Bettina Klein: Herr Heine, Sie sind heute zitiert worden mit der Einschätzung: wahrscheinlich handle es sich bei den Entführern nicht um eine radikal-islamische Vereinigung, sondern einfach um Gangster, die Geld erpressen wollen. Kann man aus den Indizien, die wir haben, wirklich so etwas schon ableiten?
Peter Heine: Also, jedenfalls kann man solche Überlegungen anstellen. Die Tatsache, dass eben Hinweise auf Koranzitate fehlen, dass es keine Kalligraphien gibt oder ähnliches, machen, glaube ich, schon deutlich, dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass es sich um Gangster handelt.
Klein: Was lässt Sie darüber hinaus zu dieser Einschätzung kommen?
Heine: Also, ich glaube, auch ein wichtiges Moment in diesem Zusammenhang ist, dass möglicherweise die Erfahrungen, die die radikal-islamischen Gruppen mit ihren Entführungen gemacht haben, dass das im Grunde also kontraproduktiv war, die eher dazu bringt solche Inlandaktiven Helferinnen in Ruhe zu lassen.
Klein: Gesetz den Fall, es handelt sich wirklich um Kriminelle, nicht um eine politische Vereinigung oder "Nur-Kriminelle" - muss man ja wohl sagen. Was würde das für die Verhandlungsführung der Bundesregierung bedeuten? Was würde das anders machen?
Heine: Nun das eine ist natürlich, dass möglicherweise dann die Kontakte zu diesen Leuten relativ schwierig zu erreichen sind. Die werden natürlich alles Mögliche unternehmen, um nicht ohne weiteres gefasst zu werden. Das andere ist aber, dass deren Motivation dann einfach eindeutig ist, und da wird es dann darum gehen, eine möglichst hohe Lösegeldsumme zu erhalten.
Klein: Und wenn es so wäre, wäre es dann für die Geisel, für Susanne Osthoff, eher gefährlicher oder eher weniger gefährlich?
Heine: Also, die Situation ist natürlich gefährlich. Das muss man grundsätzlich sagen. Aber ich würde auch sagen, wenn es sich nun wirklich um Gangster handelt, dann ist die Situation im Vergleich nicht weniger gefährlich.
Klein: Können Sie einschätzen, was die Bundesregierung im Moment wirklich konkret unternimmt, um an die Hinterleute, an die Kidnapper heranzukommen?
Heine: Nun ist es ja so, dass der deutsche Botschafter in Bagdad ein ausgesprochen erfahrener Mann ist, der selber gut arabisch spricht, die Region sehr gut kennt. Der wird sich natürlich bemühen eher mit Kanälen, die inoffiziell sind, Kontakte herzustellen. Möglicherweise ist auch der Bundesnachrichtendienst schon aktiv in der Region, um den Kontakt zu den Kidnappern aufzubauen.
Klein: Man fragt sich ja wirklich, wie ist das möglich? Also, die haben sich ja wahrscheinlich verschanzt irgendwo, wo sie schwer zu finden sind. Also, die Frage ist, wie kann man an sie herankommen?
Heine: Ja, das wird wahrscheinlich das Problem sein. Aber irgendjemand hat ja doch auch das Videoband zur ARD gebracht. Also irgendein Kontakt muss sich entwickeln, ansonsten wären ja solche Verhandlungen gar nicht möglich.
Klein: Ja, das ist klar. Die Videoaufzeichnung haben Sie schon angesprochen. Jetzt gibt es die Diskussion darüber, sollte man dieses Video doch im Fernsehen hier zu Lande zum Beispiel ausstrahlen. Und wenn ja, also wem würde das mehr nützen, den Opfern oder den Tätern?
Heine: Das ist natürlich jetzt eine schwierige Sache - zumal ja eine italienische Geisel dazu aufgefordert hat, sich so zu verhalten - da wir immer noch nicht ganz genau wissen, wer die Täter sind. Für radikal-islamische Terroristen wäre es wichtig, oder da wäre es richtiger das Video nicht zu veröffentlichen, weil die einfach auf Öffentlichkeit angewiesen sind. Wenn es sich nun tatsächlich um schlichte Verbrecher handelt, ist es, glaube ich, weniger von Bedeutung.
