Archiv

Ost-Konvent in Thüringen
Sachsen-SPD macht mobil

Nach den krachenden Wahl-Niederlagen wollen sich die Genossen und Genossinnen im Osten wieder mehr Gewicht in der Bundes-SPD verschaffen. Dazu treffen sich Partei-Mitglieder zum Ost-Konvent in Thüringen. Die Ergebnisse sollen auf den Bundesparteitagen zur Beschlusslage werden.

Von Bastian Brandau |
Sachsen, Zwickau: Martin Dulig, Wirtschaftsminister von Sachsen (SPD), steht vor dem Horch-Museum neben einem Pkw Trabant, nachdem er mit dem Zweitakter durch Zwickau gefahren ist.
Der sächsische SPD-Chef Martin Dulig (Jan Woitas/dpa)
"Dann können wir jetzt anfangen…" - Arbeitsstimmung bei der Sitzung des Dresdner SPD-Teams für die Europawahl.
"Ich denke mal, wir sollten erstmal klären, welche Punkte wir heute entscheiden…"
Am 26. Mai wählen die Menschen in Sachsen: Neue Kommunalparlamente gleichzeitig mit den Europawahlen. In Dresden wird dann das Gesicht von Matthias Ecke auf Plakaten zu sehen sein. Der 35-Jährige bewirbt sich erstmals um einen Sitz im Europaparlament. Zur sächsischen SPD sei er gekommen, als es vor 15 Jahren um Studiengebühren ging, erzählt Ecke. Auch er wird am Wochenende zum Ostkonvent der SPD nach Erfurt fahren.
"Und vor allen Dingen erwarte ich auch, dass die ganze Parteispitze dann auch mal dem Osten zuhört. Und die Dinge nachvollzieht, die wir hier länger diskutieren. Weil das Bemerkenswerte ist ja, dass sich etwas verändert gerade in der SPD und vieles davon aus dem Osten kommt und von hier ausgeht."
Augen öffnen mit Nachwende-Ungerechtigkeiten
Als Beispiel nennt er die Dialogformate, die die SPD jetzt auch im Bund ausprobiere. So wie es der sächsische SPD-Chef Martin Dulig mit seiner Küchentisch-Tour seit Jahren mache. Auch die von der sächsischen Integrationsministerin Köpping angeregte Diskussion um die Zeit nach 1990 komme im Westen an.
"Wir merken zusehends, dass die Debatte, die auch Petra Köpping angestoßen hat über die Nachwendeungerechtigkeiten auch in vielen Teilen der West-SPD mal die Augen öffnet. Dann auch die Leute in Baden-Württemberg, in Nordrhein-Westfalen, in Schleswig-Holstein sagen: Ja Mensch, so haben wir das noch gar nicht gesehen."
Wahrgenommen werden und auch auf Bundesebene etwas bewirken – das fällt der sächsischen SPD aufgrund ihrer geringen Mitgliederzahl oft schwer. Die sei in letzter Zeit gestiegen, erklärt Generalsekretär Henning Homann bei einem Rundgang durch seine Heimatstadt Döbeln in Mittelsachsen. Der Ostkonvent der SPD: Aus seiner Sicht ein Meilenstein.
Henning Homann, SPD-Generalsekretär Sachsen in Döbeln
Henning Homann, SPD-Generalsekretär Sachsen in Döbeln (Deutschlandradio / Bastian Brandau)
"Aber auch nur ein Meilenstein auf einem weiteren Weg. Weil ich glaube, ein neues selbstbewusstes Ostdeutschland muss sich auf allen politischen Ebenen erst noch wirklich durchsetzen. Und das bedeutet, dass wir innerhalb der SPD natürlich wollen, dass die Ergebnisse des Ostkonvents am Ende auch auf Bundesparteitagen zur Beschlusslage der SPD werden. Und wir wollen natürlich auch im Bundestag, in der Bundesregierung diese Sachen in praktische Politik umsetzen."
Entscheidendes Thema Grundrente
Was sich in der Großen Koalition in Berlin durchaus als schwierig erweist. Etwa beim Thema Grundrente, das für Homann ein Entscheidendes ist.
"Das was ich sehe, ist, dass wir einige gute Sachen umsetzen, aber vieles davon im Gedächtnis der Menschen nicht ankommt. Das ist ein typisches GroKo-Problem. Deshalb muss es für die SPD darum gehen, über die Große Koalition hinaus auch konzeptionell zu denken."
Auch in Sachsen regiert die SPD mit der CDU. Doch von "Großer" Koalition kann man hier nicht sprechen: Nur 12,4 Prozent holten die Sozialdemokraten vor fünf Jahren.
"Die SPD hat in den 90er Jahren in Sachsen schwere strategische Fehler gemacht. Deshalb sind wir heute eine kleinere Partei als in anderen Ländern. Es ist schlichtweg nicht fair, uns mit Mecklenburg-Vorpommern oder mit Nordrhein-Westfalen oder Hessen zu vergleichen. Wir haben bei den beiden letzten Landtagwahlen zugelegt. Und wir haben bei dieser Wahl die Chance, das dritte Mal in Folge zuzulegen."
Landtagswahl ist im September, von einer Mehrheit ist die aktuelle Koalition in den Umfragen aber weit entfernt. Weil die AfD bei über 20 Prozent landen dürfte, bräuchten SPD und CDU einen dritten oder gar vierten Partner. Solange die CDU nicht ein Tabu bricht und mit der AfD koaliert. Als die bei den Bundestagswahlen 2017 in Sachsen vor der CDU stärkste Partei wurde, hat das auch bei den Sozialdemokraten für neue Parteieintritte gesorgt.
Vielbeachteter Facebook-Post
Kein Mitglied, aber Kandidat auf der Liste der SPD, wird im Mai bei den Kommunalwahlen Stephan Conrad sein. Conrad ist Sozialarbeiter im soziokulturellen Zentrum Treibhaus e.V. in Döbeln. Nach den rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz hatte er sich in einem vielbeachteten Facebook-Post für mehr politisches Engagement ausgesprochen. Nur zum großen "Wir sind mehr"-Konzert nach Chemnitz zu fahren, reiche nicht aus. Nun tritt Conrad in Döbeln auf Platz sechs bei der SPD an. Ein Freund, Sozialdemokrat, hatte ihn angesprochen.
"Ich habe mir das dann gründlich überlegt, habe mehrere Gespräche geführt. Und habe mich dann an meinen eigenen Post erinnert. Und wann, wenn nicht jetzt, ist vielleicht der richtige Zeitpunkt, sich eben nicht nur aufzuregen, dass der Stadtrat alles falsch macht oder oft nicht richtig, sondern dann eben selbst mit anzupacken."
Sozialarbeiter Stephan Conrad, kandidiert parteilos auf der Liste der SPD
Sozialarbeiter Stephan Conrad, kandidiert parteilos auf der Liste der SPD (Deutschlandradio / Bastian Brandau)
Als Parteiloser, das ist ihm wichtig, in die SPD eintreten? Mit der Frage habe er sich noch nicht befasst.
"Für mich hat das nie eine Rolle gespielt. Jetzt der erste Schritt, mal auf so einer Liste zu kandidieren. Dann mal in diesen Parteialltag zumindest auf kommunaler Ebene reinzuschnuppern. Mal gucken, was dann in zehn Jahren ist."
Geht es nach der der SPD, entwickelt sich der Osten dann zum technologischen Zukunftslabor. Einen entsprechenden Plan soll der Ostkonvent am Wochenende beschließen.