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Paris
Die Last mit den Liebesschlössern

In immer mehr Städten machen sich die Liebesschlösser breit. Verliebte hängen sie an Brückengeländer, um sich ewige Treue zu schwören. In Paris ist ein Geländerteil der Pont des Arts unter der tonnenschweren Liebeslast zusammengebrochen. Jetzt muss die Stadt handeln, will aber nicht auf das Geschäft mit den Liebestouristen verzichten.

Von Katja Petrovic | 23.06.2014
    Verschiedene Vorhängeschlösser hängen dicht an dicht am Geländer der Brücke Pont des Arts in Paris. Unzählige Paare erhoffen sich ewige Treue, indem sie ein Schloss aufhängen.
    Viele "Liebesschlösser" hängen am Geländer der Brücke Pont des Arts in Paris. (dpa / picture alliance / Klara Fröhlich)
    Paris ist die Stadt der Liebe. In Horden pilgern Verliebte auf die Pont des Arts, die das linke Seine-Ufer mit dem Louvre verbindet, um dort ihr Liebesschloss anzubringen. Das Brückengeländer ist längst hinter dreireihigen Schlosswülsten verschwunden, 93 Tonnen soll die einst zierliche Brückenschönheit in den letzten sechs Jahren zugelegt haben. Architekten warnten vor dem Übergewicht, eine Anti-Schloss-Kampagne wurde gestartet, doch die Liebe war stärker als die Vernunft. Zwar wurden regelmäßig Schlösser entfernt, doch offenbar nicht genug: Krachend brach am 8. Juni ein Geländerteil zusammen. Ist das das Aus für die Liebesschlösser? Nein, erklärt Paris' stellvertretender Bürgermeister Bruno Julliard, denn:
    "Es würde nichts bringen, sie zu verbieten, weil die jungen Paare die Schlösser wahrscheinlich woanders anhängen werden, sie tun das ja schon, am Eiffelturm sieht man jetzt welche und andernorts in Paris auch. Wir werden also in den nächsten Monaten an einer ästhetischen und ökologischen Alternative arbeiten, und haben dafür Künstler aus aller Welt aufgerufen, uns zu helfen."
    Doch wie bei den meisten Liebesproblemen kann es dauern, bis eine Lösung gefunden wird. Bis dahin wird einfach weitergemacht wie bisher und über die Zukunft der Schlösser spekuliert:
    "Ok, das Geländer ist eingestürzt, aber unsere Erinnerung an diesen Moment bleibt intakt. Sie wollen die Schlösser jetzt irgendwo lagern, um sie später in einem Liebesschloss-Museum auszustellen, damit man zurückkommen und das Schloss finden kann, das man damals an die Brücke gehängt hat."
    Was ist nur aus der Liebe geworden? "Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht", hieß es doch. Heute jedoch scheinen junge Paare ihre Hoffnung auf das ewige Glück an billige Metallschlösser zu hängen. Sextherapeut Jean-François Gervet erklärt das so:
    "Je mehr die Herzen fliegen, desto mehr muss man sie symbolisch mit Schlössern anketten. Aber das ist vielleicht auch ein Ritual der Verzauberung, man wirft den Schlüssel weg, da gibt's kein Zurück mehr, die Liebe, die wir an die Pont des Arts hängen, ist ewig, niemand kann sie zerstören, außer die Stadt Paris, wenn sie die Schlösser entfernt, und die Leute wissen das, aber das ist ihnen egal, denn die Geste zählt. Man verspricht sich eine ewige Liebe, an die man selbst nicht glaubt."
    Das Geschäft mit den Liebesschlössern floriert
    Die Lust am Selbstbetrug also ist es, die das Geschäft mit den Liebesschlössern florieren lässt und darauf will Paris unter keinen Umständen verzichten. Seit Jahren tobt ein Krieg zwischen den Bouquinisten, den Buchhändlern am Fuße der Brücke, die die Schlösser offiziell verkaufen dürfen, und den fliegenden Händlern, die ihre Vorräte - jene Symbole reinster Liebe- ausgerechnet unter Gullideckeln verstecken und wehe, es kommt ihnen dabei jemand in die Quere. Buchhändler Pierre Jouillet:
    "Sie geben hier den Ton an, wenn wir auf die Brücke gehen, zögern sie nicht, zuzuschlagen. Das ist fast eine Mafia, und keiner kontrolliert das. Polizisten sieht man selten, ich verstehe ja, dass sie Besseres zu tun haben. Anne Hidalgo, Paris' neue Bürgermeisterin und ihr Stellvertreter Bruno Julliard setzen alles daran, um die Verliebten nicht zu verprellen.
    "Seit Anne Hidalgo angekündigt hat, dass sie eine Alternative zu den Liebesschlössern sucht, haben wir viele Vorschläge von Künstlern bekommen: Man könnte an den Enden der Brücken zum Beispiel extra Skulpturen für die Schlösser aufstellen. Und warum sollten nicht auch neue Technologien zum Einsatz kommen, damit sich die Paare Nachrichten übermitteln können, die dann irgendwo in Paris zu lesen sein werden. An Ideen fehlt es uns also nicht."
    Verliebte aus aller Welt dürfen also aufatmen, denn:
    "Eins ist sicher, mit Anne Hidalgo wird Paris die Hauptstadt der Liebe bleiben."
    Genauso, wie es ihr Vorgänger Betrand Delanoë versprochen hatte."