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Ostukraine
Auf den Spuren der Separatisten

Heute soll ein Runder Tisch helfen, den Ukraine-Konflikt zu entschärfen. Ob das gelingen kann ist fraglich, denn Vertreter der Separatisten aus dem Osten des Landes werden nicht teilnehmen. Offizielle Begründung: Man verhandele nicht mit Männern, die Blut an den Händen hätten. Doch wer sind diese Akteure, die zum Teil aus dem politischen Nichts kommen?

Von Florian Kellermann | 14.05.2014
    Prorussische Aktivisten. Sie sind teils bewaffnet.
    Prorussische Aktivisten aus Donetsk - doch wer sind die Hintermänner? (Photomig, dpa picture-alliance)
    Der späte Vormittag des zweiten Mai: 24 Stunden, bevor die Separatisten in der ostukrainischen Stadt Slowjansk gefangene OSZE-Militärbeobachter freilassen, unter ihnen vier Deutsche. Zu diesem Zeitpunkt hört ukrainische Geheimdienst SBU ein Telefonat mit - zwischen dem russischen Gesandten Vladimir Lukin und einem der Rebellen, der sich als Igor Strelkow bezeichnet.
    Lukin fragt, ob Strelkow etwas gegen die Freilassung der Beobachter habe. Nein, antwortet dieser, mit ihm sei ja schon alles besprochen worden. Dieser Telefonmitschnitt gilt als Beleg dafür, dass Strelkow - die Schlüsselfigur unter den Separatisten in Slowjansk - im Auftrag handelt. Sein Auftraggeber, das zeigt das vertraute Gespräch mit Lukin, sitzt in Russland.
    Schon zuvor hatte der ukrainische Geheimdienst SBU angegeben, Strelkow heiße in Wahrheit Igor Girkin, sei 43 Jahre alt und Oberst des russischen Militärnachrichtendienstes GRU. Die ukrainischen Agenten nannten auch die exakte Wohnadresse in Moskau und die Passnummer des Rebellenführers. Sie seien den ukrainischen Behörden bekannt, weil Girkin mehrfach legal in die Ukraine einreiste. Girkin alias Strelkow nahm immer wieder an der Rekonstruktion historischer Schlachten teil, wie Fotos zeigen.
    Der mutmaßliche russische Oberst zeigt sein Gesicht inzwischen immer wieder in der Öffentlichkeit, so gab er russischen Medien Interviews.
    Gegenüber dem Fernsehsender Rossija24 bestritt Strelkow nicht, dass er russischer Soldat ist. Er gehöre aber schon längst der Reserve an und handele nicht im russischen Auftrag, erklärte er. Der Rebellenführer erzählte, dass er im Februar an der russischen Besetzung der Halbinsel teilnahm, als Freiwilliger, wie er betonte.
    "Mein Engagement hier im Bezirk Donezk ist eine Konsequenz aus meinem Einsatz auf der Krim. Viele Mitstreiter von dort, ebenfalls Freiwillige, die aus der Ukraine stammen, haben mich gebeten, etwas Ähnliches in ihrer Heimat zu organisieren, in den Regionen Donezk und Luhansk."
    Auch Strelkows rechte Hand Serhij Striljuk mit dem Pseudonym "Abwehr" gab vor kurzem ein Interview. Er stammt aus einem Dorf bei Winnitza in der Zentralukraine und arbeitete früher für den ukrainischen Geheimdienst SBU. Dieser entließ ihn wegen des Verdachts, Informationen an den russischen Geheimdienst geliefert zu haben, so stellt es eine lokale Zeitung dar.
    Neben diesem militärischen Flügel gibt es die zivilen Anführer der Separatisten. Im Bezirk Donezk stehen sie an der Spitze der von ihnen sogenannten Volksrepublik Donezk. Dabei handele sich um weitgehend unbekannte Bürger, sagt der Chefredakteur der Donezker Internetseite "62.ua" Roman Lazorenko.
    Separatisten-Anführer Denis Puschilin gibt in Donezk eine Pressekonferenz und spricht in die Mikrofone der Journalisten.
    Der Anführer der pro-russischen Separatisten, Denis Puschilin, bittet Moskau darum, die "Volksrepublik Donezk" in die Russische Föderation aufzunehmen. (dpa / Natalia Seliverstova)
    "Über den Anführer Denis Puschylin ist bekannt, dass er einst die Firma MMM in Donezk vertrat. Das war eine der ersten im Schneeballsystem organisierten Finanzpyramiden auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Ein anderer wichtiger Kopf ist der Chef der pro-russischen Partei "Russischer Block" in Donezk. Sie hat bei Wahlen aber nie mehr als 0,3 Prozent der Stimmen erhalten. Mit anderen Worten: Alle diese Leute haben es im normalen politischen Leben zu nichts gebracht."
    Einige der Anführer der Separatisten-Bewegung haben offenbar Verbindungen zu rechtsradikalen Organisationen in Russland. Das gilt nach Recherchen von Kennern der rechten Szene für den sogenannten Volks-Gouverneur von Donezk Pawel Gubarjow. Dieser war demnach früher Mitglied in der Bewegung "Russische Nationale Einheit", die das Hakenkreuz in ihrem Emblem führt. Ein Video zeigt ihn bei einer Zusammenkunft der Organisation. Später gehörte er zur "Progressiven Sozialistischen Partei der Ukraine", die im Wesentlichen für eine Wiederherstellung der Sowjetunion eintritt. Vertreter dieser Partei sind auch in der separatistischen Bewegung im Bezirk Luhansk aktiv. Deshalb richteten sich die dortigen Aktivisten auch eindeutig antikapitalistisch aus und forderten die Verstaatlichung von Unternehmen.
    Immer wieder berichten Medien über Spannungen zwischen den verschiedenen Lagern in der separatistischen Bewegung. Zuletzt, so heißt es, habe der militärische Flügel um Strelkow alias Girkin das alleinige Kommando übernommen.