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Papierkleider für Selbstbewusste

Das erste Papierhemd soll ein japanischer Mönch aus der Not heraus gebastelt haben. In den 60ern kamen "Do-it yourself"-Kleider aus Papier für Partys in Mode, heute sind Anzüge der Spurensicherung daraus gefertigt. Die Ausstellung "Pap(i)er Fashion - Pop. Avantgarde. Asiatika" wirft einen Blick auf die Papiermode im Wandel der Zeit.

Von Helga Spannhake | 25.01.2013
    Entstanden ist die Papierkleidung im zehnten Jahrhundert - denn ein japanischer Mönch hatte ein Problem, erzählt Galerie-Stihl-Leiterin Zara Reckermann schmunzelnd:

    "Es gibt so eine kleine, ganz nette Legende, die sagt, der Mönch hatte Besuch erwartet und hatte keine saubere Kleidung mehr und deshalb hat er aus den heiligen Schriften des Buddhas sich ein Papierkleid zusammengebastelt."

    Kamiko - zu Deutsch Papierhemd - lautet der Name für diese Kleidung. Hergestellt aus Washi, einem besonders stabilen Papier aus Fasern des Papiermaulbeerstrauchs.

    "Man darf Papier nicht unterschätzen. Es kann sehr stabil sein, wie man es je nach dem behandelt oder auch benutzt."

    In den hippen 60er-Jahren eroberte der Paperdress von Amerika aus die Welt. Eigentlich ein Werbegag, denn ein Toilettenpapierhersteller schenkte seinen Kunden für gesammelte Treuepunkte ein Papierkleid, so Ausstellungskurator Stamos Fafalios:

    "Sie hatten diese Idee, die Papierkleider aus genau dem Material zu machen, aus dem auch das Toilettenpapier hergestellt wurde. Es war ein Spaß, sehr einfach gemacht. Als sie aber mehr als eine halbe Million Kleider versendet hatten, stellten sie fest, dass es einen Markt für diese Papierkleider gibt. Es gab dann die Mars Manufacturing Company, die hat im Jahr 1967 in einer Woche bis zu 80.000 Kleider produziert, weil das so in war. Also das Kleid hat ein bis acht Dollar gekostet. Das war also sehr günstig auch und da sind viele aufgesprungen auf diesen Trend."

    Und auch die Politik nutzte das, wie man in der Ausstellung an Papierkleidern mit dem Konterfei von Robert Kennedy oder dem Schriftzug Nixon sehen kann. Kleider zum Wählerstimmenfang:

    "Es war eine sehr einfache Idee: Man nahm junge, blonde schöne Amerikanerinnen mit langen Beinen, steckte sie in so ein Papierkleid und schon bekamen sie die Wählerstimme."

    Inspirationsquelle wurde in der Flower-Power-Zeit auch die Kunst: Ob Pop Art oder Op-Art - gemacht wurde, was gefällt:

    "Das Campbells-Kleid, das natürlich gleich an Andy Warhol erinnert, oder auch Universal-Picture-Kleid, auch das erinnert an Andy Warhol. Es ist nicht von Andy Warhol selbst gestaltet, aber es ist im Stile Andy Warhols gemacht."

    Und es kamen auch die ersten "Do-it yourself"-Kleider auf den Markt: Sie konnten nach Lust und Laune bemalt werden und auch das Kürzen war kein Problem: Einfach mit der Schere ein Stück abschneiden. Die Kleider, meist im simplen A-Linien-Schnitt gefertigt, wurden geklebt oder zusammengenäht und teils mit synthetischen Fasern verstärkt - aber waren stets mit dem Mut zum Risiko behaftet:

    "Das war sicher auch so ein Trend. Man ist auf eine Party gegangen und wusste nicht, bleibt das Kleid heil oder nicht. Man musste schon auf ein gewisses Selbstbewusstsein haben, um so ein Kleid tragen zu können."

    Die Ausstellung zeigt beispielhaft viele Facetten der Papiermode: Unzählige Kleider hängen an Bügeln von der Decke und an der Wand. Auf einem überdimensionalen Tisch stehen Schneiderpuppen mit übergezogenen Papierkleidern, in Vitrinen an den Tischenden werden die Papieraccessoires gezeigt. Der Schriftzug "Touch me" lädt ein zum Betasten der Kleider.

    So wirkt die Galerie Stihl wie eine bunt glänzende Modeboutique, deren Schwerpunkt auf der schrillen und bunten Mode der 60er liegt: Von James Rosenquists berühmtem Papieranzug bis hin zu Einwegunterhosen:

    "Opps, die Unterhose gibt es hier in dieser kleinen Dose, sehr nett verpackt, die man dann auf der Reise dabei haben konnte."

    Dass Ende der 60er-Jahre das Interesse an der Papiermode verebbte, hat viel mit Übersättigung und vor allem dem wachsenden Umweltbewusstsein zu tun. Denn so ein Kleid trug Frau eben oft nur einmal, bevor es im Papierkorb landete.

    Papiermode heute ist eher alltagsorientiert und wird zum Beispiel eingesetzt für Operationskleidung und in der Spurensicherung. Aber auch Modedesigner wie die Schwedin Sandra Backlund nutzen Papier immer wieder mal für ihre aktuellen Entwürfe: Ihr weißes kurzes Kleid in der Ausstellung zum Beispiel ist im Origami-Stil gefaltet und besteht aus reinem unbehandeltem Papier. Zum Anziehen werden mindestens drei Personen gebraucht, erklärt Zara Reckermann:

    "Es ist ein Röckchen unten drunter, dann hat sie eine Vorder und eine Rückseite, die eigentlich nur mit einem Band zusammen gebunden wird und das ist das Kleid."