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Opernhäuser
Italiens Musiktheater versinken im Schuldensumpf

Roms Staatsoper hat unter Carlo Fuortes zwar einen beachteten Image-Wandel vollzogen, doch steckt die Institution immer noch im Schuldenloch. Das italienische Kulturministerium spricht - wie schon einmal 2013 - von einer möglichen Abwicklung. Nicht das einzige staatlich geförderte Opernhaus in Italien, um das es nicht gut bestellt ist.

Von Thomas Migge | 10.04.2017
    Das Teatro dell'Opera di Roma.
    Das Teatro dell'Opera di Roma. (Teatro dell'Opera di Roma)
    "Maria Stuarda" von Gaetano Donizetti an der römischen Staatsoper. Eine wirklich gelungene Inszenierung. Die beiden Protagonistinnen, Maria Stuarda und ihre politische Gegnerin Elisabetta, meisterhaft interpretiert von Marina Rebeka und Carmela Remigio, erhielten Standing Ovation.
    Alle sechs Aufführungen waren ausverkauft. Seit einigen Jahren gilt das für die meisten Opernaufführungen an der römischen Staatsoper. Der Grund dafür: Endlich bietet das Opernhaus eine interessante und vielseitige Programmgestaltung, die nicht nur Operntraditionalisten, sondern auch einem neuen und vor allem jungen Publikum entgegen kommt, um das sich frühere Theaterintendanten Roms nur wenig kümmerten. Carlo Fuortes hingegen, der seit 2013 die Geschicke an Roms einzigem Musiktheater lenkt, engagiert zunehmend Regisseure, wie etwa Graham Vick und Damiano Michieletto, die Regietheater bieten, was für Rom etwa ganz neues ist. Fuortes Programmgestaltung unterscheidet sich damit wesentlich von der seiner Vorgänger: nicht nur permanent Bellini, Rossini und Verdi, sondern in diesem Jahr auch Alban Berg, Daniel-Francois Auber und Richard Wagner, der in Rom immer noch recht exotisch ist. Carlo Fuortes:
    "Wir bieten endlich ein umfassendes Opernprogramm. Es gibt ja nicht nur Freunde des Belcanto, sondern auch anderer Opern. Das wir endlich eine Mischung aus dem gesamten Musikschaffen bieten, das ist das wirklich Neue an diesem Haus."
    Neues Image
    Nach Jahrzehnten, in denen Roms Staatsoper europaweit unter ferner liefen gehandelt wurde, kann sie inzwischen bei verschiedenen Produktionen auch der Mailänder Scala Paroli bieten. Die programmatische Revolution hat dem Haus nicht nur ein ganz neues Image verschafft, auch die Abonnentenzahlen sind kräftig gestiegen.
    Doch auch Carlo Fuortes ist es nicht gelungen Roms Staatsoper aus dem Schuldenloch zu holen. Das jedenfalls erklärt Gianluca Sole. Der Spitzenbeamte im italienischen Kulturministerium ist Kommissar für die staatlichen Musiktheater. Soles jüngster Bericht klingt gar nicht gut:
    "Ich habe die Zeit unter die Lupe genommen, die seit der Vergabe der finanziellen Unterstützungen für verschuldete Musiktheater durch das Ministerium verstrichen ist. In den meisten Fällen kam es sicherlich zu Reformen, um weitere Schulden zu verhindern, aber ganz generell sieht die Situation sehr schlecht aus. Ich hatte schon erwartet, dass die Zahlen besser ausfallen."
    2013 verabschiedete der damalige Kulturminister Massimo Bray ein Gesetz, das kräftige Finanzspritzen für jene staatlichen Musiktheater vorsieht, die sich dazu bereit erklären, nicht nur ihre Schulden abzubauen, sondern sich auch grundsätzlich zu reformieren, um neuer Schuldenbildung vorzubeugen.
    Auch die Staatsoper Rom kam in den Genuss solcher Gelder. Insgesamt erhielt Fuortes für sein Haus 25 Millionen Euro vom Kulturministerium. Damit sollte eine finanziell dramatische Situation bekämpft werden, die fast zu einer Schließung des Hauses geführt hätte. Doch jetzt, vier Jahre nach der Finanzspritze durch das Ministerium, scheint es um den Schuldenberg der Staatsoper immer noch nicht wesentlich besser auszusehen, berichtet der römische Musikjournalist Franco Soda:
    "Was wirklich beeindruckt sind folgende Zahlen des Berichts aus dem Ministerium: 2015 stand das Opernhaus Rom mit etwa 54 Millionen Euro in der Kreide. 2016 sank dieser Wert auf zirka 48 Millionen. Als Fuortes das Geld aus dem Kulturministerium erhielt, betrugen die Schulden ‚nur’ 38 Millionen Euro."
    Erstes Festival für zeitgenössisches Opernschaffen wieder gestrichen
    Kein Wunder wenn man im italienischen Kulturministerium nun erneut, wie schon 2013, von einer möglichen Abwicklung der Staatsoper spricht - also der Entlassung aller Mitarbeiter, um anschließend einen Neubeginn zu wagen. Weil der Schuldenberg nicht geringer wird, wurde ein von Carlo Fuortes im vergangenen Jahr eingeführtes neues und von Publikum und Kritik hoch gelobtes Projekt gestrichen: das erste italienische Festival für zeitgenössisches Opernschaffen, unter der künstlerischen Direktion des Komponisten Giorgio Battistelli. Es findet in diesem Jahr nicht mehr statt. Kein Geld, heißt es hinter vorgehaltener Hand aus der Theaterdirektion. Und Rom ist kein beileibe Einzelfall.
    Um insgesamt acht von 14 staatlich geförderten Operntheatern ist es dem jüngsten Bericht aus dem Kulturministerium zufolge ganz und gar nicht gut bestellt. Franco Soda:
    "In dem Bericht werden die wirtschaftlichen Bedingungen von acht Theatern untersucht. Das Gesamtresultat: Obwohl am Abbau der Schulden gearbeitet wird, werden die erhofften Prognosen nur minimal erfüllt."
    Die Gewerkschaften aktivieren bereits ihre Mitglieder und schon wird mit Streiks gedroht, sollten sich die Intendanten der betroffenen Musiktheater zu Entlassungen entschließen. Ein baldiges Ende der Krise der italienischen Opernhäuser ist nicht abzusehen. Es sei denn, Italien erhöht seine Kulturausgaben. Aber damit ist angesichts einer Staatsverschuldung von rund 140 Prozent des Bruttosozialprodukts nicht zu rechnen.