Donnerstag, 18. April 2024

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Palästinenser zu Wahlausgang in Israel
Frangi: Trumps Unterstützung war Netanjahus eigentlicher Erfolg

Die Anerkennung der Golanhöhen als Teil Israels durch die US-Regierung habe Benjamin Netanjahu im Wahlkampf geholfen, sagt Abdallah Frangi, Berater des palästinensischen Präsidenten Abbas, im Dlf. Israel betreibe in der Region eine "rassistische Politik" und bedrohe als Atommacht die arabische Welt.

Abdallah Frangi im Gespräch mit Sandra Schulz | 10.04.2019
Benjamin Netanjahu, Donald Trump und Mike Pence vor dem Weißen Haus.
Benjamin Netanjahu reiste Ende März in die USA und traf Donald Trump und Mike Pence. Der Rückhalt aus den USA sei hilfreich gewesen, sagt Abdallah Frangi (AFP / Saul Loeb)
Sandra Schulz: Es war ein spannender Wahlkampf. Endspurt vor der Parlamentswahl gestern in Israel wegen der knappen Umfragewerte. Und jetzt war es auch ein ganz ausgesprochen spannender Abend, eine spannende Nacht. So eng lagen der Likud von Amtsinhaber Benjamin Netanjahu und das Bündnis Blau-Weiß von Benni Gantz in den Hochrechnungen der vergangenen Stunden beieinander. Inzwischen sind mehr als 96 Prozent der Stimmen ausgezählt und danach hat Benjamin Netanjahu gute Chancen auf eine fünfte Amtszeit als israelischer Ministerpräsident. Der Vollständigkeit halber müssen wir dazu sagen, dass immer noch nicht entschieden ist, welche Partei jetzt als stärkste Kraft die Nase vorn hat. Klar ist aber, dass der Likud von Benjamin Netanjahu gestärkt aus der Wahl hervorgeht. Wir können darüber in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon ist Abdallah Frangi, Berater von Palästinenser-Präsident Abbas für europäische Angelegenheiten, und als Vertreter der als gemäßigt geltenden Fatah war er lange Gouverneur von Gaza. Schönen guten Morgen!
Abdallah Frangi: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Wie hat Netanjahu das gemacht?
Frangi: Ich meine, er ist sehr geschickt und er macht das immer mit den kleinen Gruppen und Gruppierungen, um die Mehrheit zu schaffen. Die meisten Gruppen sind radikal und die sind rechts und sie haben ihm bis jetzt geholfen, diese Politik weiterhin zu betreiben. Und er betreibt eine Politik von mehr Siedlungen in dieser Region, und diese mehr Siedlungen ist praktisch seine Stärke, dass er die Gruppen weiterhin auf seiner Seite behält.
Aber trotzdem: Diese Wahlen zeigen auch, dass die israelische Gesellschaft nicht mehr so weiter diese Politik machen kann, weil die Entwicklung innerhalb Israels wird nicht mehr so bleiben, wie Netanjahu es wünscht und wie die Gruppierungen, die rechten Gruppierungen auch weiterhin Politik betreiben.
Schulz: Es wäre schön, Herr Frangi, wenn Sie mir auch die Gelegenheit zu Nachfragen geben würden.
Frangi: Ja!
"Rassistische Politik gegen ein ganzes Volk"
Schulz: Sie sagen, Netanjahu habe geholfen oder hilft jetzt, dass er mit diesen Kleinstparteien zusammenarbeitet. Hat ihm dann auch die jüngste Aggression, die wir kürzlich gesehen haben, der Beschuss aus dem Gazastreifen auf Israel, die militärische Antwort dann, hat auch das Benjamin Netanjahu jetzt in dieser Wahl geholfen?
Frangi: Ich glaube, die Hauptunterstützung bekommt er von der Politik, die er in der Westbank macht, indem er mehr Siedlungen baut. Er hat immer wiederholt betont, keine Siedlungen werden verschwinden und kein Siedler wird sein Haus oder seine Siedlung verlieren. Dort war eigentlich der Kampf der Israelis und dort hat Netanjahu die stärkste, sagen wir, Gruppe hinter sich und nicht mit dem Gaza. Mit dem Gaza war es im Grunde genommen kein echter Krieg, so dass man sagen kann, er hat einen Krieg gemacht, um die Wahlen zu gewinnen. Ich glaube, wenn er den Krieg gewagt hätte, er hätte diesmal nicht so siegreich da rauskommen können.
Schulz: Aber die Angriffe kamen ja aus dem Gazastreifen. Wenn wir jetzt noch mal schauen: Wir wissen, dass die Sicherheit, die Sicherheitspolitik wie immer in Israel auch jetzt bei dieser Wahl ein großes Thema war. Liegt die Ursache nicht darin, dass Israel massiv auch in dieser Sicherheit immer wieder bedroht ist?
