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OXcars - Gala für Netzpiraten und digitale Tauschhändler

OXcars aus Spanien wollen ein Forum für Künstler sein, die das Netz erfolgreich nutzen, um sich ein neues Publikum und neue Vertriebswege zu erschließen. Die Aktivisten veranstalten jedes Jahr im Oktober eine Party, bei der sie die Vorkämpfer der Open-Source- und Free-Culture-Bewegung auszeichnen.

Von Julia Macher | 25.10.2013
    Nein, übertriebene Bescheidenheit kann man der Frau nicht vorwerfen. Im mit Pailletten bestickten Rock turnt sie über die Bühne des Apolo-Theaters: Willkommen zum größten Event der freien Kultur aller Zeiten, ruft sie, schmeißt die dunkle Mähne in den Nacken und reckt ihr Tank Top ins Scheinwerferlicht: darauf ein aufgesticktes, umgedrehtes C, das Copyleft-Logo. Das umgedrehte C ist das Markenzeichen für Lizenzen, die ausdrücklich die Weitergabe und Weiterbearbeitung zum Beispiel von Musik oder Fotos erlauben. Kultur im Netz müsse frei zugänglich sein. Das Publikum jubelt.

    "Wir wollen beweisen, dass "freie Kultur" eigentlich das Normale ist. Die Mainstream-Medien versuchen das als Getto darzustellen, dabei ist es doch die Normalität im Internet. Die kommerzielle Kultur gehört der Vergangenheit an. Dank Internet können heute mehr Künstler von ihrer Arbeit leben als je zuvor."

    Sagt Simona Levi. Die Künstlerin hat die Oxcars vor sechs Jahren miterfunden, um in der Debatte rund um "Netzpiraterie" und "Gratismentalität" der Mehrheitsmeinung etwas entgegenzusetzen.

    Goldene Statuen werden keine verliehen. Die Oxcars wollen Forum sein für Künstler, die wie das Duo Kashba das Netz erfolgreich nutzen, um sich ein neues Publikum und neue Vertriebswege zu erschliessen, ohne Agenten und Mittelsmänner. Die Erfinder der oxcars rollen Leuten wie David Bravo einen roten Teppich aus.

    Ich bin ein Radikaler, sagt der kleine, unscheinbare Mann im Sopranos-T-Shirt und kneift die Augen hinter der Streberbrille zusammen. Der Anwalt gilt als Held der Szene. Vor ein paar Jahren hat e erfolgreich einen Entwickler eines P2P-Netzwerkes verteidigt, einer Tauschbörse für digitale Archive. Wegen angeblicher Copyright-Verletzungen sollte er über 13 Millionen Euro Schadensersatz zahlen.

    David Bravo:
    "Das Absurde ist doch, dass die Industrie sich selbst nicht als Hardliner sieht. Dabei zerren sie alles und jeden vor Gericht, der sich ihnen in den Weg stellt. Nach spanischem Strafrecht wird die Verlinkung auf einen Kinofilm schärfer geahndet als die auf einen Porno mit Minderjährigen. "

    Und genauso hart bestraft wie Organhandel - mit bis zu sechs Jahren Haft nämlich: Strafen, die immer wieder angefochten und gekippt werden. Die offizielle Netzpolitik sei desaströs, die Gesellschaft aber nutze das Internet vorbildlich, sagen die OxCars-Macher.

    Spanien ist das Land mit den meisten Creative-Commons-Lizenzen; Evelin Heidel, hat einen Scanner entwickelt, der massenweise Seiten einlesen kann – und zwar zum Beispiel für Unis, die sich keine Scanner leisten können.

    Eveliln Heidel:
    "In Lateinamerika ist ein professioneller Bücherscanner richtig teuer: Er kostet mindestens 10.000 Dollar, ein High-Tech-Gerät um die 30.000. Wir schlagen Unis und Kulturinstituten einen Deal vor: Wir geben dir den Scanner, du gibst uns deine Archive, die wir dann Wikisource weitergeben. Und da können sie nicht Nein sagen."

    Dieser Tausch bedeutet: Unis bekommen den Scanner, und dafür werden die Bücher ihrer Bibliothek für alle nicht kommerziellen Nutzer kostenfrei zugänglich.

    Hier lerne sie etwas – und habe gleichzeitg jede Menge Spass, sagt eine Zuschauerin und hält das Smartphone in die Höhe, um den Rest der Veranstaltung nach Chile zu übertragen: gemäss des kategorischen Imperativs der oXcars: "Kopiere und teile".