Gerd Breker: Der libysche Staatschef Muammar Gaddafi hat die feige Haltung der arabischen Länder gegenüber der israelischen Militäraktion im Gaza-Streifen angeprangert. Gaddafi rief die arabischen Länder dazu auf, ihre 2002 auf den Weg gebrachte Friedensinitiative für den Nahen Osten augenblicklich zu beenden. Die israelische Offensive, sie bringt die arabischen Regierungen in Bedrängnis. Die Menschen auf den Straßen in den arabischen Staaten, sie verspüren einfach nur ohnmächtige Wut.
Am Telefon bin ich nun verbunden mit Suleiman Abu Dayyeh. Er ist Leiter der Palästina-Abteilung der Friedrich-Naumann-Stiftung in Jerusalem, wo wir ihn auch erreichen. Guten Tag, Herr Suleiman Abu Dayyeh.
Suleimann Abu Dayyeh: Guten Tag.
Breker: Herr Abu Dayyeh, das palästinensische Volk, es ist gespalten durch die Rivalität von Hamas und Fatah. Wirken die israelischen Angriffe auf Gaza nun versöhnend für die gespaltene palästinensische Nation?
Abu Dayyeh: Ich weiß gar nicht, ob man das versöhnend beschreiben kann. Jedenfalls man versucht, man bemüht sich insbesondere in Ramallah darum, die Unterschiede und die Meinungsverschiedenheiten zu überwinden, sie im Moment gar nicht zu thematisieren, weil es ein Angriff eigentlich auf alle Palästinenser ist. Wenn man bedenkt, dass gestern zum Beispiel über 16 Menschen in Ramallah verletzt worden sind, zwei getötet worden sind, dann ist der Angriff zwar direkt nach Gaza gerichtet, aber die Israelis sparen auch die Palästinenser in der Westbank nicht aus.
Ich denke, jetzt ist nicht das Thema, über die Unterschiede und die Meinungsverschiedenheiten zu reden und über die Konkurrenz und den Machtkampf zu sprechen. Im Moment geht es jetzt um die Abwehr in Gaza, um politische Entscheidungen zu finden, wie man aus dieser wirklich sehr, sehr dramatischen Situation gemeinsam herauskommen kann, obwohl ich nicht voller Hoffnung bin, dass trotz dieses Blutbades der Israelis die zwei Lager so schnell wieder zu einem Wert finden können.
Breker: Droht denn, Herr Abu Dayyeh, eine Eskalation auch im Westjordan-Land?
Abu Dayyeh: Es ist sicherlich damit zu rechnen. Ich rechne damit, dass zumindest für einige Zeit die Situation in der Westbank sich zuspitzen wird, dass die Zusammenstöße mit der israelischen Besatzungsarmee zunehmen werden, und das allerwichtigste, denke ich, das ist, erst einmal auf absehbare Zeit nicht davon sprechen zu können, dass Friedensverhandlungen zwischen Palästinensern und Israelis wieder aufgenommen werden können. Das ist der größte Verlust eigentlich.
Breker: Herr Abu Dayyeh, der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak spricht davon, dass er bis zum Ende den Kampf gegen die Hamas durchführen will. Was kann man daraus schließen?
Abu Dayyeh: Schauen Sie mal, israelische Politiker, insbesondere wenn es Verteidigungsminister sind und sie sich zu Wahlen stellen, versuchen, sich immer auf Kosten der Palästinenser in die richtige Position zu bringen. Je härter sie gegenüber den Palästinensern demonstrieren, umso höher sind ihre Chancen. Diese Sprache kennen wir, das kennen wir seit vielen Jahren. Ich denke, diese Sprache von Ehud Barak dient seines Wahlkampfes. Ich weiß gar nicht, was er in Gaza erreichen will. Die Infrastruktur, die er zerstören will, sind überwiegend zivile Einrichtungen. Er hat zwar vielleicht sehr viele Hamas-Anhänger und –Kämpfer töten können, aber ich glaube nicht, dass er darauf sich verlassen kann, dass die Palästinenser aufgeben werden oder die weißen Fahnen aufhängen werden. Dieser Angriff hat noch mal den Hass noch tiefer gemacht und die Ablehnung der israelischen Besatzung ist noch stärker – nicht nur unter den Palästinensern, sondern ich denke bei allen Nachbarstaaten um Israel herum. Dieses Blutbad in Gaza wird mit Sicherheit Israel nicht sicherer machen, ganz im Gegenteil. Ich denke, das ist Futter für ein Mehr an Radikalisierung unter den Palästinensern, aber auch unter den Arabern.
