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Paläoanthropologie
Waldrodung schon vor 11.000 Jahren

Ein bisschen Holzkohle und uralter Obstbaumpollen - das genügt britischen Forschern für den Verdacht, dass Menschen in Südostasien schon vor 11.000 Jahren Wald rodeten und anschließend bepflanzten. Nebenbei hat dieser Fund auch eine politische Dimension: er betrifft die Frage nach Landrechten für Ureinwohner.

Von Katrin Zöfel | 03.03.2014
    Als der Brite Chris Hunt sich zum ersten Mal mit der Geschichte der Regenwälder Südostasiens beschäftigte, glaubte er zu wissen, was ihn erwartet.
    "Ich rechnete mit Hinweisen auf Jäger und Sammler. Jeder Forscher sagte das, so stand in es allen Büchern. Ich erwartete Hinweise auf ungestörten Regenwald, in dem zwar Menschen gelebt hatten, aber ohne dass sie die Landschaft verändert hätten."
    Chris Hunt ist Paläoökologe an der Queen's University in Belfast. Er rekonstruiert die Vegetation der Vergangenheit aus dem wenigen, was jahrtausendelang überdauert: Pollen vor allem, aber auch typische Schwemm- und Ablagerungsmuster im Boden. Er zieht dafür Bohrkerne aus bis zu 40 Metern Tiefe. Als er die ersten Proben auf Borneo nahm, stieß er auf Holzkohlestückchen, klare Hinweise auf Waldbrände.
    "Nach einem Brand würden wir Pionierpflanzen erwarten. Erst Gräser, Sträucher und dann schnell wachsende Bäume."
    Doch davon keine Spur.
    "Im Hochland fanden wir in der Schicht, die auf die Brandreste folgte, reichlich Pollen von Obstbäumen, vollkommen untypisch."
    Das weise, sagt Hunt, eindeutig auf die Aktivität von Menschen hin. Ähnlich klare Hinweise fand er auch am zweiten, tiefer gelegenen Untersuchungsort nahe der Küste Borneos.
    "Im Tiefland fanden wir Pollen der Sagopalme. Sie kommt auf Borneo eigentlich nicht vor, sondern stammt aus Neu-Guinea. Das ist 2000 Kilometer weit weg."
    Die Sago-Palme wird bis heute wegen ihres stärkehaltigen Marks angebaut. Ihre Samen konnten nicht zufällig auf Borneo gelandet sein, Menschen müssen sie importiert und ausgesät haben. Die Daten aus dem Tiefland bilden etwa 7000 Jahre Vegetationsgeschichte ab. Die Menschen dort hatten offenbar eine große Fläche über Jahrtausende hinweg offen gehalten und sogar mit dem Anbau von wilden Reisarten begonnen. Im Hochland reichen die Daten zurück bis ans Ende der letzten Eiszeit vor 11.000 Jahren, allerdings mit einem völlig anderen Nutzungsmuster.
    "Etwa alle 200 Jahre kamen diese Menschen an denselben Ort zurück. Das lief also über mehrere Generationen. Wenn alle Tiere um eine Siedlung herum verscheucht waren, zogen sie weiter. Und zwar an einen Ort, wo Menschen Generationen davor schon Obstbäume gepflanzt hatten. Sie hatten also etwas zu essen, wenn sie dort ankamen. Diese frühen Menschen taten Dinge, die wir ihnen nicht zugetraut hätten. Wir haben lange gebraucht, bis wir uns da ganz sicher waren. Jetzt glauben wir, dass bisher einfach keiner genau hingeschaut hat."
    Entdeckung mit womöglich politischen Folgen
    Hunt nahm sich deshalb auch alte, nur bruchstückhaft ausgewertete Proben aus dem Archiv in Belfast vor, unter anderem aus Thailand und Sumatra. Es ergab sich ein ähnliches Bild. Was der Brite herausgefunden hat, hat womöglich politische Folgen. Die Ureinwohner der Region haben nach gängiger Rechtsprechung keine Landrechte.
    "Wir beraten verschiedene Nichtregierungsorganisationen. In vielen Ländern hat derjenige, der ein Stück Land nutzt, automatisch Besitzrechte daran. Das trifft jetzt auch auf die Ureinwohner zu. Ich hoffe, dass wir ihnen helfen können, ihre Rechte einzufordern. Es wäre sehr traurig, wenn ihre Lebensweise und ihr Wissen verloren ginge."