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Ost-Ukraine
Vor Waffenruhe viele Tote bei Kämpfen

Kurz vor der vereinbarten Waffenruhe ab Sonntag gibt es weiter heftige Kämpfe im Osten der Ukraine. Die ukrainische Armee und prorussische Aufständische berichteten von mindestens 18 Toten allein heute. Experten sehen das Minsker Abkommen in Gefahr.

13.02.2015
    Sogenannte Selbstverteidigungskräfte der selbst ernannten Donetzker Volksrepublik.
    Sogenannte Selbstverteidigungskräfte der selbst ernannten Donetzker Volksrepublik. (AFP / RIA Novosti)
    Von einem Hoffnungsschimmer sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), nachdem sie mit den Präsidenten der Ukraine, Russlands und Frankreichs eine Waffenruhe vereinbart hatte. Doch davon ist im kriegerischen Donbass faktisch nichts spürbar. Eine Waffenruhe sei momentan nur schwer vorstellbar, berichtet unsere Korrespondentin Sabine Adler. An mehreren Orten wird heftig gekämpft:
    • Bei einem Granatenbeschuss der Stadt Schastye nahe Luhansk wurden nach Angaben der Regionalbehörde zwei Zivilisten getötet und sechs weitere verletzt. Die Wärmeversorgung der Stadt ist demnach zusammengebrochen, Strom- und Wasserleitungen sind beschädigt.
    • Die Regierung in Kiew hatte zuvor bereits gemeldet, dass in den vergangenen 24 Stunden acht Soldaten getötet und 34 weitere verletzt wurden. Stellungen des Militärs seien von den prorussischen Separatisten auch nach den Vereinbarungen von Minsk beschossen worden.
    • Besonders heftig sind die Kämpfe in der Region Debalzewe gewesen. Der Ort ist ein Verkehrsknotenpunkt, seine Eroberung würde die Verbindung zwischen zwei größeren von den Separatisten besetzten Gebieten herstellen.
    Sollten die Separatisten Debalzewe einnehmen, dann sei das Minsker Abkommen Makulatur, sagte der Osteuropa-Historiker Wilfried Jilge im Deutschlandfunk. Er spricht von "sehr fragilen Punkten" und "prekären Bruchstellen" in der Vereinbarung - und der "bitteren Erkenntnis, dass ein aggressiver Staat mit informellen Vorposten mittels roher Gewalt Fakten schaffen kann".
    Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, meinte, es bestehe die Gefahr, dass sich Armee und Aufständische bis zum Beginn der Feuerpause Samstagnacht einander noch Verluste beibringen wollten. Die Verbitterung darüber könne so groß werden, dass die Bereitschaft zum Waffenstillstand dann zu gering sei, erklärte er im Bayerischen Rundfunk.
    "Nur ein Fetzen Papier"
    "Nach all den Rückschlägen der letzten Monate und Tage haben wir keine Illusionen mehr", sagte der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, im Deutschlandfunk. Dem Abkommen von Minsk gibt der Botschafter kaum eine Chance. "Es ist nur ein Fetzen Papier." Die Regierung in Kiew habe mehr vom Gipfel in Minsk erwartet. "Aber letztendlich ist ein schlechter Frieden viel besser als ein guter Krieg." Melnyk glaubt nicht, dass Russland von seinen Zielen in der Ostukraine abrücken wird.
    Österreichs Außenminister Sebastian Kurz warnte Russland im Deutschlandfunk vor neuen Sanktionen. "Es ist sonnenklar, dass ohne Verbesserung der Situation auch keine Aufhebung der Sanktionen erfolgen wird", sagte Kurz. "Es ist auch klar, dass, wenn die Situation schlechter wird, wenn sich Putin einen Korridor durchschlagen sollte bis hin zur Krim, dass das natürlich auch nicht ohne Reaktion der Europäischen Union geschehen würde."
    Österreichs Außenminister Sebastian Kurz mit erhobenem Zeigefinger vor einer gold-weißen Tür
    Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (Imago)
    Keine Amnestie für Separatistenanführer
    Eine ebenfalls in Minsk vereinbarte Amnestie soll nach Darstellung des ukrainischen Außenministers Pawel Klimkin nicht für die Anführer der prorussischen Separatisten im Donbass gelten. Eine föderale Staatsordnung wie etwa in Deutschland oder Russland sei zudem nicht vorgesehen. Die Aufständischen warfen Kiew vor, den Minsker Abmachungen auszuweichen.
    Die Weltbank will der krisengeschüttelten Ukraine in diesem Jahr bis zu zwei Milliarden Dollar zur Armutsbekämpfung und Unterstützung von Reformen zur Verfügung stellen. Das Geld ist Teil eines 40 Milliarden Dollar großen neuen Hilfspaketes, zu dem der Internationale Währungsfonds 17,5 Milliarden Dollar beiträgt.
    (sdö/kis)