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Orgelmusik
Kompositionen von Buxtehude bis Brahms neu eingespielt

Zwischen ihnen liegen nicht nur fast 200 Jahre, sondern auch gegensätzliche Stilepochen wie der Hochbarock und die beginnende Spätromantik. Dennoch eint die Kompositionen von Dieterich Buxtehude bis Johannes Brahms ein Instrument: die Orgel. Organist Matthias Neumann hat die Werke neu eingespielt.

Moderation: Klaus Gehrke | 19.03.2017
    Die Orgelpfeifen einer Kirchenorgel aufgenommen am 30.11.2012 in einer Kirche in Stadtbergen (Bayern).
    Der Organist Matthias Neumann hat auf seiner neuen CD "Laudes organi" Werke von Dieterich Buxedehude bis Johannes Brahms eingespielt. (dpa / Karl-Josef Hildenbrand)
    Auch wenn Felix Mendelssohn Bartholdy heute hauptsächlich als Komponist brillanter Orchester- und Kammermusik sowie sensibel feingliedriger Klavierlieder gefeiert wird, war er zu seiner Zeit ein ebenso geschätzter Orgelvirtuose. Vor allem in Großbritannien begeisterte sein Spiel regelmäßig Publikum und Kritiker. Die beschrieben insbesondere Mendelssohns Improvisationskünste als "sehr differenziert", "voll zärtlichen Ausdrucks und exquisiter Leidenschaftlichkeit".
    Schöpfer der romantischen Orgelsonate
    Gleiches gilt auch für seine sechs Sonaten für Orgel op. 65, die Mendelssohn 1845 vollendete. Sie nehmen in der romantischen Orgelliteratur eine zentrale Position ein: Mit ihnen schuf Mendelssohn eine eigenständige Gattung für das Instrument, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine wahre Blüte erlebte. Zudem stellte er in den Sonaten eine Art stilistisches und technisches Kompendium für die Organisten seiner Zeit auf. Die Nr. 4 in B-Dur aus op. 65, die Mendelssohn als letzte der Sonaten Anfang 1845 schrieb, spielt Matthias Neumann auf der Furtwängler-Orgel der spätbarocken St. Martinskirche im Göttinger Stadtteil Geismar.
    Der dezent neogotische Prospekt der Orgel ist typisch für die Zeit um 1861, in der das Instrument entstand; allerdings orientiert sich dessen Disposition klanglich durchaus noch an barocke norddeutsche Vorbilder. Gefertigt wurde es von der in Elze bei Hildesheim ansässigen Orgelbaufirma Philipp Furtwängler und Söhne, die ab 1840 vor allem in Niedersachsen einen guten Ruf genoss. Mit 21 Registern ist die Orgel in Mandelsloh bei Hannover fast genauso groß wie die in Geismar; ihre klangliche Ausrichtung ist jedoch deutlich romantisch, was wunderbar zu den Werken August Gottfried Ritters, einem Zeitgenossen von Franz Liszt, passt.
    Versierter Interpret
    Der 33-jährige Matthias Neumann gehört zu den bedeutendsten Interpreten der jungen deutschen Orgelszene und gibt Konzerte im In- und Ausland; 2012 erhielt er den renommierten Bach-Preis der Stadt Leipzig. Derzeit unterrichtet Neumann als Professor an der Hochschule für evangelische Kirchenmusik in Bayreuth und der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Im Stadtteil Fuhlsbüttel hat er bis zum vergangenen Jahr auch als Organist an der St. Marienkirche gearbeitet.
    Das dortige Instrument, gebaut 1962 von Alfred Führer, einem Schüler von Pius Furtwängler, war von Anfang an nach typisch norddeutschen barocken Vorbildern konzipiert. Bei einer kürzlich erfolgten Neuintonation wurde das Klangbild in diesem Sinne noch weiter verbessert, was in Dieterich Buxtehudes Toccata in F Werkeverzeichnis 156 eindrucksvoll zu hören ist.
    Bemerkenswerte Zusammenstellung
    Mit dieser CD stellt Matthias Neumann höchst eindrucksvoll musikalische Vielseitigkeit sowie technische und interpretatorische Souveränität unter Beweis. Auch seine Musikauswahl ist bemerkenswert – kombiniert sie doch eher bekanntere Kompositionen wie Johann Sebastian Bachs Orgelsonate in Es-Dur oder die schon erwähnte Mendelssohn-Sonate Nr. 4 mit eher selten zu hörenden Werken wie Christian Heinrich Rincks Orgelbearbeitung seines Flötenkonzertes oder die düster verhaltene Fuge as-Moll, die der junge Johannes Brahms 1856 zum Namenstag von Robert Schumann komponierte.
    Dass Neumann auf drei unterschiedlichen Instrumenten spielt, ist vor allem einem Umstand geschuldet: Diese wurden kürzlich von der ebenfalls in Niedersachsen ansässigen Orgelbauwerkstatt Bente vorbildlich restauriert. Von ihr kam auch der Anstoß für die vorliegende Produktion. Im Booklet der CD werden die drei Orgeln ebenso wie die Komponisten und ihre Werke anschaulich und informativ vorgestellt. Eine intensive Lektüre ist allerdings auch vonnöten; denn nur so erfährt der aufmerksame Leser, auf welchem Instrument Matthias Neumann was spielt. Ein entsprechender Hinweis in der Trackliste fehlt leider. Nichts desto trotz ist "Laudes organi" eine interessante und in der Zusammenstellung ungewöhnliche Produktion; darüber hinaus wirft sie ein Licht auf die im Vergleich zu den barocken Orgeln lange Zeit eher gering geschätzten Instrumente aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die es durchaus verdienen, wieder beachtet zu werden.
    Laudes organi: Werke von Buxtehude bis Brahms mit Matthias Neumann (Rondeau ROP 6132)