Simon: Herr Schaaf, Auslagern und Zukaufen aus dem Ausland, ist keineswegs also immer ein Gewinn für ein IT-Unternehmen?
Schaaf: Das ist richtig. Eine Strategie, dass Tätigkeiten ins Ausland verlagert werden oder an fremde Unternehmen, ist nicht zwingend vorteilhaft. Dafür gibt es verschiedene Gründe, unter anderem müssen im vertraglichen Umfeld viele Dinge beachtet werden, das gilt für das normale Outsourcing, also wenn Sie an ein Unternehmen im Inland eine Tätigkeit vergeben. Schwieriger wird das Ganze dann noch mal, wenn die Unternehmen im Ausland sind, in Distanzen, die über Kontinente hinweggehen. Sie haben makroökonomische Risiken, sprich, sie wissen nicht genau, wie stabil die politische Situation in einem Land ist, aber sie haben auch im Vorhinein keine Garantie über die Qualität der Mitarbeiter und auch nicht die Reputation des jeweiligen Anbieters.
Simon: Das heißt Herr Schaaf, wenn ich Sie richtig verstehe, was die Informationstechnologiebranche angeht, geht die derzeitige Diskussion, wo es vor allem immer heißt, Kosten senken, Kosten senken, ein wenig am Ziel vorbei?
Schaaf: Wenn man sich nur darauf konzentriert, Kosten zu senken, kann eine Verlagerung nach Indien oder sonstige Offshore- oder Nearshore-Regionen fatal sein. Insbesondere in den Regionen im ehemaligen Ostblock haben wir noch keine richtigen Reputationsaufbauten gesehen, dass wir qualitativ hochwertige Leistungen sicherstellen können. In Indien ist der Fall sehr oft anders, dort ist qualitativ sehr Hochwertiges im Angebot. Allerdings lediglich auf Kostenaspekte zu schielen, ist schwierig.
Simon: Wo sind da die größten Probleme für die Unternehmen?
Schaaf: Sie geben einfach das Heft aus der Hand, was bestimmte Teile ihrer Arbeit angeht. Sie haben keine Kontrolle mehr und wenn sie einen Anbieter im Land haben, dann können sie da bestimmte Sachen noch gegenchecken, wenn der aber über tausende von Kilometern entfernt ist, fällt das deutlich schwieriger, bis: es ist unmöglich.
Simon: Was kann das in der Praxis für das Produkt bedeuten, also für das, was diese Firma anbietet, die im Informationstechnologiesektor aktiv ist?
Schaaf: Das kann im schlimmsten Fall bedeuten, dass die Dienstleistung, die sie ihren Kunden zur Verfügung stellen, nicht mehr gewährleistet werden kann. Das muss im Vorfeld sicher geplant werden, es muss ganz klar sichergestellt werden, dass das nicht passieren kann.
Simon: Haben Sie bei Ihrer Forschungsarbeit festgestellt, dass die deutschen Unternehmen, die sich im Ausland engagieren, sich all dieser Probleme und Gefahren bewusst sind?
Schaaf: Man muss verschiedene Strategien hier unterscheiden, insbesondere was man mitbekommt, da ist sehr oft politisches Lobbying im Spiel. Wenn sich ein Unternehmen in die Öffentlichkeit begibt und sich damit zum Teil brüstet, dass Arbeitsplätze verlagert werden sollen, dann wird damit meistens eher bezweckt, dass Druck im Inland auf die Löhne ausgeübt werden soll. Wenn ein Unternehmen aus strategischen Gründen oder aus Kostengründen Arbeitsplätze und Prozesse in fremde Länder vergibt, dann würde es das in aller Regel nicht an die große Glocke hängen, weil das für das Image des Unternehmens, wenn es seine Kunden hier hat, schädlich wäre. Dann muss man noch mal unterscheiden zwischen den Unternehmen, die reine Kosten sparen wollen, die bewegen sich auf einem schmalen Grat. Andere Unternehmen wollen aber in die Märkte wie China und wollen dann vor Ort präsent sein. Das betrifft aber wiederum die Arbeitsplätze in Europa und in Deutschland weniger.
Simon: Haben Sie, Herr Schaaf, bei Ihrer Studie an einem Fallbeispiel mal eine genaue Kosten-Nutzen-Rechnung machen können für das Auslagern, beziehungsweise das Zukaufen von Diensten in der Informationstechnologie?
Schaaf: Das ist vergleichsweise schwierig, weil zum großen Teil die Unternehmen überhaupt keine Übersicht über ihre eigenen Kosten in der IT im eigenen Unternehmen haben. Das beschreibt aber gleichzeitig auch die Problematik, sie können zum großen Teil gar nicht genau sagen, was es im Hause kostet, das zu erstellen, weil es keine saubere Kalkulation dazu gibt. Deswegen ist ein Vergleich mit dem Marktanbieter sehr schwierig, insofern sind case-studies in dem Bereich schwer zu erstellen.
Simon: Wenn Sie das so sagen, dann klingt das so, als ob vieles in dem Gewerbe auch stimmungsabhängig wäre, so nach dem Motto, im Augenblick ist es einfach sehr angesagt, dass man bestimmte Kosten auslagert, bestimmte Bereiche auslagert. Ist das so?
Schaaf: Es ist ganz klar im Moment ein Trend da, es ist auch eine Modeerscheinung und es wird da sicherlich auch noch einige Korrekturen geben. Wenn allerdings die Unternehmen das sehr genau planen, das mit ihrer Strategie in Einklang bringen, dann kann das sehr sinnvoll sein. Aber noch mal, wenn bestimmte Probleme nicht im Vorfeld angegangen werden und wenn versucht wird beispielsweise ungelöste Probleme im eigenen Hause an Fremde zu vergeben und damit zu lösen, das wäre eine Strategie, die im Vorhinein zum Scheitern verurteilt wäre.
Simon: Herr Schaaf, diese Studie zur Informationstechnologiebranche und Auslagerung und ihren Problemen, glauben Sie, dass sie einen Effekt haben wird dahingehend, dass möglicherweise weniger abgebaut wird im deutschen IT-Bereich? Es sind ja konkret nach Ihrer Studie 50.000 Arbeitsplätze gefährdet.
Schaaf: Die Studie selber wird wahrscheinlich keinen Einfluss darauf haben, wie viele Arbeitsplätze in Deutschland im IT-Bereich gefährdet sind. Generell stellen sich Unternehmen dem immer globaler werdenden Wettbewerb und schauen da nicht so sehr auf Marktanalysen und sie haben in dem Kontext sicher von der Aufforderung gehört, etwas patriotischer vorzugehen. Unternehmen, die den Wettbewerbsdruck von außen zu spüren bekommen und eine wohlüberlegte Strategie in die Richtung fahren, haben quasi gar keine andere Wahl. Sie würden sicherlich auch diese Arbeitsplätze nicht damit sichern können, wenn jeden Morgen die Belegschaft zusammengerufen würde und die Nationalhymne singen würde.
Simon: Das war Jürgen Schaaf, einer der Autoren einer Studie, die erstellt worden ist von der Deutschen Bank Research zusammen mit SAP und der Fachhochschule Kaiserslautern zum Thema Auslagern und Dienste zukaufen im Bereich der Informationstechnologie in Deutschland. Herzlichen Dank, Herr Schaaf.
Schaaf: Bitte, Frau Simon.