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Paläoanthropologie
Wie entsteht aus einem toten Fisch ein Fossil?

Obwohl Paläontologen seit Jahrzehnten an Fossilien forschen, ist eine einfache Frage noch unbeantwortet: Wie versteinern Tiere überhaupt? In einem Experiment haben Forscher der Universität Bonn deshalb untersucht, unter welchen Bedingungen aus einem toten Fisch ein Fossil entsteht.

Von Michael Stang | 20.05.2020
Versteinerung eines Kugelzahnfisches (Mesturus verrucosus) im Museum für Naturkunde in Berlin
Versteinerung eines Kugelzahnfisches (imago images / McPHOTO)
"Wie kommt dieser Übergang zustande? Wie kommen wir von einem lebendigen, existenten Tier zu einem Fossil im Gestein, das Teil des Gesteins selber ist?"
Diese eigentlich recht einfache Frage beschäftigt Fabian Gäb schon einige Jahre. Der Postdoktorand von der Universität Bonn will die Prozesse ergründen, die dazu führen, dass ein Organismus der Nachwelt als Fossil erhalten bleibt. In alten Lehrbüchern heißt es dazu grob, dass etwa Fischfossilien entstehen, wenn die Körper nach dem Tod rasch sinken, von Sediment bedeckt werden, es dort zu einer Sauerstoffarmut kommt, also zum Stopp des biologischen Zerfalls, und nach geraumer Zeit entstehen Mineralien, die die Form des Tieres erhalten – kurz: der Kadaver versteinert.
"Wenn das so einfach wäre, würde ich mal schätzen, dass wir viel, viel mehr Fossilien noch hätten, als wir im Moment haben."
Von gefälschten Fossilien und zweifelhaften Funden
Aufrecht gehende Affen im Allgäu und der Unterkiefer eines Orang-Utans: In der Geschichte der Paläanthropologie gab es auch Fehlinterpretationen, Fälschungen und unseriöse Ergebnisse. Drei besonders spektakuläre Fälle.
Um zu klären, was bei einer Versteinerung passiert, forscht das Team aus Bonn im Rahmen eines DFG-Projekts am Thema Fossilisation. Fabian Gäb versucht dabei experimentell herauszufinden, wie aus einem toten Goldfisch ein Fossil werden kann. In einem ersten Experiment legte er einen Kadaver in Salzwasser bei Raumtemperatur und fotografierte täglich den Fisch beziehungsweise das, was davon noch übrigblieb.
"Wir haben nicht ansatzweise etwas produziert, was irgendwie einem Fossil ähnelt und das, was da am Ende übrig war, wäre niemals fossilisiert worden."
Die meisten Kadaver waren nach zwei, drei Wochen verwest, obwohl es kaum Sauerstoff gab, zudem weder Wellen noch Temperaturschwankungen. Immerhin konnte das Forschungsteam damit die alte These widerlegen, wonach lediglich eine Sauerstoffarmut automatisch zur Fossilienbildung führen kann. Wenn sie aber gar nichts machen, kommt es nicht zur Versteinerung.
Der Kadaver versteinert nur am Meeresgrund
"Welche Bedingungen können wir ändern, damit wir etwas in Gang setzen können, was die Initialzündung zur Fossilisation sein kann, nämlich: Wie schaffen wir es erstmal, dass der Fisch, dass der Kadaver eines Tieres, nicht vollkommen zersetzt wird?"
Bei einer Verwesung werden Gase produziert, die den Körper auftreiben und mit dem Bauch nach oben schwimmen und im Extremfall platzen lassen. Das galt es zu verhindern. Also erhöhten Fabian Gäb und seine Kollegen auf die nächsten Goldfischkadaver den Druck – und zwar mithilfe eines Autoklaven, also eines luftdicht verschließbaren Druckbehälters. Damit konnten sie einen Druck von bis zu elf Bar simulieren, was einer Meerestiefe von bis 110 Metern entspricht.
