Jürgen Liminski: Weihnachten ist für manche Beziehung eine gefährliche Zeit. Die Zahl der Scheidungsanträge steigt in der Regel. Der Weihnachtsstress offenbart, wie dünnhäutig die Partner schon geworden sind. Nicht wenige schaffen es aber noch zum Paartherapeuten oder zum Beziehungscoach. Einer von ihnen ist der Neusser Sozialpädagoge und Bestseller-Autor Albert Wunsch. Seine Bücher "Die Verwöhnungsfalle" und "Abschied von der Spaßpädagogik" sind bis ins Chinesische übersetzt. Er hat eine Art Beziehungs-TÜV erfunden und ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Wunsch.
Albert Wunsch: Guten Morgen!
Liminski: Herr Wunsch, was ist das, der Beziehungs-TÜV?
Wunsch: Ich habe häufig bei Paaren festgestellt, dass wenn sie zu mir kommen oder auch zu anderen Paarberatern gehen schon jede Menge Negatives passiert ist, und habe mich dann gefragt und habe das mittlerweile auch eine Reihe von Menschen gefragt - in erster Linie springen Männer darauf an -, wann sollte man eigentlich mit seinem Fahrzeug zum TÜV oder wann sollte der TÜV einen Blick darauf werfen: wenn da ein Schrotthaufen ist und man herausarbeiten soll, wodurch die Dinge entstanden sind, oder im Vorhinein. - Jeder sagt dann: ist natürlich klar, im Vorhinein, damit die Bremsen erst nicht versagen und so etwas. Und dann sind wir mitten im Beziehungsgeschehen drin, denn da gibt es auch eine ganze Reihe von Voraussetzungen, die überprüft werden müssen, damit es nicht irgendwann zum Beziehungscrash kommt.
Liminski: Aber Liebe und Auto, hinkt der Vergleich nicht doch etwas?
Wunsch: Ich habe den Eindruck nein. Zusätzlich habe ich da einen sehr guten Partner gefunden: Kafka. Der sagte mal: Liebe ist ein leichtgängiges Fahrzeug. Das, was die Probleme bereitet, sind die Fahrer, die Lenkung und die Straße.
Liminski: Wie gehen Sie denn bei Ihrer TÜV-Untersuchung vor?
Wunsch: Wenn die Paare zu mir kommen, dann mache ich erst einmal eine Warmlaufrunde, um zu erläutern, worum es geht, und stelle ihnen dann eine Reihe von Fragen. Zum Beispiel: Ist noch genug Leben unter der Haube? Wie funktionsfähig ist das Fahrgestell? In der Regel fangen die Paare an zu schmunzeln, weil ich glaube jeder macht sich eine bestimmte Vorstellung, wenn die Frage kommt, wie funktionsfähig ist das Fahrgestell oder wie sieht das Fahrgestell aus. Das ist aber auch eine tolle Sache, weil wir dann auf einer einfacheren Sprachebene sind. Und dann sagen sie, aber was hat das jetzt mit unserer Beziehung zu tun? Dann sage ich: nehmen wir doch das Fahrgestell. Was ist das Tragende Ihrer Beziehung? Was tun Sie dafür, dass das tragenden Bestand hat?
Oder, wenn ich das Beispiel von Kafka noch mal nehme: Wie ist es mit der Lenkung? Lassen Sie sich vom Mainstream lenken und sagen Sie, irgendwo habe ich so einen Autopiloten eingeschaltet, und nachher hängen Sie irgendwo, wo viele andere auch hängen, oder findet bei Ihnen regelmäßig eine Kursüberprüfung statt? Und wir sind ganz intensiv in den einzelnen Themen: Bremsen, Kupplung, die Ungleichzeitigkeit, die oft Abends zwischen Paaren existiert. Der eine ist noch auf Hochtouren, vielleicht ja noch nicht mal auf Positivhochtouren, weil es zu stressig im Betrieb war, und die andere hat auf Feierabend umgeschaltet. Wie können die beiden es schaffen, zueinander zu finden? Und wenn ich dann dem Mann sage, stellen Sie sich vor - oder für eine Frau ist das nachher genauso nachvollziehbar -, an jeder Ampel, wo ich stehe, ist der Motor mit mindestens 1000 Umdrehungen am Drehen und die Räder bleiben still und anschließend muss beides miteinander in Bezug gebracht werden. Und in ihrer Beziehung ist es nicht viel anders.