Frangi: Wissen Sie, Israel ist bedroht durch ihre eigene Politik. Die Israelis besitzen ein Land von Menschen, sie besitzen so viele Menschen unter ihrer Kontrolle, halten so viele Menschen unter ihrer Kontrolle, fast so viele wie die Israelis selbst. Sie halten das Land der Palästinenser. Sie kontrollieren das Wasser der Palästinenser. Im Grunde genommen betreiben sie eine rassistische Politik gegen ein ganzes Volk in dieser Region. Solange die Israelis als Besetzer weiterhin existieren wollen und sich auf ihre eigene Armee stützen, solange werden wie keinen Frieden in der Region haben und solange kann auch Israel nicht eine große Rolle spielen in dieser Region.
"Die arabische Welt ist bedroht"
Schulz: Israel ist umgeben von Nachbarn, die sein Existenzrecht anzweifeln. Wir sehen jetzt, dass Benjamin Netanjahu sehr gute Chancen hat auf eine fünfte Amtszeit als Ministerpräsident. Wir sprechen über einen Kandidaten, der im Wahlkampf mit ganz massiven Korruptionsvorwürfen zu kämpfen hatte. Aber das scheint – da komme ich jetzt noch mal zurück aufs Thema Sicherheit – viele Wähler oder eine entscheidende Mehrheit der Wähler deswegen nicht gestört zu haben, weil sie sagen, wir können uns darauf verlassen, dass der Mann sich für uns einsetzt, der hat wichtige und mächtige Partner, der arbeitet eng mit US-Präsident Donald Trump zusammen. Ist das nicht nachvollziehbar?
Frangi: Ich glaube, er hat die Unterstützung direkt vom amerikanischen Präsidenten. Das hat eine große Rolle gespielt. Denn der amerikanische Präsident hat ihn unterstützt in der Frage Jerusalem, dass die Hauptstadt Israels Jerusalem ist, obwohl die Mehrheit der Menschen dort in Ost- und Westjerusalem Palästinenser sind, und die wurden total ignoriert von dem amerikanischen Präsidenten. Das war eigentlich der Erfolg, den Netanjahu hat – noch dazu, dass der amerikanische Präsident ihm die Golanhöhen geschenkt hat. Er hat praktisch die Golanhöhen annektiert, und so was ist einmalig in der Geschichte. Ich glaube, die arabische Welt ist bedroht. Die arabische Welt ist gegenüber Israel militärisch gesehen so gut wie unterlegen, weil die Israelis die Atomwaffen haben und die Atomwaffen besitzen, und kein Mensch sagt irgendwas in dieser Richtung.
Schulz: Jetzt pocht Israel natürlich konsequent auf sein Selbstverteidigungsrecht. Das ist dann diese unterschiedliche Sichtweise. Sie haben jetzt die Unlogik der Gewalt noch mal geschildert. Wir sehen jetzt mit Netanjahu die Bestätigung eines Ministerpräsidenten, der in seinem Land viele Probleme hatte, die ihn aber nicht daran gehindert haben, noch mal Präsident zu werden. Auf Ihrer Seite, auf palästinensischer Seite steht Mahmud Abbas. Sollte der sich nicht auch einmal zur Wahl stellen?
Frangi: Ich meine, Präsident Abbas will auch Wahlen demnächst machen wollen. Nur jetzt die Entwicklung innerhalb der Palästinenser, dass Westbank und Gazastreifen praktisch geteilt sind, da ist das sehr schwer, dass man jetzt die Wahlen durchsetzt. Präsident Abbas will nicht die Trennung zwischen Westbank und Gazastreifen machen wollen. Deswegen hat er jetzt die Frage der Wahlen noch mal ein bisschen zurückgehalten.
"Mehr Geld für Siedlungen"
Schulz: Was kann Israel für die Feindschaft zwischen Fatah und Hamas?
Frangi: Ich glaube, Netanjahu hat vor einer Woche, bevor die Wahlen stattgefunden haben bei ihm, gesagt, er freut sich über diese Entwicklung.
Schulz: Wie schauen Sie jetzt auf die Ankündigung, die Netanjahu jetzt im Wahlkampf gemacht hat, die Annektierung auch von Siedlungen oder von Siedlungsgebieten im Westjordanland?
Frangi: Natürlich, das war auch ein Grund, dass er mehr Stimmen bekommen hat von diesen kleinen Gruppen, die ihn mit den Siedlern und der Siedlungspolitik unterstützen. Deswegen hat er sehr, sehr oft betont, in seinen Reden und überall hat er das gesagt, dass er keine einzige Siedlung wegschafft von der Westbank. Im Gegenteil: Er hat jetzt mehr Geld und mehr Wasser und mehr Straßen für die Siedlungen unterstützt und mit finanziellen Mitteln.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.