Breker: Wer, Herr Abu Dayyeh, kann denn wie helfen, damit es wieder Frieden gibt?
Abu Dayyeh: Es muss in Israel endlich mal begriffen werden, dass die Palästinenser nicht mit militärischer Macht auf Dauer sozusagen zu kontrollieren sind. Die Palästinenser müssen ihre Freiheit in ihrem eigenen Staat bekommen. Die Palästinenser und Israelis müssen voneinander entflechtet werden. Es muss eine internationale Truppe kommen, von mir aus möglicherweise eine NATO-Truppe, die in die palästinensischen Gebiete kommt, und die israelische Armee muss sich aus den palästinensischen Gebieten zurückziehen und dann eine Zeit lang uns in Ruhe am Aufbau unseres Staates arbeiten lassen. Ich sehe keine andere Alternative zu irgendwelchen Zwischenlösungen. Die Besatzung ist an allem nach meiner Auffassung Schuld. Die Destabilisierung der Lage hat mit der Besatzung zu tun. Die Unsicherheit in Israel, die fehlende Sicherheit der Bevölkerung in Israel hat mit der Besatzung zu tun. Also das Hauptthema muss wieder die Besatzung sein und ich denke, die westliche Welt muss das den Israelis klar machen. Ihre Besatzung muss ein Ende haben. Sie können nicht mit den Palästinensern verhandeln und eine halbwegs gerechte Lösung erreichen und gleichzeitig eine Besatzungsmacht spielen. Das kann auf Dauer nicht gut gehen und deswegen kommen die Friedensverhandlungen leider nicht voran.
Breker: Würde das denn auch, Herr Abu Dayyeh, den Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen auf Israel beenden?
Abu Dayyeh: Selbstverständlich! Das muss zweifelsohne natürlich auch ein Ende haben. Aber Sie müssen sich mal vorstellen: seit zwei Jahren wird der Gaza-Streifen von den Israelis abgeriegelt. Ein israelischer General hat einmal gesagt, die westliche Öffentlichkeit braucht sich nicht zu kümmern, als man seine Politik gegenüber dem Gaza-Streifen kritisiert hat, weil er eben nicht genügend Lebensmittel nach Gaza geliefert hat. Er hat gesagt, man braucht sich keine Sorgen zu machen, wir werden die Palästinenser nicht verhungern lassen, wir setzen sie eine Zeit lang auf Diät. – Wenn man so etwas hört, man kann sich nicht vorstellen, dass diese Menschen eigentlich diese Verantwortung in dem israelischen Staat haben.
Diese Politik ist nicht neu. Man will den Gaza-Streifen regelrecht ausbluten lassen, und zwar auf Kosten von 1,5 Millionen Menschen. So kann man eigentlich Frieden im Nahen Osten nicht erreichen.
Breker: Glauben Sie, Herr Abu Dayyeh, dass die Hamas bereit wäre, auf Gewalt zu verzichten?
Abu Dayyeh: Schauen Sie mal, wenn die Rahmenbedingungen dafür möglich sind, wenn die Rahmenbedingungen dafür vorhanden sind, dass man die Palästinenser in Ruhe und in Freiheit leben lassen würde, denke ich, auch Hamas ist zur Aufgabe des bewaffneten Kampfes und der Gewalt bereit. Aber die Bedingungen müssen stimmen. Je länger diese Besatzung andauert, je länger die Belagerung und die Umzingelung des Gaza-Streifens andauert, umso mehr fühlen sich diese Kräfte der Hamas dazu berufen, gegen Israel zu kämpfen. Die Umstände darum herum müssen beendet werden.
Die Israelis beschweren sich darüber, dass die Leute aus Gaza Raketen nach Israel schicken. Aber ich meine, die tägliche Politik der Israelis gegenüber dem Gaza-Streifen war auch nicht menschlich. Man hat zwar sechs Monate lang eine gewisse Ruhe gehabt. Die Israelis haben natürlich auch angegriffen und die Palästinenser haben Raketen auf Israel geschossen. Das ist zwar alles wahr, aber man hat den Gaza-Streifen ausbluten lassen. Es fehlte an allem: an Wasser, an Medikamenten, an Lebensmitteln, an Elektrizität, an Benzin, an allem. Warum? Warum müssen die Menschen am Existenzminimum leben? Das haben die Israelis in der Hand und niemand anders.