Liminski: Besteht denn nicht die Gefahr, dass nach so einer Untersuchung ein Paar sagt oder erkennt, okay, dieses Auto ist schrottreif, danke, Herr Professor, das war's? Was sagen Sie denn da?
Wunsch: Mit dem "das war's", davon gehe ich eher nicht aus. Die wären vorher nicht gekommen, wenn die so eine Ahnung haben, "das war's". Wenn sie dann etwas abgemildert sagen, oh, sind wir da nicht schon dem Beziehungscrash sehr nahe, dann sage ich, eine Reihe von Punkten sind deutlich geworden, aber heute haben wir noch die Möglichkeit des Nachbesserns. Ich bin selbst mal mit einer Ente beim TÜV gewesen, wo die mir auch den ganz roten Stempel geben wollten, nichts mehr möglich. Da habe ich gesagt, am Fahrgestell kann man noch was verändern. Man kann Schweißen, man kann Ergänzen, und die Leute haben sich nachher darauf eingelassen. Auch das ist möglich.
Liminski: Gibt es denn eine Art Plakette nach der Untersuchung, also den Rat, bis zu einem bestimmten Datum wiederzukommen?
Wunsch: Gibt es! Die Plakette geben die beiden sich selbst. Häufig fragen dann Paare, wenn sie dann so nach den eineinhalb Stunden da sitzen, wie sieht es jetzt mit der Plakette aus. Dann sage ich: Würden Sie sich die Tauglichkeit bescheinigen, für die nächsten Jahre weiterhin als Paar zusammen zu sein, oder nicht? Und die zweite Frage: für welchen Zeitraum? Das heißt, ich nehme die dann in die Mitverantwortung, und dann kommt heraus: Ja, da ist aber doch schon bei uns ... Und ich gebe auch Empfehlungen. Ich sage, wenn in einem Paargespräch sehr viel klar ist, dann sollten sie es in fünf Jahren noch mal machen, aber schon mit Ernsthaftigkeit, weil in der Zwischenzeit sehr vieles passieren kann. Oder wenn ein Paar vor dem ersten Kind kommt, lange vor dem ersten Kind, und sie sagen, in zwei, drei Jahren wollen wir ein Kind kriegen, dann sage ich, genau das ist ein Zeitpunkt, wo Sie auf jeden Fall noch mal kommen sollten, denn ein Kind verändert eine Partnerschaft unwahrscheinlich intensiv - das erste am gewaltigsten, das sechste sehr wahrscheinlich nicht mehr so stark. Wenn ältere Paare kommen, 40-, 50jährige, sage ich, auf jeden Fall sollten Sie, wenn Sie kurz vor dem Rentenalter sind, noch mal wieder kommen. Oder, wenn die Kinder aus dem Haus gehen oder die letzten Kinder aus dem Haus gehen, weil dann eben eine massive Veränderung in der Partnerschaft entsteht.
Liminski: Spüren Sie denn an Weihnachten mehr Zulauf? Wann herrscht noch Konjunktur bei Ihnen?
Wunsch: Immer dann, wenn es sehr stark um Beziehungen geht. Das Weihnachtsfest ist von unserer Geschichte her auch eines, wo sehr stark Beziehungen eine Bedeutung haben. Gerade bei dem Weihnachtsfest, aber auch bei anderen größeren Festen und Ereignissen, Familienaufläufen - das kann auch ein großer runder Geburtstag oder was sein -, gibt es ja unwahrscheinlich viele Erwartungen. Ich habe mal einem Paar gesagt: Erwartung ist so was Ähnliches wie Verträge, die man mit einem anderen macht, ohne dass der andere unterschrieben hat und den Inhalt kennt. Das heißt, ich gehe mit einem bestimmten Bild auf den anderen zu und habe die Vorstellung, dass er das erbringt, aber der andere weiß gar nicht, was er erbringen soll. Jetzt mag vielleicht die eine oder andere Frau noch wissen im klassischen Beziehungsverteilungsgeschehen, dass der Mann erwartet, dass die Frau es gemütlich macht über Weihnachten, aber was das konkret heißt und was auch er dann wiederum zur Erwartung von seiner Frau zu erfüllen hat, von der Partnerin, den Kindern der Eltern, der Eltern den Kindern gegenüber, das ist eine offene Frage.
