Christine Heuer: Gestern François Hollande, heute Antonis Samaras. Dem französischen Präsidenten ist heute zum Besuch im Kanzleramt der griechische Regierungschef gefolgt. Was er will, ist klar: mehr Zeit für sein Land, um aus der Krise zu kommen. Samaras schwebt da offenbar eine Zeitspanne von zusätzlich zwei Jahren vor. Die Europäer sind darüber gespalten, ob und wie weit sie diesem Wunsch nachkommen sollen, und auch in Deutschland gibt es verschiedene Meinungen dazu. Für Angela Merkel ist das eine schwierige Ausgangslage.
Wir wollen die Ausgangslage jetzt aber noch einmal vertiefen im Gespräch mit dem griechischen Wirtschaftswissenschaftler Spiridon Paraskewopoulos. Guten Tag nach Athen!
Spiridon Paraskewopoulos: Schönen guten Tag!
Heuer: Sollten die Europäer Griechenland mehr Zeit einräumen?
Paraskewopoulos: Ich meine, nein, weil es wird, weder für die Europäer, noch für Griechenland, Vorteile mit sich bringen. Die Griechen werden dann denken, aha, wie bisher, wir haben wieder Zeit bekommen, und die werden die wichtigen, sehr wichtigen strukturellen Maßnahmen nicht rechtzeitig umsetzen, wofür sie sich auch verpflichtet haben. Und ich bin der Auffassung, Griechenland kann es, die Regierung kann es, aber ich bin leider der Auffassung auch, sie will nicht, weil die Politiker sind diejenigen, die Griechenland – ich meine jetzt die Politiker, die momentan auch regieren; das sind die zwei Parteien, die die letzten 30 Jahre Griechenland regiert haben und haben Griechenland hier hergebracht, wo Griechenland momentan ist, und Europa auch. Das heißt mit anderen Worten: Ich bin der Auffassung, man muss die griechischen Politiker zwingen, das zu tun, was sie können, aber nicht wollen.
Heuer: Warum wollen sie denn nicht?
Paraskewopoulos: …, weil sie werden sich selber treffen. Sie stecken selber drin in diesem Problem. Das ist das korrupte Regierungssystem, was sie in den letzten 35 Jahren aufgebaut haben, dieses Klientelsystem mit Gabensystem an die gleichen Leute, und ich behaupte, Griechenland wird auf allen Ebenen von 5000 Familien regiert und die haben diese Privilegien. Ich bin Ökonom und ich weiß ganz genau: Wenn ich Privilegien habe, warum soll ich die freiwillig verlassen.
Heuer: Andonis Samaras, Ihr Regierungschef, hat sich aber jetzt ja aus dem Fenster gelehnt. Er garantiert den Deutschen, auch den Europäern persönlich, dass sie ihr Geld zurückbekommen. Warum können wir uns denn darauf nicht verlassen?
Paraskewopoulos: Ja, Moment! Das heißt, warum setzt er nicht die Strukturmaßnahmen um, gar keine? Das heißt bis jetzt, die wollen privatisieren, die wollen Klientelsysteme abschaffen, die wollen das und jenes, und seit zweieinhalb Jahren, seit 2010 sagen alle ja, aber bis jetzt ist nichts getan worden. Warum soll das in den nächsten sechs oder sieben oder acht Monaten geschehen, wenn sie wieder Geld bekommen?
Heuer: Was glauben Sie, warum fallen die Europäer aus Ihrer Sicht immer wieder auf Griechenland rein?
Paraskewopoulos: Ja, gut! Ich meine, man darf auch nie vergessen, und ich bin nicht einer von denjenigen, der sagt, Europa ist nur eine ökonomische Geschichte. Europa ist auch eine Idee und ich finde es auch gut, dass die Griechen dabei sein sollen, und die sollen auch dabei bleiben. Nebenbei kann ich auch sagen, selbst wenn Griechenland Pleite macht, zahlungsunfähig wird, rechtlich müssten sie nicht aus der Eurozone ausscheiden. Muss nicht! Das werden die Europäer und die Griechen dann spüren, aber Griechenland muss nicht raus. Warum eigentlich? Es gibt auch keine Regelung, die Griechenland rausbringt. Und die Europäer wollen, dass Griechenland dabei bleibt, und ich auch. Nur die Griechen müssen lernen, sie gehören zu einem Club, der auf Solidarität basiert, aber nicht Solidarität allein reicht aus, sondern auch Subsidiarität. Subsidiarität heißt, was der Einzelne kann, muss er bringen, und die Griechen haben das, was sie können, bis jetzt nicht gebracht.
Heuer: Sie finden die Europäer zu weich. Wenn die Europäer Griechenland doch noch mehr Zeit geben, welche Gegenleistung sollten sie dann verlangen von Griechenland?
Paraskewopoulos: Von den Griechen?
Heuer: Ja.
Paraskewopoulos: Ja, was heißt Gegenleistung? Die müssen die Strukturmaßnahmen umsetzen. Und das ist das Wichtigste für mich ist nicht das Haushaltsproblem, ist nicht sozusagen das Fiskalproblem im Vordergrund, sondern die strukturellen Probleme. Das griechische politische System muss von der Basis her total umorganisiert werden, und diese Politiker wollen es nicht, weil diese Politiker haben dieses System so konstruiert, damit sie ihre Vorteile haben und ihre Klientel, und deshalb kämpfen die auch so und versuchen, die Europäer permanent zu täuschen, beziehungsweise bis jetzt haben die nichts realisiert. Warum sollen sie ab jetzt was realisieren, warum?
