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Papandreou "klebt leider an seinem Stuhl"

Der Zickzackkurs des griechischen Ministerpräsidenten mache die Lage im Land noch verwirrender und sei nicht im Sinne Europas. Papandreou müsse sein Amt aufgeben und der Bildung einer Übergangsregierung zustimmen, fordert Evangelos Antonaros, Abgeordneter der Oppositionspartei Nea Dimokratia.

Evangelos Antonaros im Gespräch mit Anne Raith | 04.11.2011
    Anne Raith: Noch am Nachmittag hatte es Hoffnung gegeben, dass zumindest die innenpolitische Krise in Griechenland beendet werden könnte, nach einem Telefongespräch zwischen Ministerpräsident Papandreou und Oppositionsführer Samaras. Von einer Einigung, einer Übergangsregierung war die Rede, das Referendum soll ad acta gelegt werden. Doch am Abend machte Samaras den Rücktritt Papandreous zur Voraussetzung für eine solche Übergangsregierung. Der wiederum will die Vertrauensabstimmung heute Abend abwarten. – Am Telefon begrüße ich jetzt Evangelos Antonaros. Er ist Abgeordneter der Oppositionspartei Nea Dimokratia und ehemaliger Regierungssprecher. Schönen guten Morgen!

    Evangelos Antonaros: Guten Morgen!

    Raith: Das Referendum ist vom Tisch, Papandreou legt einen Rücktritt nahe, und Ihre Partei verlässt erst einmal geschlossen die Sitzung, auf der er spricht. Wie passt das zusammen?

    Antonaros: Aus einem ganz einfachen Grund: Wir haben gestern Vormittag ein konkretes Angebot zur Bildung einer Übergangsregierung gemacht an Herrn Papandreou, und dann hat Herr Papandreou gestern insgesamt dreimal öffentlich sozusagen gesprochen: Das erste Mal vor seinem Kabinett, wo er seinen Rücktritt angedeutet oder fest zugesagt hat, fast, würde ich sagen. Dann trat er vor seiner Fraktion auf, da hat er dieses Angebot wieder zurückgenommen, und er ist deswegen von seinen eigenen Fraktionskollegen heftig während der Sitzung kritisiert worden. Und drittens: Das dritte Mal ist er dann im Plenum aufgetreten und hat wieder angedeutet, aber nur angedeutet, dass er der Bildung einer solchen Expertenregierung, die wir vorgeschlagen haben, zur Überbrückung der Schwierigkeiten doch zustimmen würde.

    Raith: Er klebt nicht an seinem Stuhl, sagt Papandreou. Das klingt doch nach Rücktritt. Ist das Ihnen nicht genug als Angebot?

    Antonaros: Ja, das sagt er, aber er klebt leider an seinem Stuhl und alles, was er macht und was er in dieser Woche gemacht hat, dieser Zickzackkurs, Referendum, nicht Referendum, dann Rücktritt, nicht Rücktritt, das macht alles die Lage noch verwirrender. Er muss einfach sein Amt aufgeben ...

    Raith: Warum?

    Antonaros: ... , beziehungsweise der Bildung einer Übergangsregierung zustimmen, damit das Land auch weiterkommt.

    Raith: Warum muss Papandreou dafür zurücktreten?

    Antonaros: ... , weil er eigentlich die Mehrheit verloren hat, längst, aber die hat er jetzt innerhalb seiner Fraktion auch verloren. Das wird sich heute entscheiden, warten wir das ab, das sind nur noch ein paar Stunden, und hoffentlich sagt dann seine Partei der Bildung einer Übergangsregierung auch zu. Das erwarten doch alle.

    Raith: Sind Sie denn bereit, danach zu verhandeln?

    Antonaros: Über jede Regierung muss verhandelt werden, aber das muss eine Expertenregierung werden, die drei oder vier konkrete Ziele haben muss: Erstens, die Verankerung Griechenlands in Europa sozusagen zu bestätigen, zweitens, die letzte Woche mit unserem Partner beschlossenen Richtlinien durch das Parlament zu bringen, drittens, die Auszahlung der nächsten Tranche, Hilfstranche sicherzustellen, und dann viertens, Neuwahlen abzuhalten, damit auch das Volk, das sehr frustriert ist zurzeit, die Möglichkeit hat, sich aktuell zu äußern und zu sagen, wie das nächste griechische Parlament zusammengesetzt werden soll.

