das Auslaufen der Abwrackprämie wird auch Opel sehr stark treffen und die Überkapazitäten bei Opel werden weiter steigen und dann wird auch die Diskussion sicher auf weitere Standorte ausgedehnt werden.

    Fecke: Das heißt, das Geld ist jetzt eigentlich nur schnell herausgeschossen, im Zeichen des Wahlkampfes, und wird auf lange Sicht vielleicht gar nichts bringen?

    Diez: Ja, das Risiko ist groß, dass letztlich das industrielle Konzept nicht aufgehen wird und dass Opel über kurz oder lang vor weiteren Herausforderungen steht, vor finanziellen Herausforderungen steht, und wir müssen ja auch sehen, gerade wenn wir die jüngsten Äußerungen auch anderer Automobilhersteller hören, was Magna anbelangt, dass einige Automobilhersteller, Ferdinand Piech insbesondere, klar signalisiert haben, wir werden möglicherweise Magna Aufträge entziehen. Dann muss einem natürlich schon ein bisschen Angst werden, ob Magna in der Lage ist, Opel über das nächste Jahr hinaus auch wirklich im Markt zu halten.

    Fecke: Es war ja nicht nur Piech, es war auch BMW, die sagten, sie würden ihre Aufträge noch mal überdenken, wenn aus dem alten Zulieferer plötzlich ein Konkurrent wird. Wenn Sie jetzt in die Zukunft schauen, wenn noch mehr abspringen würden, ist dann tatsächlich dieser erst gefeierte Vertrag oder der erst gefeierte Deal mit Magna tatsächlich noch so ein großer Wurf?

    Diez: Nein. Aus meiner Sicht war es das nie. Ich glaube, jeder, der ein bisschen in der industriellen Logik der Automobilbranche denken kann, für den war es von vornherein klar, dass das eine sehr, sehr schwere Aufgabe werden wird, Opel wirklich wettbewerbsfähig zu machen, und es ist ja auch kein Zufall, dass der absolute Automobilexperte in der Treuhand, Herr Wennemer, klar seine Ablehnung für dieses Konzept auch signalisiert hat. Ich denke, dass nach wie vor die Herausforderung darin liegt, Opel zu globalisieren, wirklich von 1,5 Millionen Fahrzeugen, die das Unternehmen heute produziert, auf mindestens 3 Millionen zu bringen. Das wird aber nicht gehen, wenn man gleichzeitig Opel den Zutritt in den chinesischen Markt versperrt, wenn man Opel den Zutritt in den nordamerikanischen Markt versperrt, denn das sind große Märkte und ohne die kann Opel dann langfristig nicht überleben. Das heißt, das Ganze sieht natürlich schon ein bisschen danach aus, dass General Motors vielleicht doch damit spielt, dass das jetzt gefundene Konzept nicht aufgeht und dass man dann im Laufe des nächsten Jahres vielleicht doch billiger als heute an Opel wieder herankommt und Opel wieder in den GM-Konzern vollständig einverleibt.

    Fecke: Sie sprachen die Globalisierung an. Mit welchen Modellen könnte Opel denn auf dem internationalen Markt bestehen?

    Diez: Opel hat sicher Modelle, die gerade auch in Nordamerika gut verkaufbar wären. Das ist ja auch der Grund, warum General Motors eben den Wettbewerb durch Opel nicht haben möchte. Ein Fahrzeug wie beispielsweise der Insignia, der von der Größe her, aber auch vor allem von den Verbrauchswerten her passt, würde sehr, sehr gut in den nordamerikanischen Markt passen. Opel hat auch sicher gute Autos für den chinesischen Markt und insoweit hätte Opel sicher das Potenzial, sich breiter, global breiter aufzustellen. Die Fokussierung jetzt auf den russischen Markt, die ist trügerisch, denn der russische Markt ist in diesem Jahr abgestürzt und es wird Jahre dauern, bis auch der russische Markt wirklich ein großes Potenzial für Opel hergeben wird.

    Schulz: Professor Willi Diez, der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Nürtingen, im Gespräch mit meiner Kollegin Britta Fecke.