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Organisationsablauf im Bundestag
Welche Rechte die AfD im Parlament hat

Die Geschäftsordnung billigt Fraktionen oder auch besonders der größten Oppositionspartei im Deutschen Bundestag viele Sonderrechte zu. Die anderen Parteien wollen sich auch bei der AfD an diese Gepflogenheiten halten - Ärger scheint aber vorprogrammiert.

Von Gudula Geuther | 25.09.2017
    Die Vogelperspektive auf das leere Plenum des Bundestags.
    Die Vogelperspektive auf das leere Plenum des Bundestags. (dpa/Michael Kappeler)
    Noch können die Handwerker nicht loslegen, um den Plenarsaal des Deutschen Bundestages umzubauen. Zuerst müssen die Fraktionen entscheiden, wo sie überhaupt sitzen wollen. Es geht dabei auch um Richtungsansagen – um die es zum Beispiel in den Anfangszeiten der Grünen auch schon Streit gab.
    Sicher ist aber: Die Abgeordneten werden enger zusammenrücken müssen. 598 sind es nach dem Gesetz – erst einmal. Tatsächlich waren es in der vergangenen Legislaturperiode 631, nun werden es 709 sein.
    Das liegt zum einen an den Überhangmandaten, die entstehen, wenn eine Partei in einem Land mehr Direktmandate gewinnt als ihr nach der Zahl der Zweitstimmen zustünden. Hier profitieren vor allem CDU und CSU. Seit der vergangenen Legislaturperiode werden diese Mandate aber komplett ausgeglichen – auch alle anderen Fraktionen bekommen also Mandate hinzu.
    Zahl der Mandate im Bundestag steigt
    Und da der neue Bundestag noch mehr Fraktionen hat, steigt die Zahl noch mehr. Der bisherige Bundestagspräsident, der CDU-Politiker Norbert Lammert, hatte sich intensiv um eine Wahlrechtsreform bemüht, um das Aufblähen des Bundestages zu verhindern – ohne Erfolg, wie er resigniert im Deutschlandfunk einräumte.
    "Jedenfalls lässt sich nicht übersehen, dass die legitimen und handfesten Interessen aller Beteiligten den Konsens nicht haben zustande kommen lassen, der in der Sache nötig und nach meiner Überzeugung auch möglich gewesen wäre."
    Zwei Fraktionen sind mit FDP und AfD gegenüber der letzten Legislaturperiode hinzugekommen, wenn es denn dabei bleibt. Und vor allem im Fall der AfD stehen Entscheidungen an, auch organisatorisch. Vor allem: Soll die AfD einen Vizepräsidenten stellen dürfen? Die Geschäftsordnung sieht das vor.
    Mindestens ein Stellvertreter soll jeder Fraktion zustehen, eine Regel geschaffen 1994, nachdem die Grünen schon länger ohne Präsidiumsmitglied im Parlament gesessen hatten. Nur: Gewählt wird mit Mehrheit. Dass die Wahl kein Selbstläufer ist, zeigte sich 2005, als Lothar Bisky mit seinen Ambitionen am Widerstand der anderen Fraktionen scheiterte – und schließlich Petra Pau für die Linkspartei ins Präsidium gewählt wurde. Solche Fragen könnten sich ernsthaft stellen. Auch wenn am Morgen etwa Alexander Graf Lambsdorff im Deutschlandfunk betont:
    "Wir werden uns an Recht und Gesetz und die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages halten. Die Partei wird behandelt wie alle anderen auf Grundlage der Geschäftsordnung."
    Der frisch gekürte FDP-Abgeordnete bringt die Erfahrung als Vizepräsident des Europaparlaments ein. Aber auch Justizminister Heiko Maas, SPD, hatte sich so geäußert, so wie auch gestern Abend die grüne Fraktionsgeschäftsführerin Britta Hasselmann:
    "Ich finde, man darf der AfD keine Opferrolle zugestehen im parlamentarischen Prozedere, im parlamentarischen Verfahren."
    Als stärkste Oppositionsfraktion stehen weitere Rechte zu
    Ob sich andere Fragen stellen, ist noch offen. Würde die AfD stärkste Oppositionsfraktion, stünden ihr weitere Rechte zu. Geht die SPD tatsächlich in die Opposition, hätte sich die Frage erledigt.
    Nach den jüngsten Entwicklungen ist außerdem nicht ganz ausgeschlossen, dass die AfD noch hinter die FDP zurückfällt. Das wäre der Fall, wenn sich mehr als 14 Abgeordnete entschließen sollten, mit Frauke Petry die Fraktion zu verlassen – als bloße Gruppe, solange es nicht erheblich mehr wären. Nur einer AfD als Oppositionsführerin stünde das wichtige Recht zu, als erstes nach der Mehrheitsfraktion zu reden – also auch nach der Kanzlerin. Aber:
    "Die Rederechte richten sich ja nach der Größe der Fraktion, nicht nach den Wahlergebnissen."
    Betont Linken-Fraktionschefin Sara Wagenknecht mit Blick auf die mögliche Spaltung. Ähnliches gilt für den Vorsitz des mächtigen Haushaltsausschusses. Der allerdings steht nur nach parlamentarischen Gepflogenheiten dem Oppositionsführer zu. Streit wäre im Fall der AfD programmiert.