Samstag, 27. April 2024

Archiv

Paragraf 219a
Ärztinnen wegen "Werbung" für Schwangerschaftsabbruch angeklagt

Auf ihrer Website hatten zwei Ärztinnen auch Schwangerschaftsabbrüche angeboten - deshalb stehen sie ab heute vor dem Kasseler Amtsgericht. Das Gericht muss nun entscheiden, ob die bloße Erwähnung eines solchen Eingriffes als ärztliche Leistung rechtswidrig im Sinne von Parafgraf 219a ist.

Von Anita Fünffinger | 29.08.2018
    Die Gynäkologin Christiane Tennhardt war in Sierra Leone, Angola und Kolumbien unterwegs. Sie betreute Mütter und Schwangere, und sie sah auch Frauen sterben, weil bei ihnen der Schwangerschaftsabbruch eben nicht fachgerecht medizinisch betreut wurde. Das müsse hier keine Frau mehr befürchten, sagt die Gynäkologin. Abtreibung ist in Deutschland zwar verboten, bleibt aber nach ganz klaren und strengen Vorgaben straffrei. So steht es im Paragraf 218. Wenn sich eine schwangere Frau zu einem Abbruch entschließt, kommt der Paragraf 219a dazu. Er verbietet - so wörtlich - Werbung für Schwangerschaftsabbrüche. Für Christiane Tennhardt heißt das übersetzt: Die Frau darf zwar abtreiben, hat aber wenig Chancen, sich ausreichend zu informieren.
    "Das ist für mich ein totaler Widerspruch. Da steckt diese Vorstellung dahinter, wenn ich nicht darüber rede, wenn ich nicht darüber schreibe, wenn ich keine Informationen preisgebe, dann machen das die Frauen nicht. Für wie blöd halten die uns eigentlich?"
    Union ist gegen die Streichung des Paragrafen 219a
    Die, das sind für Christiane Tennhardt die sogenannten Lebensschützer, die mit einem Bild von ihr samt Schriftzug "Kindsmörderin" vor ihrer früheren Praxis demonstriert haben. Die, das ist aber auch die Union, für die die Streichung des Paragrafen 219a nicht in Frage kommt. Die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Elisabeth Winkelmeier-Becker, möchte nicht, dass auf der Homepage von Ärzten als Leistungen steht: Krebsvorsorge, Ultraschall und Abtreibungen:
    "Was wir nicht wollen, dass der gerade informiert, der hinterher die Sache auch durchführt. Und wenn eben der Arzt selber sein Angebot auf andere Art und Weise veröffentlicht, zum Beispiel eben auch auf dem Weg über de Homepage, dann stellt das das schon so dar, als sei das etwas ganz normales."
    Ihr komme der Schutz des Kindes, des ungeborenen Lebens, zu kurz, sagt Winkelmeier-Becker. Im Gesetzentwurf der Grünen, der Linken und der SPD komme das Wort Kind gar nicht vor. Die Parteien sagen: Weil es darum beim Paragraf 219a auch nicht geht, sondern nur um die Information. Das ist das Stichwort für Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik in der Grünen-Bundestagsfraktion. Die Ärztinnen und Ärzte müssten raus aus der kriminellen Ecke. Schließlich sei der Paragraf 219a Teil des Strafgesetzbuches. Über das Verbot von Werbung könne man ja trotzdem reden, findet Schauws.
    Informationen müssen besser werden
    "Wenn man wirklich verhindern will, dass es irgendwelche Kliniken oder so gibt, die das als Werbung fahren könnten, um solche möglichen Fälle zu unterbinden, die auch nicht richtig vollstellbar sind, das kann man sicher auch über das Ordnungswidrigkeitenrecht oder anderswo regeln."
    Die Informationen müssen besser werden, gibt Elisabeth Winkelmeier-Becker zu. Die Frauen stünden schließlich unter Zeitdruck. Ein Abbruch ist nur bis zur zwölften Schwangerschaftswoche möglich. Sie kann sich - wie CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn auch - vorstellen, dass eine zentrale Stelle wie die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung Namen und Adressen von Abtreibungspraxen an die Frauen herausgibt. Eine Mehrheit im Parlament gibt es für diese Variante nicht. Denn die SPD setzt sich auch für eine komplette Streichung des Paragrafen 219a, die Sozialdemokraten halten sich im Moment nur mit Rücksicht auf den Koalitionspartner zurück. Das kann sich aber schnell ändern. So ähnlich war das schon einmal bei einem anderen Thema. Und plötzlich war die Ehe für alle beschlossen.