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Organische Anomalien
Astrobiologen suchen nach Spuren von Leben im All

Existieren in den Tiefen des Weltraums andere Lebensformen? Als wichtigste Voraussetzung für die Entstehung solch außerirdischen Lebens galt bisher Wasser. Mittlerweile denken Forscher über Alternativen nach: Könnten etwa andere Flüssigkeiten ein Lösungsmittel für einfache Lebensformen bilden?

Von Guido Meyer | 27.09.2018
    Der Saturn mit seinen Monden Encedalus, Dione, Titan und Mimas (v.l.n.r.)
    Der Planet Saturn mit seinen Monden Enceladus, Dione, Titan und Mimas (v.l.n.r.). Astrobiologen rätseln, ob das flüssige Methan auf Titan als Ursuppe für die Entstehung von Leben taugt. (imago stock&people)
    Jedes Mal wenn die US-Raumfahrtbehörde NASA eine Sonde zum Mars schickt, ist das Ziel das gleiche: to follow the water - dem Wasser folgen. Das gibt es in flüssiger Form zwar heute nicht mehr auf der Mars-Oberfläche. Aber wahrscheinlich war der rote Planet einst ein blauer, mit Flüssen und mit Seen, erklärt Andrew Pohorille von der NASA:
    "Das einzige Leben, das wir kennen, ist hier auf der Erde - und es hat seinen Ursprung im Wasser. Aber ist Wasser deswegen eine Voraussetzung für die Entstehung von Leben? Gibt es Alternativen? Bestehen Wege, dass andere Flüssigkeiten ein Lösungsmittel für einfache Lebensformen bilden?"
    Andrew Pohorille ist der Direktor des NASA-Zentrums für computergestützte Astrobiologie und pharmazeutische Chemie in Kalifornien. Er ist Physiker, Biologe, Biophysiker und Chemiker, alles zusammen - beste Voraussetzungen, um sich disziplinübergreifend mit der Frage zu beschäftigen: Könnte beispielsweise auch flüssiges Methan auf dem Saturn-Mond Titan eine Ursuppe für das Leben sein?
    Leben ohne Wasser - derzeit undenkbar
    "Zumindest nach derzeitigem Wissensstand lautet die Antwort: 'nein'. Keine andere uns bekannte Flüssigkeit hat die Eigenschaften, die für die Entstehung von Leben nötig sind. Die hat nur Wasser."
    So gibt es in Methan keinen sogenannten hydrophoben Effekt, der es Molekülen ermöglicht, sich durch Zellwände vom umgebenden Medium, beispielsweise Wasser, abzutrennen und so isolierte, eigenständige, lebendige Einheiten zu bilden. Astrobiologen nennen so etwas eine Anomalie. Leben entsteht, wenn sich bis dahin unbelebte Chemie selbst organisiert und sich so von der toten Umgebung absetzt.
    Ein Satellit soll Anomalien automatisch erkennen
    "Stellen Sie sich einfach vor, Sie laufen in der Wüste. Sie laufen, laufen und laufen; sehen nur Sand, Sand, Sand. Und dann entdecken Sie auf einmal ein Stück Ast oder ein Stück Blatt. Was haben Sie jetzt als Mensch gemacht? Sie sind gelaufen, Sie haben die Umgebung beobachtet - und zwar kontinuierlich -, und dann ist Ihnen dieses Stück Ast aufgefallen. Genau das wollen wir mit dem Satelliten auch machen."
    Das Team um den Raumfahrttechniker Hakan Kayal von der Universität Würzburg arbeitet derzeit an einem Satelliten mitsamt zugehöriger Software, die automatisch solche Anomalien im All erkennt - solche, die möglicherweise auf Leben hindeuten.
    "Für den Menschen ist die Sache einfach. Jedes Kind wird aufmerksam, wenn es in der Umgebung etwas Ungewöhnliches entdeckt, was nicht in der Szenerie normalerweise da wäre. Und genau das wollen wir mit dem Satelliten, mit unserem Detektionssystem auch machen, aber für die Maschine ist das sehr, sehr schwierig. Das erfordert, dass die Kamera, die Sensoren mit einer hohen Auflösung permanent arbeiten."
    Adlerauge für die Suche nach außerirdischem Leben
    Solche Kameras könnten beispielsweise den Jupiter-Mond Europa beobachten und darauf achten, ob die Geysire irgendwann wieder ausbrechen, deren Existenz noch umstritten ist. Oder sie könnten ihren Blick auf den Mond richten und dort auf die nach wie vor ungeklärten kurzzeitigen Leuchterscheinungen achten, die sogenannten Transient Lunar Phenomena (TLP) - und das alles ohne beobachtendes Auge des Menschen, sondern automatisch, wie der Astrobiologie Dirk Schulze-Makuch von der Technischen Universität Berlin ergänzt.
    "Wir wollen suchen alles, was außergewöhnlich ist, Formen, die nicht natürlich von anorganischen Prozessen produziert werden."
    Nachdem solche Anomalien also entdeckt wurden, kommt der zweite Schritt: klären, ob dahinter wirklich zwangsweise ein lebendiger Ursprung stecken muss. Hakan Kayal von der Uni Würzburg:
    "Es geht darum, etwas, was sehr kurz dauert, vielleicht sogar kürzer als eine Sekunde, überhaupt ausfindig zu machen. Und diese Technologie wollen wir dann später heraustragen, um andere Planeten, und andere Phänomene zu detektieren."
    Und wer weiß - vielleicht wird den Würzburgern doch der Nachweis gelingen, dass irgendwo im Sonnensystem etwas Lebendiges entstanden ist - ohne flüssiges Wasser in der Nähe.