Dienstag, 16. April 2024

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Pape: Enormer Qualitätssprung am Markt

Lupo Pape, Geschäftsführer von Semantic Edge, erarbeitet in seinem Unternehmen einen Leitfaden über Qualitätskriterien für Sprachdialogsysteme. Service sei für jedes Unternehmen ein wichtiger Faktor, allerdings müsse er auch bezahlbar sein, sagte Pape. Sprachcomputer böten den Vorteil, dass sie rund um die Uhr erreichbar seien. Mit Hilfe technischer Neuerungen würden sich die Systeme gut an die Bedürfnisse der Verbraucher anpassen.

Moderation: Jürgen Liminski | 24.07.2007
    Jürgen Liminski: Beschwerden von Verbrauchern über lange Wartezeiten an Telefonhotlines häufen sich, sei es bei Krankenkassen, Ämtern oder Telefonservice-Anbietern, sind doch diese Wartezeiten oft auch mit teuren Gebühren verbunden. Verbraucherminister Seehofer will nun im Herbst ein Gesetz vorlegen, es sei denn, die Wirtschaft findet zu einer Selbstverpflichtung mit entsprechenden Qualitätsstandards. Es geht dabei nicht nur um Service, sondern um viel Geld, denn die Forderungen von Seehofer greifen direkt in unternehmerisches Handeln ein und können zusätzliche Kosten verursachen. Wie können diese Qualitätsstandards aussehen? Wer prüft die Qualität? Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich Lupo Pape, den Geschäftsführer von Semantic Edge, einem jener Unternehmen, die an einem Leitfaden über Qualitätskriterien für Sprachdialogsysteme arbeitet. Guten Morgen, Herr Pape.

    Lupo Pape: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Pape, der mündige Verbraucher, der gerne beschworen wird, scheint keine Lust mehr auf lange Warteschleifen und wenig kompetenten telefonischen Service zu haben. Die betroffenen Branchenverbände weisen allerdings immer wieder darauf hin, dass es sich bei den Beschwerden nur um schwarze Schafe und Ausnahmefälle handele. Was muss anders werden?

    Pape: Ich glaube, jeder hat schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht mit ungebetenen Anrufern oder mit langen Wartezeiten oder schlechter Bedienung im Call-Center. Was sich aber geändert hat, ist, dass sich diese schlechten Erfahrungen durch die schnelle Verbreitung in den Medien und den Nutzerforen oder auch hochfrequentierten Web 2.0-Angeboten immer schnell herumsprechen und dadurch eine Öffentlichkeit aufgebaut wird, die sich die betroffenen Unternehmen nicht mehr leisten können, wenn sie nicht weitere Kunden verlieren möchten. Jeder Kunde kann grundsätzlich wechseln, wenn ihm der Service nicht passt, denn über den Faktor Service unterscheiden sich die meisten Unternehmen heutzutage.

    Liminski: Herr Pape, Hotline-Aufgaben werden nun zunehmend automatisiert. Der Berliner Trendforscher Norbert Bolz hat unlängst die Sprache als entscheidenden Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung im Self-Service bezeichnet. Ist die Sprache überhaupt zu ersetzen?

    Pape: Ja, das ist sicherlich richtig, was Herr Bolz dort sagt. Wir wollen alle besseren Kundenservice, überhaupt keine Frage, aber er muss auch bezahlbar sein. Wenn der Preisverfall, den wir zum Beispiel im Telekommunikationsbereich in den letzten Jahren erfahren haben und der auch allen nützt und uns auch allen Spaß macht, wenn der so weitergehen soll, dann muss man sich darüber Gedanken machen, wie man den Kundenservice günstiger gestaltet. Und hier spielen eben Sprachcomputer eine ganz gewichtige Rolle. Es sind aber nicht nur die wirtschaftlichen Überlegungen, die dabei eine Rolle spielen, sondern es gibt einen natürlichen Hang zum Self-Service, der sich auch in unserer physischen Umwelt schon fast überall durchgesetzt hat bis hin zum Selbstbedienungsbäcker oder Selbstpackstation bei der Post, und dieser Trend wird sich auch im telefonischen Service durchsetzen.

    Liminski: Das heißt, die Leute bedienen sich selber, wählen sich durch sozusagen, wollen nicht mehr den Sprachcomputer hören?

    Pape: Nein, sie werden sich gewöhnen an den Sprachcomputer und werden lernen, mit ihm umzugehen und die Sprachcomputer werden auch immer stärker auf den Kunden reagieren. Natürlich, jeder kann, wenn er möchte, wechseln und auch sich an den Agenten verbinden lassen, das ist ein Zeichen von gutem Dialogdesign.

    Liminski: Was macht Sie denn so zuversichtlich, dass der Sprachcomputer von den Hotline-Anrufern wirklich akzeptiert wird?

    Pape: Für jedes Call-Center sind Sprachanwendungen sinnvolle Helfer, sie nehmen erste Informationen auf, die dann gleich an den Agenten im Call-Center übermittelt werden, oder geben bei einfachen Fragen auch abschließende Auskünfte. Künftig werden wir sicher noch weitere Bereiche sehen, in denen sich die Voice-Lösungen durchsetzen werden. Der Grund liegt darin, dass der Sprachcomputer rund um die Uhr erreichbar ist. Die Unternehmen können damit Standardprozesse an das Sprachdialogsystem übergeben und Manpower für beratungsintensivere Tätigkeiten freischaufeln.