Oder auch die ganzen Negativunterstellungen. Da kommt jemand gerade auf Weihnachten etwas später als verabredet. Dann kann ich dem anderen unterstellen, das hast du natürlich wieder so gemacht, dir war ja Pünktlichkeit noch nie eine bedeutsame Sache, oder jetzt wo es bei den Schwiegereltern ist, dann passt es auf einmal mit der Zeit nicht. Ich könnte aber auch stattdessen eine Positivunterstellung machen und sagen, da muss die Autobahn aber sehr voll gewesen sein. Und wenn es wirklich der Negativpunkt war, den die Leute ja schon oft riechen, dann werde ich als derjenige, der jetzt die Möglichkeit hat, dass es die Autobahn war, natürlich ein Stück entkrampfter dastehen und werde dann vielleicht sagen, ganz war es die Autobahn auch nicht, ich habe mich ein bisschen schwer getan. Also man ist viel mehr am eigentlichen Geschehen dran. - Das sind so die beiden Punkte: falsche Unterstellungen oder negative Unterstellungen und unabgeklärte Erwartungen.
Liminski: Mangelt es an Überlegungen? Gibt es zu viele Vorurteile, von denen Einstein ja so schön sagt, sie seien schwerer zu zertrümmern als Atomkerne? Oder zerstört das Geschwätz der Leute den Beziehungskern?
Wunsch: Beides. Einmal das Geschwätz. Ich habe einer Reihe von Paaren auch schon gesagt, sie reden zu viel miteinander. Das heißt, sie schwätzen miteinander. Andere reden über wichtige Dinge zu wenig und wenn sie reden, dann immer wiederum aus dem eigenen Elfenbeinturm heraus: ich habe meine Sache restlos im Blick und Du musst Dich ändern. Ich habe mit Paaren gearbeitet, wo er und sie mir gleichermaßen weinend bestätigen, es geht so nicht mehr weiter, ich kann es nicht mehr aushalten, obwohl beide den Willen haben, es zu ändern. Da steht man also selber auch in einer massiven Schwierigkeit: Wie kann man da noch sachbezogen und fachlich und souverän weiterhelfen?
Liminski: "Liebe ist wie ein Auto. Sie sollte hin und wieder zum TÜV", sagt hier im Deutschlandfunk der Paartherapeut Albert Wunsch. Besten Dank für das Gespräch, Herr Wunsch.
Wunsch: Okay, und alle guten Anregungen für die, die es gehört haben.
Albert Wunsch: Guten Morgen!
Liminski: Herr Wunsch, was ist das, der Beziehungs-TÜV?
Wunsch: Ich habe häufig bei Paaren festgestellt, dass wenn sie zu mir kommen oder auch zu anderen Paarberatern gehen schon jede Menge Negatives passiert ist, und habe mich dann gefragt und habe das mittlerweile auch eine Reihe von Menschen gefragt - in erster Linie springen Männer darauf an -, wann sollte man eigentlich mit seinem Fahrzeug zum TÜV oder wann sollte der TÜV einen Blick darauf werfen: wenn da ein Schrotthaufen ist und man herausarbeiten soll, wodurch die Dinge entstanden sind, oder im Vorhinein. - Jeder sagt dann: ist natürlich klar, im Vorhinein, damit die Bremsen erst nicht versagen und so etwas. Und dann sind wir mitten im Beziehungsgeschehen drin, denn da gibt es auch eine ganze Reihe von Voraussetzungen, die überprüft werden müssen, damit es nicht irgendwann zum Beziehungscrash kommt.
Liminski: Aber Liebe und Auto, hinkt der Vergleich nicht doch etwas?
Wunsch: Ich habe den Eindruck nein. Zusätzlich habe ich da einen sehr guten Partner gefunden: Kafka. Der sagte mal: Liebe ist ein leichtgängiges Fahrzeug. Das, was die Probleme bereitet, sind die Fahrer, die Lenkung und die Straße.
Liminski: Wie gehen Sie denn bei Ihrer TÜV-Untersuchung vor?
