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Paläoanthropologie
Live-Ausgrabung menschlicher Fossilien in Südafrika

Australopithecus sediba oder Homo naledi: An wichtigen Fossilienfunden aus der Frühzeit des Menschen in Südafrika war in den vergangenen Jahren fast immer auch der Paläoanthropologe Lee Berger mit seinem Team beteiligt. An seiner aktuellen Expedition lässt er die Öffentlichkeit jetzt unmittelbar teilhaben.

Von Michael Stang | 26.08.2020
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Der Paläoanthropologe Lee Berger rekonstruiert die Evolution des Menschen anhand von Fossilien. (Deutschlandfunk / Michael Stang)
"I am Lee Berger and that is the 105 Expedition."
Expedition 105 ist der Name des neuesten Projekts von Lee Berger, das er am Wochenende auf seinen Social-Media-Kanälen vorstellte. Bei der Ausgrabungsstelle handelt es sich um ein Höhlensystem in Südafrika mit drei Hauptkammern und mehreren kleinen Gängen. Die Höhle ist unter Amateurkletterern bekannt, 2015 wurde dort auch die Horrorkomödie Tremors 5 – Blutlinien gedreht, und niemand ahnte damals, dass dieser Ort eine wichtige Ausgrabungsstätte werden könnte. Diese heißt nun offiziell UW 105, die Buchstaben sind die Abkürzung für die Universität von Witwatersrand in Johannesburg, an der Lee Berger eine Professur bekleidet.
Frühmenschenfossilien in Kalkstein verbacken
"In der Höhle gibt es viele Fossilien, die alle in sehr hartem Naturbeton oder festem Kalkstein verbacken sind. Die ersten Frühmenschenfossilien wurden in einem losen Block entdeckt, der am Rand des Höhlenbodens lag. Darin fanden wir ein Teil eines menschlichen Unterkiefers mit sehr großen Zähnen: Der Weisheitszahn bricht gerade durch, der zweite Backenzahn ist schon durchgebrochen und von dem ersten Mahlzahn ist nur noch das Loch im Kiefer zu sehen, da der Zahn ausgefallen ist."
Bereits vor einigen Jahrzehnten wurde in der Gegend dort ein einzelner Backenzahn entdeckt, aber nie wissenschaftlich beschrieben. Heute ist der Zahn verschwunden. Lee Berger versuchte dennoch mehrere Jahre lang die potentielle Fundstätte des Zahns zu finden, weil er hoffte, dass dort noch mehr Fossilien verborgen sein könnten. Das könnte ihm jetzt gelungen sein. Die Vorbereitungen für weitere Ausgrabungen und die Bearbeitung der Fossilien ist in vollem Gange.
Fünf Holzhütten als Labors
"Wir hoffen, dass wir Dienstag mit den Vorbereitungen fertig sind, ab Mittwoch, dem 26.08., mit der Bearbeitung der Fossilien beginnen. Wir haben unsere Arbeitsräume jetzt in fünf Einzellabors verlegt, sodass alle Präparatoren und Präparatorinnen wegen Covid-19 sicher arbeiten können und zwar in isolierten Einzelräumen anstatt in einem großen Labor."
Die Labors sind fünf Holzhütten nahe der Höhle aufgestellt, alle ausgestattet mit Mikroskopen, elektrischen Bohrern und Zahnarztbesteck sowie mehreren Kameras, damit Interessierte jederzeit schauen können, wie die Fossilien aus dem harten Gestein herausgearbeitet werden. Noch ist nicht klar, um welche Art von Frühmenschen es sich bei diesen Fossilien handelt oder wie alt die versteinerten Knochen überhaupt sind. Klar ist nur, Lee Berger und sein Team wollen die Öffentlichkeit an dieser Arbeit teilhaben lassen.
Wissenschaftliche Arbeit geht trotz Corona weiter
"Sie werden live bei unserem Team aus südafrikanischen und internationalen Forschenden sein, während wir die Arbeit in Echtzeit erledigen, die schließlich die Geschichte eines weiteren menschlichen Vorfahrens aufdeckt."
Vielleicht lohnt sich also ab und zu der Blick in die Kanäle wie The Fossil Vault, wo die wissenschaftliche Arbeit in Südafrika trotz der Corona-Pandemie weitergeht. In den kommenden Wochen und Monaten könnte es vielleicht noch die eine oder andere Überraschung geben, so Lee Berger.
"From Johannesburg, South Africa, I am Lee Berger and thanks for joining us on the 105 Expedition."