Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Lieferengpässe
Wo und warum es Papiermangel gibt

Der Verband der gesetzlichen Krankenkassen GKV hält die geplante allgemeine Impfpflicht für nicht umsetzbar - weil nicht genug Papier für die Briefe an die Bürgerinnen und Bürger da sei. Der Branchenverband der Papierhersteller widerspricht. Doch es gibt Probleme bei Rohstoffen wie Altpapier und Zellstoff.

Von Mischa Erhardt | 21.03.2022
Fertige Paperstapel werden in einen Eisenbahnwagen verladen in einer Zellstoff- und Papierfabrik (Symbolbild)
Fertige Paperstapel werden in einen Eisenbahnwagen verladen in einer Zellstoff- und Papierfabrik (Symbolbild) (picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bodo Schackow)
Papier ist bekanntlich geduldig. So schreibt der Krankenkassenverband GKV, dass in Europa ein akuter Papiermangel herrsche, es fehle an Material für die mit einer Impfpflicht verbundenen Schreiben an die Bürgerinnen und Bürger. Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, erklärt das so: "Das wären ungefähr 120 Millionen Briefe, und da gibt es gewisse logistische Probleme. Und in der Tat auch das Thema – die Menge des verfügbaren Papiers in Deutschland. Es klingt ein bisschen kurios vielleicht, aber ist tatsächlich in dem Zusammenhang auch ein Thema."

Verband: Genug Briefpapier da

Nein, das ist es nicht, hört man bei Papierherstellern. Hier etwa beim Branchenverband Die Papierhersteller: „Also wir können das Argument der GKV nicht nachvollziehen", sagt der Sprecher des Papierindustrieverbandes, Andreas Geiger. „Wir haben von einem unserer Mitgliedsunternehmen die Auskunft bekommen, dass die in der Lage wären, die benötigte Menge an Briefpapier mit einem Vorlauf von acht Wochen zur Verfügung zu stellen. Und wie gesagt – es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, die Administrations-Papiere herstellen und liefern könnten“.
Ein Arbeiter an einer Papiermaschine (Symbolbild)
Ein Arbeiter an einer Papiermaschine (Symbolbild) (picture alliance/dpa | Christophe Gateau)
So sagte auch ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums am Vormittag, über einen akuten Papiermangel lägen ihm keine Erkenntnisse vor. Allerdings gibt es Papiermangel durchaus in anderen Bereichen. Etwa bei Druckpapieren und dort speziell beim Zeitungsdruckpapier.
„Das hängt damit zusammen, dass der stationäre Handel momentan sehr stark wirbt; mit Briefkastenwerbung auch an die Kunden heran möchte, die sich im Lockdown zurückgehalten haben. Und das Ganze trifft dann mit einer langjährigen Entwicklung zusammen, die beim Zeitungsdruckpapier auf immer weniger Verbrauch hin ausgerichtet war. Und die Hersteller haben über die Jahre natürlich auch die Kapazitäten heruntergefahren, sodass es da momentan tatsächlich zu Engpässen kommt“.

Rückläufige Produktion

Das belegen auch Zahlen aus dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden. So sei die Produktion von Druck- und Schreibpapier in den vergangenen zehn Jahren um 32 Prozent zurückgegangen. Zudem haben Lieferengpässe zu steigenden Preisen auf dem Papiermarkt geführt, unter anderem, weil die zur Papierherstellung notwendigen Rohstoffe wie Altpapier und Zellstoff sich stark verteuert haben. Aktuell hinzu kommen auch die hohen Energiepreise.
„Insgesamt ist es so, dass die Papierhersteller unter einem enormen Kostendruck stehen. Das liegt vor allem im Bereich Energie begründet: Die Gaspreise, die Strompreise sind durch die Decke gegangen, und die Hersteller versuchen das natürlich auch in ihren Produktpreisen weiterzugeben“, sagt Andreas Geiger vom Papierindustrieverband.
Zu höheren Preisen für Papier wiederum trägt auch die Tatsache bei, dass weniger hochwertiges Altpapier für die Produktion von neuem Druckpapier zur Verfügung steht. Das wiederum liegt auch daran, dass weniger hochwertiges Zeitungspapier in den Papiercontainern landet; dafür im Zuge vermehrter Online-Bestellungen umso mehr von vergleichsweise minderwertigem Cartonpapiermaterial, das sich nicht zur Herstellung von Druckpapier verwenden lässt.