Wunsch: Wenn die Paare zu mir kommen, dann mache ich erst einmal eine Warmlaufrunde, um zu erläutern, worum es geht, und stelle ihnen dann eine Reihe von Fragen. Zum Beispiel: Ist noch genug Leben unter der Haube? Wie funktionsfähig ist das Fahrgestell? In der Regel fangen die Paare an zu schmunzeln, weil ich glaube jeder macht sich eine bestimmte Vorstellung, wenn die Frage kommt, wie funktionsfähig ist das Fahrgestell oder wie sieht das Fahrgestell aus. Das ist aber auch eine tolle Sache, weil wir dann auf einer einfacheren Sprachebene sind. Und dann sagen sie, aber was hat das jetzt mit unserer Beziehung zu tun? Dann sage ich: nehmen wir doch das Fahrgestell. Was ist das Tragende Ihrer Beziehung? Was tun Sie dafür, dass das tragenden Bestand hat?
Oder, wenn ich das Beispiel von Kafka noch mal nehme: Wie ist es mit der Lenkung? Lassen Sie sich vom Mainstream lenken und sagen Sie, irgendwo habe ich so einen Autopiloten eingeschaltet, und nachher hängen Sie irgendwo, wo viele andere auch hängen, oder findet bei Ihnen regelmäßig eine Kursüberprüfung statt? Und wir sind ganz intensiv in den einzelnen Themen: Bremsen, Kupplung, die Ungleichzeitigkeit, die oft Abends zwischen Paaren existiert. Der eine ist noch auf Hochtouren, vielleicht ja noch nicht mal auf Positivhochtouren, weil es zu stressig im Betrieb war, und die andere hat auf Feierabend umgeschaltet. Wie können die beiden es schaffen, zueinander zu finden? Und wenn ich dann dem Mann sage, stellen Sie sich vor - oder für eine Frau ist das nachher genauso nachvollziehbar -, an jeder Ampel, wo ich stehe, ist der Motor mit mindestens 1000 Umdrehungen am Drehen und die Räder bleiben still und anschließend muss beides miteinander in Bezug gebracht werden. Und in ihrer Beziehung ist es nicht viel anders.
Liminski: Besteht denn nicht die Gefahr, dass nach so einer Untersuchung ein Paar sagt oder erkennt, okay, dieses Auto ist schrottreif, danke, Herr Professor, das war's? Was sagen Sie denn da?
Wunsch: Mit dem "das war's", davon gehe ich eher nicht aus. Die wären vorher nicht gekommen, wenn die so eine Ahnung haben, "das war's". Wenn sie dann etwas abgemildert sagen, oh, sind wir da nicht schon dem Beziehungscrash sehr nahe, dann sage ich, eine Reihe von Punkten sind deutlich geworden, aber heute haben wir noch die Möglichkeit des Nachbesserns. Ich bin selbst mal mit einer Ente beim TÜV gewesen, wo die mir auch den ganz roten Stempel geben wollten, nichts mehr möglich. Da habe ich gesagt, am Fahrgestell kann man noch was verändern. Man kann Schweißen, man kann Ergänzen, und die Leute haben sich nachher darauf eingelassen. Auch das ist möglich.
Liminski: Gibt es denn eine Art Plakette nach der Untersuchung, also den Rat, bis zu einem bestimmten Datum wiederzukommen?
Wunsch: Gibt es! Die Plakette geben die beiden sich selbst. Häufig fragen dann Paare, wenn sie dann so nach den eineinhalb Stunden da sitzen, wie sieht es jetzt mit der Plakette aus. Dann sage ich: Würden Sie sich die Tauglichkeit bescheinigen, für die nächsten Jahre weiterhin als Paar zusammen zu sein, oder nicht? Und die zweite Frage: für welchen Zeitraum? Das heißt, ich nehme die dann in die Mitverantwortung, und dann kommt heraus: Ja, da ist aber doch schon bei uns ... Und ich gebe auch Empfehlungen. Ich sage, wenn in einem Paargespräch sehr viel klar ist, dann sollten sie es in fünf Jahren noch mal machen, aber schon mit Ernsthaftigkeit, weil in der Zwischenzeit sehr vieles passieren kann. Oder wenn ein Paar vor dem ersten Kind kommt, lange vor dem ersten Kind, und sie sagen, in zwei, drei Jahren wollen wir ein Kind kriegen, dann sage ich, genau das ist ein Zeitpunkt, wo Sie auf jeden Fall noch mal kommen sollten, denn ein Kind verändert eine Partnerschaft unwahrscheinlich intensiv - das erste am gewaltigsten, das sechste sehr wahrscheinlich nicht mehr so stark. Wenn ältere Paare kommen, 40-, 50jährige, sage ich, auf jeden Fall sollten Sie, wenn Sie kurz vor dem Rentenalter sind, noch mal wieder kommen. Oder, wenn die Kinder aus dem Haus gehen oder die letzten Kinder aus dem Haus gehen, weil dann eben eine massive Veränderung in der Partnerschaft entsteht.