Heuer: Dann schauen wir mal, was Angela Merkel Andonis Samaras heute mit auf den Weg gibt. Das war der griechische Wirtschaftswissenschaftler Spiridon Paraskewopoulos im Interview mit dem Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen.
Paraskewopoulos: Ich danke Ihnen auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Wir wollen die Ausgangslage jetzt aber noch einmal vertiefen im Gespräch mit dem griechischen Wirtschaftswissenschaftler Spiridon Paraskewopoulos. Guten Tag nach Athen!
Spiridon Paraskewopoulos: Schönen guten Tag!
Heuer: Sollten die Europäer Griechenland mehr Zeit einräumen?
Paraskewopoulos: Ich meine, nein, weil es wird, weder für die Europäer, noch für Griechenland, Vorteile mit sich bringen. Die Griechen werden dann denken, aha, wie bisher, wir haben wieder Zeit bekommen, und die werden die wichtigen, sehr wichtigen strukturellen Maßnahmen nicht rechtzeitig umsetzen, wofür sie sich auch verpflichtet haben. Und ich bin der Auffassung, Griechenland kann es, die Regierung kann es, aber ich bin leider der Auffassung auch, sie will nicht, weil die Politiker sind diejenigen, die Griechenland – ich meine jetzt die Politiker, die momentan auch regieren; das sind die zwei Parteien, die die letzten 30 Jahre Griechenland regiert haben und haben Griechenland hier hergebracht, wo Griechenland momentan ist, und Europa auch. Das heißt mit anderen Worten: Ich bin der Auffassung, man muss die griechischen Politiker zwingen, das zu tun, was sie können, aber nicht wollen.
Heuer: Warum wollen sie denn nicht?
Paraskewopoulos: …, weil sie werden sich selber treffen. Sie stecken selber drin in diesem Problem. Das ist das korrupte Regierungssystem, was sie in den letzten 35 Jahren aufgebaut haben, dieses Klientelsystem mit Gabensystem an die gleichen Leute, und ich behaupte, Griechenland wird auf allen Ebenen von 5000 Familien regiert und die haben diese Privilegien. Ich bin Ökonom und ich weiß ganz genau: Wenn ich Privilegien habe, warum soll ich die freiwillig verlassen.
Heuer: Andonis Samaras, Ihr Regierungschef, hat sich aber jetzt ja aus dem Fenster gelehnt. Er garantiert den Deutschen, auch den Europäern persönlich, dass sie ihr Geld zurückbekommen. Warum können wir uns denn darauf nicht verlassen?
Paraskewopoulos: Ja, Moment! Das heißt, warum setzt er nicht die Strukturmaßnahmen um, gar keine? Das heißt bis jetzt, die wollen privatisieren, die wollen Klientelsysteme abschaffen, die wollen das und jenes, und seit zweieinhalb Jahren, seit 2010 sagen alle ja, aber bis jetzt ist nichts getan worden. Warum soll das in den nächsten sechs oder sieben oder acht Monaten geschehen, wenn sie wieder Geld bekommen?
Heuer: Was glauben Sie, warum fallen die Europäer aus Ihrer Sicht immer wieder auf Griechenland rein?
Paraskewopoulos: Ja, gut! Ich meine, man darf auch nie vergessen, und ich bin nicht einer von denjenigen, der sagt, Europa ist nur eine ökonomische Geschichte. Europa ist auch eine Idee und ich finde es auch gut, dass die Griechen dabei sein sollen, und die sollen auch dabei bleiben. Nebenbei kann ich auch sagen, selbst wenn Griechenland Pleite macht, zahlungsunfähig wird, rechtlich müssten sie nicht aus der Eurozone ausscheiden. Muss nicht! Das werden die Europäer und die Griechen dann spüren, aber Griechenland muss nicht raus. Warum eigentlich? Es gibt auch keine Regelung, die Griechenland rausbringt. Und die Europäer wollen, dass Griechenland dabei bleibt, und ich auch. Nur die Griechen müssen lernen, sie gehören zu einem Club, der auf Solidarität basiert, aber nicht Solidarität allein reicht aus, sondern auch Subsidiarität. Subsidiarität heißt, was der Einzelne kann, muss er bringen, und die Griechen haben das, was sie können, bis jetzt nicht gebracht.
Heuer: Sie finden die Europäer zu weich. Wenn die Europäer Griechenland doch noch mehr Zeit geben, welche Gegenleistung sollten sie dann verlangen von Griechenland?
Paraskewopoulos: Von den Griechen?
Heuer: Ja.
Paraskewopoulos: Ja, was heißt Gegenleistung? Die müssen die Strukturmaßnahmen umsetzen. Und das ist das Wichtigste für mich ist nicht das Haushaltsproblem, ist nicht sozusagen das Fiskalproblem im Vordergrund, sondern die strukturellen Probleme. Das griechische politische System muss von der Basis her total umorganisiert werden, und diese Politiker wollen es nicht, weil diese Politiker haben dieses System so konstruiert, damit sie ihre Vorteile haben und ihre Klientel, und deshalb kämpfen die auch so und versuchen, die Europäer permanent zu täuschen, beziehungsweise bis jetzt haben die nichts realisiert. Warum sollen sie ab jetzt was realisieren, warum?
Heuer: Dann schauen wir mal, was Angela Merkel Andonis Samaras heute mit auf den Weg gibt. Das war der griechische Wirtschaftswissenschaftler Spiridon Paraskewopoulos im Interview mit dem Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen.
Paraskewopoulos: Ich danke Ihnen auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.