Breker: Im Deutschlandfunk war das Suleiman Abu Dayyeh. Er ist Leiter der Palästina-Abteilung der Friedrich-Naumann-Stiftung in Jerusalem. Herr Abu Dayyeh, danke für dieses Gespräch.
Abu Dayyeh: Danke Ihnen auch.
Am Telefon bin ich nun verbunden mit Suleiman Abu Dayyeh. Er ist Leiter der Palästina-Abteilung der Friedrich-Naumann-Stiftung in Jerusalem, wo wir ihn auch erreichen. Guten Tag, Herr Suleiman Abu Dayyeh.
Suleimann Abu Dayyeh: Guten Tag.
Breker: Herr Abu Dayyeh, das palästinensische Volk, es ist gespalten durch die Rivalität von Hamas und Fatah. Wirken die israelischen Angriffe auf Gaza nun versöhnend für die gespaltene palästinensische Nation?
Abu Dayyeh: Ich weiß gar nicht, ob man das versöhnend beschreiben kann. Jedenfalls man versucht, man bemüht sich insbesondere in Ramallah darum, die Unterschiede und die Meinungsverschiedenheiten zu überwinden, sie im Moment gar nicht zu thematisieren, weil es ein Angriff eigentlich auf alle Palästinenser ist. Wenn man bedenkt, dass gestern zum Beispiel über 16 Menschen in Ramallah verletzt worden sind, zwei getötet worden sind, dann ist der Angriff zwar direkt nach Gaza gerichtet, aber die Israelis sparen auch die Palästinenser in der Westbank nicht aus.
Ich denke, jetzt ist nicht das Thema, über die Unterschiede und die Meinungsverschiedenheiten zu reden und über die Konkurrenz und den Machtkampf zu sprechen. Im Moment geht es jetzt um die Abwehr in Gaza, um politische Entscheidungen zu finden, wie man aus dieser wirklich sehr, sehr dramatischen Situation gemeinsam herauskommen kann, obwohl ich nicht voller Hoffnung bin, dass trotz dieses Blutbades der Israelis die zwei Lager so schnell wieder zu einem Wert finden können.
Breker: Droht denn, Herr Abu Dayyeh, eine Eskalation auch im Westjordan-Land?
Abu Dayyeh: Es ist sicherlich damit zu rechnen. Ich rechne damit, dass zumindest für einige Zeit die Situation in der Westbank sich zuspitzen wird, dass die Zusammenstöße mit der israelischen Besatzungsarmee zunehmen werden, und das allerwichtigste, denke ich, das ist, erst einmal auf absehbare Zeit nicht davon sprechen zu können, dass Friedensverhandlungen zwischen Palästinensern und Israelis wieder aufgenommen werden können. Das ist der größte Verlust eigentlich.
Breker: Herr Abu Dayyeh, der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak spricht davon, dass er bis zum Ende den Kampf gegen die Hamas durchführen will. Was kann man daraus schließen?
Abu Dayyeh: Schauen Sie mal, israelische Politiker, insbesondere wenn es Verteidigungsminister sind und sie sich zu Wahlen stellen, versuchen, sich immer auf Kosten der Palästinenser in die richtige Position zu bringen. Je härter sie gegenüber den Palästinensern demonstrieren, umso höher sind ihre Chancen. Diese Sprache kennen wir, das kennen wir seit vielen Jahren. Ich denke, diese Sprache von Ehud Barak dient seines Wahlkampfes. Ich weiß gar nicht, was er in Gaza erreichen will. Die Infrastruktur, die er zerstören will, sind überwiegend zivile Einrichtungen. Er hat zwar vielleicht sehr viele Hamas-Anhänger und –Kämpfer töten können, aber ich glaube nicht, dass er darauf sich verlassen kann, dass die Palästinenser aufgeben werden oder die weißen Fahnen aufhängen werden. Dieser Angriff hat noch mal den Hass noch tiefer gemacht und die Ablehnung der israelischen Besatzung ist noch stärker – nicht nur unter den Palästinensern, sondern ich denke bei allen Nachbarstaaten um Israel herum. Dieses Blutbad in Gaza wird mit Sicherheit Israel nicht sicherer machen, ganz im Gegenteil. Ich denke, das ist Futter für ein Mehr an Radikalisierung unter den Palästinensern, aber auch unter den Arabern.
Breker: Wer, Herr Abu Dayyeh, kann denn wie helfen, damit es wieder Frieden gibt?