"Wenn man einen Fisch bei sonst gleichen Bedingungen liegen lässt und verwesen lässt, wird er bei acht Bar Druck nicht ruptieren, bei einem Bar dagegen schon. Also, diese acht Bar, haben wir einfach festgestellt, die reichen aus, um dieses Aufplatzen eines Kadavers durch entstehende Fäulnisgase zu verhindern."
An der Meeresoberfläche kann der Kadaver aber nicht versteinern, sondern das gelingt nur im Sediment.
"Wir müssen diesen Fisch auf dem Boden kriegen, auf den Boden des Meeres. Und da haben wir festgestellt: wenn man den Druck auf einen toten Fisch, der schwimmt, erhöht, sinkt dieser Fisch ab."
Je höher der Druck, desto rascher sinkt der Kadaver gen Meeresgrund. Dort ist die Temperatur stabil, es gibt wenig Aasfresser, kaum Bewegung, aber reichlich Sediment, das den Körper bedecken kann – notwendige Bedingungen also für eine mögliche Versteinerung. Der nächste Ansatzpunkt bei den Experimenten in Bonn war ein höherer Salzgehalt. Denn: auch Salz konserviert.
"Die Fische, die wir diesem Meerwasser ausgesetzt haben, bleiben immer besser erhalten je höher die Salzkonzentration ist. Und ab einer Salzkonzentration von über zehn Prozent konnte man also zumindest äußerlich keinen nennenswerten Zerfall dieser Fische mehr feststellen."
Entscheidend sind die ersten Wochen und Monate
Bei den Versuchen haben Fabian Gäb und seine Kollegen noch einen Faktor beobachtet, der sich erstaunlicherweise veränderte: der pH-Wert.
"Wir haben festgestellt, dass der pH-Wert über die Dauer des Experimentes von leicht basisch, weil Meerwasser ist insgesamt leicht basisch, hat einen pH-Wert von 8,1, immer in das leicht saure Milieu abgleitet, immer so um die pH sechs bis 6,5 nach den Experimenten. Und daher kam der Gedanke, dass eventuell eine Pufferung des pH-Werts bei basischen Bedingungen für eine Erhaltung sorgen kann."
Weitere Experimente bestätigten diese Vermutung. Es braucht also Druck zum Absinken und Erhalt des Kadavers, zudem einen Zerfall verzögernden Einfluss durch den Salzgehalt oder basische Bedingungen. Damit müssen schon viele Faktoren zusammenkommen, damit ein Kadaver überhaupt die Chance zur Versteinerung erhält.
"Obwohl Fossilisation ein Prozess ist, der Millionen von Jahren potenziell in Anspruch nimmt, auf jeden Fall aber dessen Ergebnisse über Millionen bis Milliarden von Jahren stabil sein können, scheint es so zu sein, dass ganz entscheidende Weichenstellungen für diesen Prozess in den ersten Tagen und Wochen nach dem Tod des Lebewesens überhaupt erst einmal getätigt werden."
Damit ist das Team um Fabian Gäb aber nur an einem Punkt angekommen, wo es Fische konservieren kann, diese aber noch überwiegend aus organischen Substanzen bestehen. Rund 30 Tiere haben zu diesen Erkenntnissen beigetragen und ein Ende der Experimente ist noch nicht absehbar, denn bis jetzt haben sie noch keine eindeutige Neubildung von Mineralien in den Goldfischen entdeckt – das könnte sich aber bald ändern.
"In dem Moment, wo wir reden, läuft ein Experiment in meinem Labor. Wir versuchen in unseren Experimenten eine Mineralneubildung zu forcieren, die dann möglichst auch dafür sorgt, dass dann die physiologischen Strukturen von so einem Fisch durch diese sich neubildenden Minerale nachgezeichnet werden. Und das ist der Punkt, an dem wir da gerade stehen und das ist dann die richtige Fossilisation, wo wir dann tatsächlich von Mineralneubildung reden und dann ein Produkt am Ende haben das dann halt auch wirklich die Jahrmillionen in einer Gesteinsformationen dann halt auch aushalten kann."