Klein: Herr Heine, täuscht der Eindruck oder ist in Deutschland derzeit eher wenig Solidarität mit der Entführten zu spüren, anders als zum Beispiel vor einigen Monaten in Frankreich?
Heine: Ja, ich habe auch den Eindruck, dass doch ein Teil de Öffentlichkeit sagt, was macht die da unten eigentlich. Nur muss man in dem Zusammenhang einfach auf eins hinweisen, auch in solchen schwierigen politischen Situationen, bei Putschen und ähnlichem, haben die Leute, die vor Ort sind, in der Regel den Eindruck, dass es nicht so schlimm ist, wie es dann hier zum Beispiel wiedergegeben wird. Ich habe auch vergleichbare Erfahrungen dieser Art selber machen können, so dass man dann möglicherweise denkt, mir kann nichts passieren und die Frau Osthoff ist ja eine sehr erfahrene Frau in der Region und im Irak. Ich glaube Sie war ziemlich sicher, dass Sie das Risiko tragen konnte.
Klein: Und abgesehen von der Frage, ob sie da wirklich leben und arbeiten musste, die ja auch hier zu Lande diskutiert wird, erwarten Sie, oder würden Sie mehr Solidaritätsbekundungen auch der Muslime in Deutschland erwarten?
Heine: Also, das wäre zum Beispiel so etwas, was ja offensichtlich in Frankreich erfolgreich gewesen ist. Diese Versuche, die bei französischen Geiseln gemacht worden sind, die in Frankreich lebenden Muslime für die Entführer, auf die Seite der Entführer zu bringen, sind ja voll daneben gegangen. Das heißt, wenn sich hier muslimische Organisationen eindeutig dazu äußern würden - es kann sein, dass das schon getan ist, und ich das noch nicht mitgekriegt habe - dann wird das seine Wirkung haben.
Klein: Professor Peter Heine, Irak-Experte an der Humboldt-Universität Berlin. Vielen Dank, Herr Heine, für das Gespräch.
Heine: Danke Ihnen!
Peter Heine: Also, jedenfalls kann man solche Überlegungen anstellen. Die Tatsache, dass eben Hinweise auf Koranzitate fehlen, dass es keine Kalligraphien gibt oder ähnliches, machen, glaube ich, schon deutlich, dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass es sich um Gangster handelt.
Klein: Was lässt Sie darüber hinaus zu dieser Einschätzung kommen?
Heine: Also, ich glaube, auch ein wichtiges Moment in diesem Zusammenhang ist, dass möglicherweise die Erfahrungen, die die radikal-islamischen Gruppen mit ihren Entführungen gemacht haben, dass das im Grunde also kontraproduktiv war, die eher dazu bringt solche Inlandaktiven Helferinnen in Ruhe zu lassen.
Klein: Gesetz den Fall, es handelt sich wirklich um Kriminelle, nicht um eine politische Vereinigung oder "Nur-Kriminelle" - muss man ja wohl sagen. Was würde das für die Verhandlungsführung der Bundesregierung bedeuten? Was würde das anders machen?
Heine: Nun das eine ist natürlich, dass möglicherweise dann die Kontakte zu diesen Leuten relativ schwierig zu erreichen sind. Die werden natürlich alles Mögliche unternehmen, um nicht ohne weiteres gefasst zu werden. Das andere ist aber, dass deren Motivation dann einfach eindeutig ist, und da wird es dann darum gehen, eine möglichst hohe Lösegeldsumme zu erhalten.
Klein: Und wenn es so wäre, wäre es dann für die Geisel, für Susanne Osthoff, eher gefährlicher oder eher weniger gefährlich?
Heine: Also, die Situation ist natürlich gefährlich. Das muss man grundsätzlich sagen. Aber ich würde auch sagen, wenn es sich nun wirklich um Gangster handelt, dann ist die Situation im Vergleich nicht weniger gefährlich.