Abu Dayyeh: Es muss in Israel endlich mal begriffen werden, dass die Palästinenser nicht mit militärischer Macht auf Dauer sozusagen zu kontrollieren sind. Die Palästinenser müssen ihre Freiheit in ihrem eigenen Staat bekommen. Die Palästinenser und Israelis müssen voneinander entflechtet werden. Es muss eine internationale Truppe kommen, von mir aus möglicherweise eine NATO-Truppe, die in die palästinensischen Gebiete kommt, und die israelische Armee muss sich aus den palästinensischen Gebieten zurückziehen und dann eine Zeit lang uns in Ruhe am Aufbau unseres Staates arbeiten lassen. Ich sehe keine andere Alternative zu irgendwelchen Zwischenlösungen. Die Besatzung ist an allem nach meiner Auffassung Schuld. Die Destabilisierung der Lage hat mit der Besatzung zu tun. Die Unsicherheit in Israel, die fehlende Sicherheit der Bevölkerung in Israel hat mit der Besatzung zu tun. Also das Hauptthema muss wieder die Besatzung sein und ich denke, die westliche Welt muss das den Israelis klar machen. Ihre Besatzung muss ein Ende haben. Sie können nicht mit den Palästinensern verhandeln und eine halbwegs gerechte Lösung erreichen und gleichzeitig eine Besatzungsmacht spielen. Das kann auf Dauer nicht gut gehen und deswegen kommen die Friedensverhandlungen leider nicht voran.
Breker: Würde das denn auch, Herr Abu Dayyeh, den Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen auf Israel beenden?
Abu Dayyeh: Selbstverständlich! Das muss zweifelsohne natürlich auch ein Ende haben. Aber Sie müssen sich mal vorstellen: seit zwei Jahren wird der Gaza-Streifen von den Israelis abgeriegelt. Ein israelischer General hat einmal gesagt, die westliche Öffentlichkeit braucht sich nicht zu kümmern, als man seine Politik gegenüber dem Gaza-Streifen kritisiert hat, weil er eben nicht genügend Lebensmittel nach Gaza geliefert hat. Er hat gesagt, man braucht sich keine Sorgen zu machen, wir werden die Palästinenser nicht verhungern lassen, wir setzen sie eine Zeit lang auf Diät. – Wenn man so etwas hört, man kann sich nicht vorstellen, dass diese Menschen eigentlich diese Verantwortung in dem israelischen Staat haben.
Diese Politik ist nicht neu. Man will den Gaza-Streifen regelrecht ausbluten lassen, und zwar auf Kosten von 1,5 Millionen Menschen. So kann man eigentlich Frieden im Nahen Osten nicht erreichen.
Breker: Glauben Sie, Herr Abu Dayyeh, dass die Hamas bereit wäre, auf Gewalt zu verzichten?
Abu Dayyeh: Schauen Sie mal, wenn die Rahmenbedingungen dafür möglich sind, wenn die Rahmenbedingungen dafür vorhanden sind, dass man die Palästinenser in Ruhe und in Freiheit leben lassen würde, denke ich, auch Hamas ist zur Aufgabe des bewaffneten Kampfes und der Gewalt bereit. Aber die Bedingungen müssen stimmen. Je länger diese Besatzung andauert, je länger die Belagerung und die Umzingelung des Gaza-Streifens andauert, umso mehr fühlen sich diese Kräfte der Hamas dazu berufen, gegen Israel zu kämpfen. Die Umstände darum herum müssen beendet werden.
Die Israelis beschweren sich darüber, dass die Leute aus Gaza Raketen nach Israel schicken. Aber ich meine, die tägliche Politik der Israelis gegenüber dem Gaza-Streifen war auch nicht menschlich. Man hat zwar sechs Monate lang eine gewisse Ruhe gehabt. Die Israelis haben natürlich auch angegriffen und die Palästinenser haben Raketen auf Israel geschossen. Das ist zwar alles wahr, aber man hat den Gaza-Streifen ausbluten lassen. Es fehlte an allem: an Wasser, an Medikamenten, an Lebensmitteln, an Elektrizität, an Benzin, an allem. Warum? Warum müssen die Menschen am Existenzminimum leben? Das haben die Israelis in der Hand und niemand anders.
Breker: Im Deutschlandfunk war das Suleiman Abu Dayyeh. Er ist Leiter der Palästina-Abteilung der Friedrich-Naumann-Stiftung in Jerusalem. Herr Abu Dayyeh, danke für dieses Gespräch.
Abu Dayyeh: Danke Ihnen auch.