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Papst Franziskus in Irland
Missbrauchsopfer warten auf richtige Worte

Papst Franziskus reist zum Weltfamilientreffen nach Dublin. Es ist der erste Papstbesuch in Irland seit fast 40 Jahren. Die Erwartungen an das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche sind hoch. Unter anderem will er Opfer sexuellen Missbrauchs treffen.

Von Jan-Christoph Kitzler | 25.08.2018
    Das Bild zeigt Papst Franziskus im Vatikan im April 2018. Er spricht in ein Mikrofon.
    Der Papstbesuch ist der Höhepunkt des Weltfamilientreffens. 750.000 Menschen kommen in die irische Hauptstadt, um dabei zu sein. (dpa-Bildfunk / ZUMA Wire / Evandro Inetti)
    Wenn Papst Franziskus in Dublin landet, dann trifft er zuerst einen auf den ersten Blick untypischen Vertreter des katholischen Irland. Leo Varadkar hat einen indischen Vater, ist katholisch aufgewachsen, aber sagt von sich, dass er keine Religion praktiziert. Und er ist bekennend homosexuell.
    Seit über einem Jahr ist Leo Varadkar Irlands Premierminister – er steht auch dafür, wie sich das Land verändert hat. Die katholische Kirche hat nicht zuletzt wegen verschiedener Missbrauchsskandale mit tausenden Opfern, die in den letzten Jahren aufgedeckt wurden, ein gewaltiges Problem, sagt der Ministerpräsident, bevor er den Papst begrüßt:
    "Die Skandale haben die Glaubwürdigkeit der Kirche natürlich beschädigt. Wenn vor 40, 50, 60 Jahren ein Gemeindepfarrer oder ein Bischof etwas gesagt hat, dann hätte es eine riesige Mehrheit der Menschen in Irland für die Wahrheit gehalten, für die moralisch richtige Sichtweise. Aber die verschiedenen Skandale haben die Glaubwürdigkeit der Kirche natürlich beschädigt."
    Schon seit Dienstag läuft das Weltfamilientreffen der katholischen Kirche in Dublin mit dem Papstbesuch als Höhepunkt. 750.000 Menschen kommen in die irische Hauptstadt, um dabei zu sein.
    "Wir brauchen eine viel weitere Definition von Familie"
    Das Treffen in Dublin ist nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen. Bei vielen Veranstaltungen in den Messehallen kommen zwangsläufig auch die harten, die schwierigen Themen vor.
    An diesem Altar im Phoenix Park in Dublin wird Papst Franziskus beim Weltfamilientreffen sprechen.
    An diesem Altar im Phoenix Park in Dublin wird Papst Franziskus beim Weltfamilientreffen sprechen. (AFP)
    Father John McDonald ist dabei, mit seiner großen Leibesfülle eine imposante Erscheinung. Eigentlich stammt er aus Belfast in Nordirland. Seit sechs Jahren leitet er eine Gemeinde im Nordwesten Dublins. Father John nimmt kein Blatt vor den Mund – schon mit der Definition von "Familie" habe die katholische Kirche ein Problem.
    "Traditionell war Familie Mutter, Vater, Sohn und Tochter. Aber wir brauchen in Irland eine viel weitere Definition. Dann müssen wir über Alleinerziehende reden, über Schwule und Lesben, die sich von solchen Veranstaltungen lange ausgeschlossen gefühlt haben. Nehmen wir die großen Probleme: Scheidung, Abtreibung, Verhütung, Homosexualität. Ees gibt eine Norm, eine Idee, Jesus ist im Evangelium ganz klar – aber wenn er es mit einzelnen Menschen zu tun hat, dann geht er einen Schritt zurück, und nimmt die Menschen an wie sie sind. Ich glaube, darin sind wir nicht besonders gut", sagt der Priester.
    "Dublin ist auch eine Chance für die Kirche"
    Immerhin kommen diese Themen in Dublin auf den Tisch. Father John hofft nur, dass die vielen Problemthemen die Freude über den Papstbesuch nicht zu sehr trüben. Und wo er schon mal in Fahrt ist, spricht der Priester noch über ein anderes, ganz grundsätzliches Problem seiner Kirche.
    "Welches andere weltweite Unternehmen – wir sind das nicht, aber man kann das vergleichen – welches andere Unternehmen sagt: Unsere Chefs sind alles Männer, unverheiratete Männer und die meisten von denen ältere, unverheiratete Männer. Das ist verrückt, wenn man darüber nachdenkt. Das ist Teil des Preises, den wir zahlen mussten. Das muss alles aufgebrochen werden", so John McDonald.
    Und die katholische Kirche muss auch die Missbrauchsfälle ernsthaft angehen, nicht nur in Irland. Das Weltfamilientreffen wird einerseits davon überschattet, andererseits ist es eine gute Gelegenheit, sagt Baroness Sheila Hollins. Die angesehene Psychiaterin gehörte der Missbrauchs-Kommission des Papstes an, berät das Gremium weiter. Papst Franziskus finde die richtigen Worte, sagt sie, aber das reicht nicht mehr.
    "Er sagt: wir wissen was wir tun müssen, aber wir tun es nicht. Er gibt den Bischöfen keine Schuld, er bittet sie und die Leitung der Kurie in Rom, Dinge zu tun. Aber nichts ist passiert. Ich glaube, dieses Treffen ist, was dieses schwierige Thema angeht, eine Chance für die Kirche, das wirklich sehr ernst zu nehmen. Nicht nur in den westlichen Ländern, sondern in der ganzen Welt. Denn das Problem gibt es überall", so Hollins.
    Papst Franziskus wird sich also auch in Dublin zum Thema Missbrauch äußern, sich äußern müssen. Opfer, Menschen die schreckliche Taten von Priestern und in katholischen Einrichtungen überlebt haben, warten darauf.