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Paech: Agenteneinsatz im Irak war deutsche "Doppelstrategie"

Norman Paech, Mitglied im BND-Untersuchungsausschuss für Die Linke, wirft dem damaligen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) und dem damaligen Außenminister Joschka Fischer (Grüne) politische Doppelbödigkeit vor. Der Einsatz der BND-Agenten habe der US-amerikanischen Militärführung enorm geholfen, auch wenn beide Politiker das als Bündsnistreue einschätzten.

Norman Paech im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 19.12.2008
    Christoph Heinemann: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die Weitergabe von deutschen Geheimdiensterkenntnissen während des Irak-Krieges an die USA verteidigt. Im BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages setzte sich der SPD-Kanzlerkandidat gestern gegen alle Vorwürfe zur Wehr, die frühere rot-grüne Bundesregierung habe sich auf diese Weise 2003 entgegen ihrer offiziellen Ablehnung insgeheim doch am Krieg beteiligt. Steinmeier gab allerdings zu, dass die Informationen von zwei BND-Agenten, die in Bagdad im Einsatz waren, auch in Lagebilder der US-Militärs eingeflossen seien. Und an die Adresse des Koalitionspartners und der Opposition sagte Steinmeier gestern:

    O-Ton Frank-Walter Steinmeier: "Wenn es hier um was anderes geht, um Vorbereitung des Wahlkampfes im nächsten Jahr, dann kann ich nur sagen, ist dieser Ausschuss der falsche Ort. Bei meiner Haltung bleibt es jedenfalls. Unser Nein zum Krieg war richtig, ebenso wie die Entsendung von zwei BND-Beamten damals nach Bagdad."

    Heinemann: Auch Steinmeiers Vorgänger Joschka Fischer äußerte sich gestern:

    O-Ton Joschka Fischer: "Zwei BND-Beamte, die dort einen gefahrvollen Einsatz im Interesse unseres Landes gemacht haben, sind keine Kriegsbeteiligung. Die Vorwürfe, die ja anfangs erhoben wurden, haben sich in nichts aufgelöst, nämlich dass sie Feuerleitfunktion für die amerikanische Luftwaffe wahrgenommen hätten."

    Heinemann: Die Arbeit von zwei deutschen Agenten des Bundesnachrichtendienstes im Irak war in den vergangenen Tagen von zwei ehemaligen US-Generalen gelobt worden.
    Über Frank-Walter Steinmeiers Auftritt vor dem BND-Untersuchungsausschuss sprach mein Kollege Tobias Armbrüster gestern mit Norman Paech, der diesem Gremium als Vertreter der Linkspartei angehört. Erste Frage: Wie glaubwürdig waren Steinmeier und Fischer vor dem Ausschuss?

    Norman Paech: Die waren sehr glaubwürdig. Sie haben nicht bestritten, was wir seit Monaten kritisiert haben, sondern sie haben frank und frei eigentlich gesagt, ja, das war unsere Politik. Wir haben dem BND vertraut, der war absolut loyal, es gab gar keine Unterschiede zwischen unserer und deren Politik. Die offizielle Politik war natürlich, keine Zusammenarbeit mit den Amerikanern im Krieg, aber hinten herum hatte man eine Doppelstrategie, dass man sagte, ja, wir können natürlich unsere normale Kooperation und auch unsere Bündnisloyalität nicht aufgeben, und insofern waren die Meldungen, die von Bagdad über Pullach nach Doha kamen, auch im Sinne unserer Politik.

    Tobias Armbrüster: Lassen diese Aussagen von Fischer und Steinmeier jetzt die Schlussfolgerung zu, dass sich Deutschland tatsächlich militärisch am Irak-Krieg beteiligt hat?

    Paech: Das ist unsere Schlussfolgerung in der Tat. Die einzige Diskrepanz oder der einzige Unterschied ergab sich, dass die Einschätzungen der beiden Herren gegenüber uns und auch der amerikanischen Generale und Soldaten, die sie geäußert haben, unterschiedlich waren. Die sagten, nein, nein, das war doch nach wie vor gar nicht so bedeutsam für die, nur zwei Leute bei solch einem Heer; wir sagen, auch in Übereinstimmung mit dem, was jetzt im "Spiegel" geäußert worden ist", das war durchaus vielleicht nicht kriegsentscheidend, aber es war kriegsrelevant und hat den Amerikanern in ihrer Kriegsführung enorm geholfen.

    Armbrüster: Aber ich meine, ist es nicht wirklich verdächtig, wie deutlich auf einmal diese hohen amerikanischen Militärangehörigen den BND loben? Da liegt doch wirklich der Verdacht nahe, dass sie den Ausschuss ganz bewusst dazu nutzen wollen, jetzt mal ganz genüsslich mit der damaligen rot-grünen Regierung abzurechnen.