Liminski: Spüren Sie denn an Weihnachten mehr Zulauf? Wann herrscht noch Konjunktur bei Ihnen?
Wunsch: Immer dann, wenn es sehr stark um Beziehungen geht. Das Weihnachtsfest ist von unserer Geschichte her auch eines, wo sehr stark Beziehungen eine Bedeutung haben. Gerade bei dem Weihnachtsfest, aber auch bei anderen größeren Festen und Ereignissen, Familienaufläufen - das kann auch ein großer runder Geburtstag oder was sein -, gibt es ja unwahrscheinlich viele Erwartungen. Ich habe mal einem Paar gesagt: Erwartung ist so was Ähnliches wie Verträge, die man mit einem anderen macht, ohne dass der andere unterschrieben hat und den Inhalt kennt. Das heißt, ich gehe mit einem bestimmten Bild auf den anderen zu und habe die Vorstellung, dass er das erbringt, aber der andere weiß gar nicht, was er erbringen soll. Jetzt mag vielleicht die eine oder andere Frau noch wissen im klassischen Beziehungsverteilungsgeschehen, dass der Mann erwartet, dass die Frau es gemütlich macht über Weihnachten, aber was das konkret heißt und was auch er dann wiederum zur Erwartung von seiner Frau zu erfüllen hat, von der Partnerin, den Kindern der Eltern, der Eltern den Kindern gegenüber, das ist eine offene Frage.
Oder auch die ganzen Negativunterstellungen. Da kommt jemand gerade auf Weihnachten etwas später als verabredet. Dann kann ich dem anderen unterstellen, das hast du natürlich wieder so gemacht, dir war ja Pünktlichkeit noch nie eine bedeutsame Sache, oder jetzt wo es bei den Schwiegereltern ist, dann passt es auf einmal mit der Zeit nicht. Ich könnte aber auch stattdessen eine Positivunterstellung machen und sagen, da muss die Autobahn aber sehr voll gewesen sein. Und wenn es wirklich der Negativpunkt war, den die Leute ja schon oft riechen, dann werde ich als derjenige, der jetzt die Möglichkeit hat, dass es die Autobahn war, natürlich ein Stück entkrampfter dastehen und werde dann vielleicht sagen, ganz war es die Autobahn auch nicht, ich habe mich ein bisschen schwer getan. Also man ist viel mehr am eigentlichen Geschehen dran. - Das sind so die beiden Punkte: falsche Unterstellungen oder negative Unterstellungen und unabgeklärte Erwartungen.
Liminski: Mangelt es an Überlegungen? Gibt es zu viele Vorurteile, von denen Einstein ja so schön sagt, sie seien schwerer zu zertrümmern als Atomkerne? Oder zerstört das Geschwätz der Leute den Beziehungskern?
Wunsch: Beides. Einmal das Geschwätz. Ich habe einer Reihe von Paaren auch schon gesagt, sie reden zu viel miteinander. Das heißt, sie schwätzen miteinander. Andere reden über wichtige Dinge zu wenig und wenn sie reden, dann immer wiederum aus dem eigenen Elfenbeinturm heraus: ich habe meine Sache restlos im Blick und Du musst Dich ändern. Ich habe mit Paaren gearbeitet, wo er und sie mir gleichermaßen weinend bestätigen, es geht so nicht mehr weiter, ich kann es nicht mehr aushalten, obwohl beide den Willen haben, es zu ändern. Da steht man also selber auch in einer massiven Schwierigkeit: Wie kann man da noch sachbezogen und fachlich und souverän weiterhelfen?
Liminski: "Liebe ist wie ein Auto. Sie sollte hin und wieder zum TÜV", sagt hier im Deutschlandfunk der Paartherapeut Albert Wunsch. Besten Dank für das Gespräch, Herr Wunsch.
Wunsch: Okay, und alle guten Anregungen für die, die es gehört haben.