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Paläogenetik
Würmer machten Wikingern das Leben schwer

Wer sich alte Wikingergeschichten erzählen lässt, bekommt meist von großen Überfahrten, Eroberungen und wilden Kämpfen zu hören. Doch der Alltag der alten Skandinavier sah meist anders aus: Wie alle Menschen auch hatten sie mit alltäglichen Problemen zu tun. Dazu gehörten auch Parasiten, wie Paläogenetiker aus Kopenhagen bei einer Siedlung in Viborg feststellten.

Von Michael Stang | 20.10.2014
    Das dänische Viborg liegt mitten im Landesinnern, nur wenige Kilometer vom geografischen Zentrum Jütlands entfernt. Dort existierte von 1018 bis 1030 eine Wikingersiedlung. Die Reste von 30 Häusern hatten Archäologen bereits in den 1980-ger Jahren ausgegraben. Seit ein paar Jahren finden dort regelmäßig Workshops statt, bei denen Archäologen Kleidung, Werkzeuge und Waffen nachbauen. Als Martin Jensen Søe von der Universität von Kopenhagen vor ein paar Monaten vor Ort war, wollte er auch etwas über die Lebensweise der Wikinger herausfinden – aber aus der Sicht eines Biologen.
    "Wir wollten sehen, welche Parasiteneier sich noch im Boden finden lassen, vor allem im Bereich des Abraums, der Latrinen und dem Misthaufen. Die Parasiteneier stammen von Wurminfektionen, an denen damals Menschen oder Tiere in dieser Gegend gelitten haben."
    Ausgrabungen in anderen Siedlungen hatten gezeigt, dass die Menschen damals von einer ganzen Reihe von Plagegeistern befallen waren. Von welchen Würmern genau die Bewohner Viborgs einst geplagt wurden, wollte Martin Jensen Søe in seinem Kopenhagener Labor herausfinden. Die einzelnen Bodenproben untersuchte er zunächst unter dem Mikroskop und sortierte einige Eier heraus. Eine Artbestimmung war damit noch nicht möglich. Dazu bedarf es einer genetischen Untersuchung.
    "Es hat eine Weile gedauert, bis wir aus diesen kleinen, tausend Jahre alten Eiern noch analysierbares Erbgut herausholen konnten. Wir mussten die Eier erst mechanisch aufbrechen, damit wir tatsächlich an die alte DNA gelangen und auch nur diese untersuchen konnten und nicht irgendetwas anderes, was außen anheftet."
    Die Analyse zeigte, dass sich im Wikingerdorf damals viele Leberegel tummelten, die Kühe und Schafe als Wirte bevorzugten. Das ist ein Hinweis darauf, dass Weidetiere in der Nähe der Siedlung gehalten wurden. Martin Jensen Søe und seine Kollegen stießen auch auf Eier des Peitschenwurms und des Spulwurms. Diese Parasiten bevorzugen Menschen als Wirte. Die riesigen Mengen an Parasiteneiern in allen untersuchten Bodenproben zeigen, dass einige Wikinger damals vermutlich an Darmblutungen litten, manche vielleicht sogar an einen Darmverschluss. Damit ist auch klar, dass die Würmer weitverbreitet gewesen sein müssen.
    "Einige dieser Parasiten leben nur in menschlichen Wirten, sie müssen also von Menschen dorthin gebracht worden sein. Von daher wäre es interessant herauszufinden, wann und wie diese Würmer nach Dänemark gekommen sind."
    Haben die Forscher derartige genetische Daten auch aus Deutschland, Skandinavien, Britannien und dem Baltikum zur Verfügung, könnten sie anhand der Infektionswege auch die Ausbreitung der Wikinger nachverfolgen.