    Paech: Das glaube ich insofern nicht, als dieses das Ergebnis offensichtlich langwieriger Recherchen ist. Wir haben diese Namen nicht erfahren, sondern das sind einige Redakteure gewesen, die mir gesagt haben, sie sind seit längeren Monaten dahinter her, Leute aus dem "Centcom" (Das "Central Command" - das regionale militärische Hauptquartier der USA, Anm. d. Red.) in Doha zu bekommen und mit ihnen zu sprechen. Das heißt, wir wären froh gewesen, wenn das schon sehr viel früher gewesen wäre, aber wir haben nicht damit gerechnet, dass es überhaupt noch kommen könnte. Insofern glaube ich, dieses hat mit dem Wahltermin nichts zu tun, und unsere Vorwürfe gegen Steinmeier sind schon lange früher erhoben worden als seine Kanzlerkandidatur. Das hat auch für uns keinen Zusammenhang.

    Armbrüster: Würden Sie die beiden US-Generale jetzt auch gerne im Untersuchungsausschuss sehen?

    Paech: Wir haben sie eingeladen. Wir haben nicht nur sie, sondern wir haben auch noch die weiter zitierten Galasco und die Frau Oberst Stewart geladen und wir werden auch, weil die Journalisten das gesagt haben, sie hätten mit 20 Militärs gesprochen, den einen oder anderen wahrscheinlich auch noch laden und die drei Journalisten werden wir ebenfalls laden. Wir werden da noch einige Sitzungen mit denen verbringen.

    Armbrüster: Jetzt sagen Sie, dass die Aussagen von Fischer und Steinmeier gezeigt haben, ja, die Bundesregierung war mit dabei. Die beiden, Fischer und Steinmeier, bestreiten das aber nach wie vor. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?

    Paech: Die Diskrepanz ist nur darin, dass sie ihr Tun und ihre Wertigkeit der Informationen für die US-Armee ganz anders einschätzen, als wir und es die Generalität in den USA machen. Sie sagen nach wie vor, das kann doch nicht so bedeutsam gewesen sein, da war dieses und jenes, aber das war nicht entscheidend für die Kriegsführung, während die Generale ja sehr deutlich sagen, durchaus in zwei Entscheidungen, einmal für den früheren Einmarsch nach Bagdad und zum anderen, dass sie unterlassen haben, den Flughafen anzugreifen, waren dieses schon relevante Dinge und auch in anderen Einschätzungen der Kriegszerstörungen. Die beiden waren für die Lageberichte der Amerikaner außerordentlich wichtig. Fischer und Steinmeier ziehen sich immer darauf hinaus, ja, für uns war es wichtig, um zu wissen was dort vorging, wir wollten das wissen, aber das konnte für die Amerikaner doch nicht wichtig sein. Und auf unsere Frage, warum hat man das denn nicht unterbunden, diese Informationen nach Doha weiterzugeben, haben sie gesagt, nein, wir hatten eben doch unsere Kooperation und unsere Bündnisloyalität, da wollten wir die nicht alleine lassen.

    Armbrüster: Was würden Sie denn sagen, hat diese Aussage den SPD-Kanzlerkandidaten Steinmeier jetzt beschädigt?

    Paech: Man könnte es mit einem Wort der "Men walking" beschreiben. Ich bin der Überzeugung, dieses ist doch eine Doppelstrategie oder auch eine Doppelbödigkeit der Politik gewesen, die nicht sehr schön war. Man hat zwar nach außen sozusagen auch die Scheuer eingefahren, indem Schröder dort die Wahl damit wohl auch gewonnen hat, aber hinten herum hat man auch versucht, den Spalt zu den USA nicht allzu groß zu machen. Das kann man politisch natürlich vertreten, aber in der Aussage, wir haben uns nicht an dem Krieg beteiligt, das ist ein Fehler. Sie haben auch eingeräumt, dass schon die Überflugrechte und die logistische Unterstützung in Deutschland natürlich eine Unterstützung war, und dieses ist jetzt der zweite Mosaikstein, der dazu hinzu kommt.

    Armbrüster: Nun soll der BND-Untersuchungsausschuss seine Arbeit noch in dieser Legislaturperiode beenden. Wenn wir mal ein bisschen spekulieren, was meinen Sie, was könnte in so einem Abschlussbericht drin stehen?

    Paech: Ich nehme an, es gibt nicht nur einen Abschlussbericht, sondern es gibt deren mehrere. Es wird einen offiziellen geben, den wahrscheinlich dann die SPD, vielleicht auch die Mehrheit der CDU trägt, aber es wird auf jeden Fall von der FDP, von den Grünen und der Linkspartei, die in ihrer Einschätzung übrigens ziemlich übereinstimmen, separate Berichte geben. Hier werden wir unser "dissenting vote" (abweichendes Votum, Anm. d. Red.) sehr klar definieren, auch nach dem, was wir heute gehört haben.

    Heinemann: Norman Paech, Vertreter der Linkspartei im BND-Untersuchungsausschuss. Die Fragen stellte mein Kollege Tobias Armbrüster.