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Parlamentswahl in Belgien
Die Hoffnung der flämischen Nationalisten

Am 26. Mai wählt Belgien nicht nur Europaabgeordnete, sondern auch die Abgeordneten des föderalen Parlaments. Die flämisch-nationalistische N-VA gibt sich geläutert, allerdings sieht sich auch der rechtsextreme Vlaams Belang im Aufwind.

Von Burkhard Birke | 22.05.2019
Ein Wahlplakat für die Partei Nieuw-Vlaamse Alliantie mit dem Spitzenkandidaten Jan Jambon.
Im Wahlkampf präsentiert sich die N-VA als wirtschaftsliberale und proeuropäische Kraft. (Deutschlandradio / Burkhard Birke)
Auf dem Marktplatz von Wuustwezel, einer 20.000 Einwohnergemeinde an der niederländischen Grenze, parkt die mobile Radiostation des Vlaams Belang.
Der frühere Parteichef Filip Dewinter tourt durch das platte Land und interviewt Parteifreunde für das Online-Radio der extrem nationalistischen Partei.
"Wir sind die einzige Partei, die ein unabhängiges Flandern will, und die einzige Partei, die die Belange von unseren Leuten verteidigt. Wir wollen keine neue Einwanderung mehr."
Ungeachtet des Skandals um die FPÖ in Österreich hofft der Vlaams Belang, von der wachsenden Euroskepsis und dem allgemeinen Rechtsruck in Europa profitieren zu können. Zudem will Vlaams Belang den jährlichen sechs Milliarden Euro Transfer von Flandern nach Wallonien stoppen:
"Die letzte Umfrage gibt uns schon 15, 16 Prozent. Mein Vlaams Belang wird die große Revelation dieser Wahl in Belgien, aber dasselbe sollte in ganz Europa passieren."
Der Wandel der flämischen N-VA
Hat Dewinter da die Rechnung ohne die Nieuw-Vlaamse Alliantie, die N-VA gemacht? Punkt eins des Parteiprogramms ist zwar auch die Unabhängigkeit Belgiens. Die N-VA präsentiert sich jedoch eher als wirtschaftsliberale, proeuropäische Kraft. Bis zum Eklat über den UN Migrationspakt letzten Dezember war die stärkste Partei Flanderns sogar an der belgischen Regierung beteiligt. Jetzt strebt die N-VA nach Machterhalt in Flandern an der Spitze einer Koalition ohne die radikalen Separatisten des Vlaams Belang - und nach dem Amt des belgischen Premierministers.
"Das ist eine ziemlich schizophrene Situation. Die N-VA präsentiert mit Jan Jambon jetzt einen Kandidaten für das Amt des belgischen Premierministers. Jan Jambon war aber stets ein flämischer Nationalist und ein ziemlich radikaler Befürworter der flämischen Unabhängigkeit."
Beim Politologen Dave Sinardet von der Vrije Universiteit Brussel löst diese Vorstellung Kopfschütteln aus. Kandidat Jan Jambon freilich gibt sich pragmatisch:
"Ich glaube, die Unabhängigkeit von Flandern, das ist eine Vision von langem Termin. Wir wissen, es hat keine Mehrheit heute, nicht in Flandern und sicher nicht in Belgien. Wir sind eine demokratische Partei. Wir kommen mit einem Programm, das realistisch ist: Konföderalismus für Belgien."
Dass die N-VA mit knapp einem Drittel der Wählerstimmen stärkste Kraft im bevölkerungsreicheren Flandern und damit in ganz Belgien wird, gilt als wahrscheinlich. Die aus Burkina Faso stammende Assita Kanko als Kandidatin für Europa, Michael Freilich, Ex Chefredakteur der jüdischen Zeitschrift Joods Actueel in Antwerpen, als Kandidat für die Abgeordnetenkammer: In diesem Wahlkampf ist die N-VA bemüht, sich deutlich vom als rassistisch eingestuften Vlaams Belang zu distanzieren. Für die Kollaboration bei der Judendeportation in der Nazizeit hat sich Parteichef Bart De Wever, der Bürgermeister von Antwerpen, entschuldigt. Auch für weniger eingefleischte Separatisten ist die N-VA wählbar geworden:
"Weil es die einzige Möglichkeit ist, um wieder die richtige Politik zu machen. Und es ist ganz wichtig, dass wir wieder ein Land werden, wo es gut wird zu unternehmen."
Grüne wollen Nationalisten stoppen
"Das Programm der "N-VA" sei gut, das vom Vlaams Belang sei besser", meint indes dieser Wähler, der aber vor allem eines befürchtet. Dass es
"zu einer grün-linken Front aus Wallonien und auch Flandern gegen die rechten Kräfte der flämischen Nationalisten kommt."
Groen-Vorsitzende Meyrem Almaci
Meyrem Almaci, Vorsitzende der Grünen in Flandern (Deutschlandradio / Burkhard Birke)
Groen-Chefin Meyrem Almaci:
"Die Mehrheit will dieses Land nicht teilen, die Menschen mögen die N-VA, solange sie ihre rechte Politik im Trump-Stil macht, indem sie etwa die Grünen als Steuertreiber bezeichnet und somit von ihren eigenen Problemen ablenkt."
Groen-Chefin Meyrem Almaci hofft, den Vormarsch der flämischen Nationalisten zu bremsen. Die Klimadebatte ist buchstäblich Wasser auf die Mühlen der Ökologiepartei. Und: Sie hat eindeutig die Migrationsfrage sowie die Forderung nach Unabhängigkeit Flanderns in diesem Wahlkampf in den Hintergrund gedrängt.