Archiv


"Papst Johannes Paul II. wird nicht zurücktreten!"

Durak: Angesichts der schweren Krankheit von Johannes Paul II. und den akuten Grippeproblemen hat die Nachfolgediskussion neuen Nahrung erhalten. Aber nicht nur das: Rücktrittsspekulationen sind wirklich öffentlich geworden und das lässt aufmerken und fragen, ob es sogar sein kann, dass Johannes Paul II. gar nicht mehr in der Lage ist, frei und selbst zu entscheiden. Am Telefon ist Erich Kusch, Vatikanexperte, zum Beispiel ehemaliger Direktor des Pressezentrums zum Heiligen Jahr. Schönen guten Morgen, Herr Kusch.

    Kusch: Schönen guten Morgen.

    Durak: Sie kennen ja den Papst auch schon etwas länger und Sie kennen ihn, wie viele, als sehr willensstarken Mann. Herr Kusch, halten Sie es für möglich, dass er nicht mehr Herr seiner Entscheidungen ist?

    Kusch: Nein. Geistig ist er ja voll da und Johannes Paul II. wird nicht zurücktreten, weil das nicht mit seinem Amtsverständnis zu vereinbaren ist. Er hat mehrmals erklärt und zuletzt 2002, die Kraft weiterzumachen ist nicht mein Problem, sondern das von Christus, der mich in dieses Amt berufen hat. Am vergangenen Sonntag beim Angulus hat er ausdrücklich erklärt, dass er auch vom Krankenhaus aus der Kirche weiter dienen wird. Dienen und Regieren ist für Johannes Paul II. die gleiche Sache. Die Kirche ist nun mal kein multinationales Unternehmen, an dessen Spitze ein Präsident steht, von dem man Gesundheit, Jugendlichkeit und Managerqualitäten verlangt. Der Papst sieht sich immer als Instrument Gottes und des Heiligen Geistes an. Im Gegenteil: Seine Krankheit, sein Parkinson betrachtet er als Passion in der Nachfolge Christi. Ihm und dem Vatikan hat er dann auch gesagt, das ist für den Vatikan keine Zeit der Krise, sondern der Gnade. Das bedeutet natürlich nicht, dass man die Endzeit dieses Pontifikates leugnen kann und Spekulationen über einen möglichen Nachfolger sind an der Tagesordnung.

    Durak: Herr Kusch, erweist Johannes Paul II. seiner Kirche wirklich einen Gefallen, wenn er bis zuletzt das Amt inne hat, selbst wenn er gegen eigene Gesetze verstößt, zum Beispiel also nicht mehr selbst das Gebet ausführen kann?

    Kusch: Nein, das ist sicher nicht der Fall. Im kanonischen Kodex des Kirchenrechtes, das übrigens von Johannes Paul II. präzisiert wurde, ist festgelegt, dass der Papst auf sein Amt verzichten kann. Für die Gültigkeit dieses Verzichtes ist es notwendig, dass er freiwillig erfolgt und ausdrücklich ausgesprochen wird. Da der Papst selbst die höchste Autorität ist, ist es natürlich nicht notwendig, dass jemand diesen Rücktritt annimmt, wie beispielsweise das Kardinalskollegium. Das päpstliche Amt erlischt in drei Fällen: einmal durch den Tod, dem ein sicherer Irrsinn, also geistige Umnachtung gleichgesetzt wird, ebenso wie ein endgültiges Koma, den freien Rücktritt und eine Häresie, das heißt, eine klare Verletzung des Glaubensgutes der katholischen Kirche. Aber das ist in diesem Fall reine Theorie.

    Durak: Ist Johannes Paul II. ein in dieser Sache zu bewundernder Mensch oder ist er starrsinnig?

    Kusch: Wie ich schon sagte, das ist sein Amtsverständnis. Er sieht sein Amt als Dienst an der Kirche und als Passion für die Kirche. Es ist gar nicht wichtig, ob der Papst deutlich sprechen kann, solange er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist und das ist er.

    Durak: Herr Kusch, die Nachfolgediskussion wird von mehreren Seiten sozusagen gefüttert. Welche Seiten sind das, wer hat die aussichtsreichsten Chancen, Übergangspapst zu werden oder einen solchen zu steuern?

    Kusch: Immer noch gilt der Spruch: qui entra in el conclave come papa ecce come cardinale, wer in das Konklave als Papst eintritt, kommt als Kardinal wieder heraus. Das heißt, sicherer Kandidaten vor dem Konklave haben meist das Nachsehen. Es gab bei Pius XII. eine Sicherheit, dass er der Papst werden würde. Aber normalerweise ist die Papstwahl auch eine Überraschung. In den letzten Tagen wurden alle möglichen Kandidaten genannt, darunter auch der deutsche Kurienkardinal Josef Ratzinger. Ich halte das für weniger wahrscheinlich, er hat zwar eine starke Stellung, aber die Tatsache, dass er Deutscher ist wird gegen ihn sprechen.

    Durak: Weshalb?

    Kusch: Das heißt, dass man keinen deutschen Kardinal zum Papst wählen wird.

    Durak: Weshalb, fragte ich. Die Gründe?

    Kusch: Die Gründe. Dass er möglicherweise als Übergangspapst genannt wird und gewählt werden wird, weil er schon ein hohes Alter hat. Aber bei den Fortschritten der Medizin ist das heute keineswegs mehr sicher.

    Durak: Weshalb kein deutscher Papst?

    Kusch: Weil die deutschen Katholiken, die deutsche katholische Kirche eine relativ kleine Kirche im Rahmen der Weltkirche ist. Darum glaube ich, dass italienische Kurienkardinäle oder italienische Kardinäle bessere Chancen haben. Aber auch südamerikanische Kardinäle, weil in Südamerika die höchste Zahl der Katholiken heute besteht.

    Durak: Herr Kusch, der Papst, den wir haben, Johannes Paul II., ist der politischste Papst den es seit Jahrhunderten gibt in der katholischen Kirche. Mit sehr, sehr großem Einfluss auch außerhalb der Kirche. Wird der kommende Papst oder die nächste Periode ähnlich gestaltet sein oder ist so etwas nicht wiederholbar?

    Kusch: Das ist sicher nicht wiederholbar. Auch ein polnischer Papst, der eine wichtige Rolle bei dem Zusammenbruch des Kommunismus gespielt hat, ist kaum mehr denkbar. Ich persönlich bin der Ansicht, dass es jetzt eine Übergangsperiode geben wird, dass eher ein farbloser Papst die Dinge in der Kirche wieder ordnen soll und dann muss man weitersehen.

    Durak: Papst Johannes Paul II. ist im Krankenhaus, es geht im besser, heißt es heute aus dem Vatikan. Erich Kusch war das, Vatikanexperte, er war zum Beispiel Direktor des Pressezentrums zum Heiligen Jahr.