    Raith: Warum musste es denn, Herr Antonaros, bis an den Rand der Katastrophe kommen, damit Ihre Partei einlenkt?

    Antonaros: Wir haben doch eingelenkt. Wir hatten doch im vergangenen Juni eingelenkt.

    Raith: Aber im vergangenen Juni, wenn ich Sie an den Gipfel in Brüssel erinnern darf, haben alle konservativen Regierungschefs auf Samaras einwirken müssen, Angela Merkel, Sarkozy, um ihn umzustimmen, und er ist nicht umgestimmt worden.

    Antonaros: Wir waren bereit und wir sind bereit, nach wie vor mitzuwirken. Wir haben mehr als die Hälfte der Gesetze im Parlament mitgetragen.

    Raith: Entscheidende Gesetze aber nicht!

    Antonaros: Bitte?

    Raith: Entscheidende Gesetze aber nicht, zum Beispiel das erste Paket im Mai 2010.

    Antonaros: Ja, aber es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass dieses Paket, so wie es von Papandreou umgesetzt wird – und das hat mit unserer Haltung nichts zu tun -, das Land immer tiefer in die Rezession abgleiten lässt, und das wollen wir verhindern. Wachstum ist auch wichtig, sonst kommt Griechenland aus der Rezessionsspirale gar nicht heraus, und das wird durch diesen Zickzackkurs von Papandreou und von seiner sozialistischen Partei einfach außer Acht gelassen und das ist auch nicht im Interesse Europas. Das meine ich.

    Raith: Der europäische Rahmen ist aber sehr eng gesetzt. Warum sollten Sie eine andere Lösung finden können als Papandreou?

    Antonaros: ... , weil Papandreou auch die beschlossenen Gesetze, die beschlossenen Maßnahmen gar nicht umsetzt. Das ist ein zweites Manko. Apropos Privatisierungen: Papandreou hat sich von seinem Partner, von unserem Partner zu Privatisierungen überreden lassen, bereits im Mai dieses Jahres. Bisher hat er keine einzige Privatisierung realisiert. Wir bedrängen ihn nahezu dazu und er macht nichts, weil sich das natürlich gegen die Interessen seiner eigenen Klientel richtet, und das will er nicht, das wollen seine Leute nicht. Nicht alle in der sozialistischen Partei denken so wie er, da möchte ich auch sehr massiv unterscheiden, und deswegen wird jetzt auch seine Politik infrage gestellt innerhalb seiner eigenen Partei.

    Raith: Werden Sie denn die Sparauflagen mittragen, sollte Papandreou gehen und Sie an einer Übergangsregierung beteiligt werden?

    Antonaros: Die Übergangsregierung soll aus Experten bestehen. Die Übergangsregierung soll ein konkretes Mandat haben und wir sind natürlich gegen Sparmaßnahmen, aber wir sind gleichzeitig für eine Wachstumsperspektive. Wenn sie den Leuten keine Zukunftsperspektive geben und sie ständig mit Kürzungen und neuen Steuern überhäufen, dann sind die sozialen Spannungen in Griechenland nicht mehr zu bremsen.

    Raith: Das heißt, Sie bleiben dabei, Sie sind gegen die Sparauflagen, die notwendig sind, um Griechenland vor dem Bankrott zu retten?

    Antonaros: Nein! – Nein! – Wir sind für die Sparmaßnahmen, aber sie müssen richtig eingesetzt werden, nicht nur gegen die Kleinverdiener. Das ist eben das Problem.

    Raith: ... , sagt Evangelos Antonaros, Abgeordneter der Oppositionspartei Nea Dimokratia und ehemaliger Regierungssprecher. Haben Sie vielen Dank!

    Antonaros: Ich danke Ihnen auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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