Klein: Können Sie einschätzen, was die Bundesregierung im Moment wirklich konkret unternimmt, um an die Hinterleute, an die Kidnapper heranzukommen?
Heine: Nun ist es ja so, dass der deutsche Botschafter in Bagdad ein ausgesprochen erfahrener Mann ist, der selber gut arabisch spricht, die Region sehr gut kennt. Der wird sich natürlich bemühen eher mit Kanälen, die inoffiziell sind, Kontakte herzustellen. Möglicherweise ist auch der Bundesnachrichtendienst schon aktiv in der Region, um den Kontakt zu den Kidnappern aufzubauen.
Klein: Man fragt sich ja wirklich, wie ist das möglich? Also, die haben sich ja wahrscheinlich verschanzt irgendwo, wo sie schwer zu finden sind. Also, die Frage ist, wie kann man an sie herankommen?
Heine: Ja, das wird wahrscheinlich das Problem sein. Aber irgendjemand hat ja doch auch das Videoband zur ARD gebracht. Also irgendein Kontakt muss sich entwickeln, ansonsten wären ja solche Verhandlungen gar nicht möglich.
Klein: Ja, das ist klar. Die Videoaufzeichnung haben Sie schon angesprochen. Jetzt gibt es die Diskussion darüber, sollte man dieses Video doch im Fernsehen hier zu Lande zum Beispiel ausstrahlen. Und wenn ja, also wem würde das mehr nützen, den Opfern oder den Tätern?
Heine: Das ist natürlich jetzt eine schwierige Sache - zumal ja eine italienische Geisel dazu aufgefordert hat, sich so zu verhalten - da wir immer noch nicht ganz genau wissen, wer die Täter sind. Für radikal-islamische Terroristen wäre es wichtig, oder da wäre es richtiger das Video nicht zu veröffentlichen, weil die einfach auf Öffentlichkeit angewiesen sind. Wenn es sich nun tatsächlich um schlichte Verbrecher handelt, ist es, glaube ich, weniger von Bedeutung.
Klein: Herr Heine, täuscht der Eindruck oder ist in Deutschland derzeit eher wenig Solidarität mit der Entführten zu spüren, anders als zum Beispiel vor einigen Monaten in Frankreich?
Heine: Ja, ich habe auch den Eindruck, dass doch ein Teil de Öffentlichkeit sagt, was macht die da unten eigentlich. Nur muss man in dem Zusammenhang einfach auf eins hinweisen, auch in solchen schwierigen politischen Situationen, bei Putschen und ähnlichem, haben die Leute, die vor Ort sind, in der Regel den Eindruck, dass es nicht so schlimm ist, wie es dann hier zum Beispiel wiedergegeben wird. Ich habe auch vergleichbare Erfahrungen dieser Art selber machen können, so dass man dann möglicherweise denkt, mir kann nichts passieren und die Frau Osthoff ist ja eine sehr erfahrene Frau in der Region und im Irak. Ich glaube Sie war ziemlich sicher, dass Sie das Risiko tragen konnte.
Klein: Und abgesehen von der Frage, ob sie da wirklich leben und arbeiten musste, die ja auch hier zu Lande diskutiert wird, erwarten Sie, oder würden Sie mehr Solidaritätsbekundungen auch der Muslime in Deutschland erwarten?
Heine: Also, das wäre zum Beispiel so etwas, was ja offensichtlich in Frankreich erfolgreich gewesen ist. Diese Versuche, die bei französischen Geiseln gemacht worden sind, die in Frankreich lebenden Muslime für die Entführer, auf die Seite der Entführer zu bringen, sind ja voll daneben gegangen. Das heißt, wenn sich hier muslimische Organisationen eindeutig dazu äußern würden - es kann sein, dass das schon getan ist, und ich das noch nicht mitgekriegt habe - dann wird das seine Wirkung haben.
Klein: Professor Peter Heine, Irak-Experte an der Humboldt-Universität Berlin. Vielen Dank, Herr Heine, für das Gespräch.
Heine: Danke Ihnen!