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Palmöl in Babynahrung
Schadstoffe mit jeder Mahlzeit

Palmöl hat einen schlechten Ruf, denn für Palmöl-Plantagen wird tropischer Regenwald vernichtet. Das Öl enthält aber auch Schadstoffe. Als Bestandteil von Milchersatz nehmen viele Babys sie täglich auf. Der EU-Kommission hat nun neue Grenzwerte festgelegt.

Von Michel Stefan | 13.03.2018
    In eine Plastikflasche wird Milchpulver eingefüllt. Im Hintergrund trinkt ein Kleinkind seine Milch.
    Viele Sorten Babynahrung enthalten zehn Mal mehr Glycidyl und MPCD, als man für unbedenklich halten könnte, so die Einschätzung der Lebensmittelbehörde EFSA. Hauptgrund: das Palmöl. (dpa / Jean-François Frey)
    Palmöl enthält Substanzen, die wahrscheinlich krebserregend und genschädigend sind, nämlich Glycidyl und Monochlorpropandiol, kurz: MCPD. Da verwundert es, dass Palmöl in den allermeisten Babymilchnahrungen überhaupt enthalten ist. Aber die Babynahrung soll genauso viel Fett enthalten wie Muttermilch, und auch die Zusammensetzung der Fettsäuren soll der Muttermilch möglichst nahe kommen. Bei Palmöl kommt hinzu, dass es preisgünstiger ist als andere Öle.
    Es herrschte Uneinigkeit über Schadstoff-Grenzwerte
    Allerdings enthalten viele Sorten von Babynahrung zehn Mal mehr Glycidyl und MPCD, als man für unbedenklich halten könnte, so ist die Einschätzung der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA. Hauptgrund dafür ist das Palmöl.
    Eigentlich wollte die EU-Kommission schon Mitte vergangenen Jahres Grenzwerte für diese Schadstoffe festsetzen. Dann zeigte sich aber, dass die Lebensmittelbehörde der Vereinten Nationen, JECFA, eine höhere Menge an MPCD für vertretbar hielt als die Europäer. Und die EU-Kommission wies ihre Behörde EFSA an, ihre Einschätzung noch einmal zu überprüfen.
    EFSA-Wissenschaftler Marc Binaglia: "EFSA und JECFA hatten die Giftigkeit gleich bewertet, und trotzdem kam JECFA zu einem höheren tolerierbaren Wert. Deshalb und weil wir eine neue Richtlinie für unser Berechnungsmodell haben, hat EFSA die Beurteilung von MCPD aktualisiert."
    Gegen die neuen Grenzwerte will keiner klagen
    Nun gibt es also Grenzwerte für Babynahrung. Beim MCPD soll das Baby künftig höchstens noch zwei Millionstel Gramm pro Tag und Kilo Körpergewicht aufnehmen dürfen. Und ab September ist dies dann für alle Produkte in den Verkaufsregalen verbindlich. Oder kann noch etwas dazwischen kommen? Der Europaabgeordnete und Mediziner Peter Liese:
    "Es hätte die Möglichkeit gegeben, für das Europäische Parlament Einspruch einzulegen, aber das hat keiner der Kollegen getan, weil die meisten halt überzeugt sind, dass wir hier dringend eine Regulierung brauchen zum Gesundheitsschutz insbesondere für Säuglinge. Ganz theoretisch könnte es eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof geben. Aber damit rechne ich nicht. Derjenige, der da jetzt klagen würde, der würde sich natürlich in der Öffentlichkeit sehr unter Druck gesetzt fühlen."
    Bio-Branche kam mit Alternativen auf den Markt
    Auch jetzt schon gibt es Säuglingsnahrung ohne Palmöl zu kaufen. Vorreiter waren zwei kleine Anbieter aus der Bio-Branche, eine norddeutsche Firma mit dem Markennamen Bambinchen und der schweizerische Hersteller Bimbosan. Aber auch der bekannte deutsche Hersteller Milasan verzichtet inzwischen auf Palmöl. Und das war nicht so einfach, schreibt eine Firmensprecherin.
    Sprecherin: "Insgesamt gab es in der Entwicklung von Rezepturen ohne Palmöl einige Hindernisse: So musste eine Ölmischung gefunden werden, die das gewünschte Fettsäuremuster aufweist. Die alternativ eingesetzten Rohstoffe sind höherpreisig als Palmöl. Diese und weitere Faktoren führten zu einer Preiserhöhung."
    Babykost-Hersteller Hipp erklärt auf Anfrage:
    Sprecherin: "Hipp hat bereits vor Jahren damit begonnen, Palmöl durch andere Rohstoffe zu ersetzen, sofern dies ernährungsphysiologisch möglich und sinnvoll war. Diesen Ansatz verfolgt Hipp auch weiterhin."
    Fettschadstoffe sollen sich auch in anderen Ölen befinden
    Milupa und die Drogeriemarktkette dm mit den Eigenmarken Babylove und dmBio versichern, sie würden die künftigen Grenzwerte schon jetzt einhalten, und dm ergänzt:
    Sprecherin: "Der gänzliche Verzicht auf Palmöl ist für uns nach wie vor keine sinnvolle Lösung, da auch andere Öle die genannten Fettschadstoffe enthalten können."
    Tatsächlich finden sich Glycidyl und MPCD auch in anderen bei großer Hitze raffinierten Ölen – allerdings in viel geringerer Menge als im Palmöl. Noch ein Unterschied: Palmöl muss erhitzt werden, weil es im Rohzustand ungenießbar ist. Soja- oder Sonnenblumenöl sind dagegen auch kalt gepresst genießbar - und kalt gepresst ist das Öl frei von Glycidyl und MPCD.
    Regenwald-Rodung zur Gewinnung von Palmöl
    Aber es gibt ja außer dem Gesundheitsschutz noch einen anderen Grund, um auf Palmöl zu verzichten, und für Babykost-Hersteller Milasan spielte er eine wichtige Rolle. Noch einmal die Firmensprecherin:
    Sprecherin: "Die Verwendung von Palmöl wird mit der Abrodung großer Regenwaldflächen in Verbindung gebracht. Der Verzicht von Palmöl trägt damit dem Gedanken der Nachhaltigkeit Rechnung."