    Liminski: Herr Pape, Sie sprechen von Voice-Lösungen, damit sind wir eigentlich bei diesen Sprachdialogsystemen. Ihr Unternehmen schafft solche Systeme, sie stehen mithin auch in der Kritik, wenn es um schlechte Sprachsteuerung geht. Mit wem erarbeiten Sie eigentlich diesen Leitfaden für die Qualitätskriterien solcher Systeme, die der Bundesminister für Verbraucherschutz fordert?

    Pape: Der entscheidende Faktor für die Nutzerfreundlichkeit der Sprachdialogsysteme ist das so genannte Voice-User-Interface, kurz VUI genannt, die Gestaltung des Dialogs.

    Liminski: Können Sie das übersetzen, ich meine, was bedeutet das?

    Pape: Das ist einfach die Sprachschnittstelle, die Gestaltung der Dialoge, der Systemansagen und auch der Spracherkennung, und da muss natürlich immer der Kunde im Zentrum der Anwendung stehen, unabhängig davon, ob der Anrufer das System zum ersten Mal nutzt oder bereits zum wiederholten Mal, er muss sich zurechtfinden können und die Informationen finden, die er benötigt. Und da gibt es von der Initiative Voice Business, das ist die Branchenvertretung der Sprachdialogindustrie, eine Qualitätsinitiative, zusammen mit dem Fraunhofer Institut, wo Richtlinien, Qualitätsstandards festgelegt werden, die verschiedene Aspekte eines Sprachdialogsystems abdeckt, darunter Qualitätsmerkmale für die Erstellung einer Sprachapplikation und für die Messung der Servicequalität.

    Liminski: Das hört sich alles sehr technisch an, wie sehen denn diese Qualitätskriterien konkret aus für den Verbraucher, der anruft? Hat der da nun eine blecherne Stimme vor sich, oder kann er sozusagen mit diesem Unbekannten, mit diesem Anonymus, reden?

    Pape: Er wird in Zukunft nicht mehr nur Tasten drücken, wie drücken Sie eins, drücken Sie zwei, er wird weitgehend frei mit dem System sprechen können und erhält Hilfe, wenn er nicht mehr weiterweiß oder wenn er auf einmal eine Fehlerkennung hat. Und diese Qualitätsstandards, die decken eben ab, wie hoch Erkennungsgenauigkeiten sein sollen, wie schnell ein Dialog durchlaufen sein sollte, an welchen Stellen welche Hilfestellungen gegeben werden sollten, eine ganze Reihe von Qualitätsmerkmalen, die jeder Entwickler nutzen kann, um beste Sprachapplikationen zu bauen. Darüber hinaus gibt es auch jährlich einen Voice Award, einen Wettkampf der besten Sprachdialogsysteme, an dem fast alle neuen Systeme teilnehmen und durch diesen Wettbewerb hat sich ein enormer Schwung, ein enormer Qualitätssprung im Markt durchgesetzt, der inzwischen sehr viel bessere, neue Systeme an den Markt kommen lässt.

    Liminski: Kann es soweit kommen, Herr Pape, dass der Verbraucher gar nicht mehr weiß, ob er nun mit einem Menschen oder einem Automaten redet?

    Pape: Ja, das ist uns auch schon passiert, dass eine Dame im System am Ende gesagt hat, herzlichen Dank, mit wem habe ich gesprochen? Es wird auch immer mehr Leute geben, die damit sehr gut umgehen können, und die Systeme werden sich immer mehr an die Erwartungen des Verbrauchers anpassen.

    Liminski: Wann kann denn der Verbraucher mit den besseren Systemen rechnen?

    Pape: In den letzten Jahren gab es einen starken Wandel und zwar getrieben durch neue Technologien, und diese Systeme haben sich schon im Markt etabliert an einzelnen Stellen, eins der innovativsten Systeme ist das bei der Sparda-Bank Hamburg oder auch bei der Dresdner Bank in Zukunft. Das heißt, es werden schrittweise neue Systeme in verschiedenen Branchen an den Markt kommen, die diese neuen Qualitätskriterien erfüllen, aber die auch eine gute Technologie haben, um das überhaupt leisten zu können. Ganz entscheidend wird aber auch der Anrufer oder der Nutzer selbst sein, der mit diesem System wird umgehen lernen müssen, und da werden es auch Massenmarktanwendungen geben. Ein Beispiel ist, dass die Firma Microsoft jetzt ein neues Betriebssystem an den Markt gebracht hat, wo Spracherkennung eines der wichtigsten Leistungsmerkmale sind, aber auch Anwendungen wie zum Beispiel ein persönlicher Assistent, ein sprachgesteuerter Begleiter, der einen in Zukunft bedienen wird, der das Telefonbuch kennt, aber auch die Kalenderfunktionen beherrscht – das werden Massenmarktanwendungen sein, die uns etwas vertrauter machen mit der Mensch-Maschine-Kommunikation.

    Liminski: Mehr und besserer Service für den Verbraucher und Nutzer von Hotlines – das war Lupo Pape, Geschäftsführer von Semantic Edge und Fachmann für moderne Sprachdialogsysteme. Besten Dank für das Gespräch, Herr Pape.

    Pape: Herzlichen Dank.