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Parlamentswahl in Griechenland
Konservative hoffen auf absolute Mehrheit

Laut Umfragen haben die Konservativen bei der Parlamentswahl in Griechenland gute Chancen, sich mit großer Mehrheit als künftige Regierungspartei durchsetzen. Sie wollen vor allem die Wirtschaft wieder ankurbeln. Regierungschef Alexis Tsipras muss laut Prognosen mit einer Niederlage rechnen.

Von Michael Lehmann |
Der Kandidat der Nea Dimokratia Partei, Kyriakos Mitsotakis, in einem Meer von griechischen Flaggen am 4. Juli 2019 bei einer Wahlkamfveranstaltung in Athen.
Kyriakos Mitsotakis von der konservativen Partei Nea Demokratia hat gute Chancen bei der Parlamentswahl (picture alliance / Lefteris Partsalis)
Rote Rosen für Alexis Tsipras – als der griechische Regierungschef heute seine Stimme in einem Athener Wahlbüro abgab, haben ihm vor allem Frauen auf den letzten Metern alles Gute gewünscht. Tsipras weiß, dass ihm die Meinungsforscher keine Chance auf einen Wahlsieg mit seiner Syriza-Partei geben und er strahlt und lächelt trotzdem im blütenweißen Hemd:
"Es ist ein kritischer Kampf, den wir mit Optimismus und Entschlossenheit bis zur letzten Minute ausgetragen haben. Damit die Opfer und Anstrengungen des griechischen Volkes nicht verschwendet werden, damit der Kurs des Landes weiter voranschreitet."
Konservative Wähler hoffen auf bessere Zeiten
Der Mann, den die Meinungsforscher als neuen griechischen Ministerpräsidenten eigentlich schon fast gewählt haben, er wurde anders als Tsipras lautstark bejubelt heute Vormittag. Er kam zur Wahlurne durch ein ganzes Menschenmeer von Anhängern nur langsam voran. Kyriakos Mitsotakis, der Chef der konservativen Partei Nea Demokratia. Er hatte gestern beim Pressetreff mit Auslandskorrespondenten gestanden, dass er eigentlich am Ende dieses Wahlkampfes doch sehr müde sei. Heute zur Stimmabgabe auch er – im frischen, weißen Hemd, mit stolzem Blick:
"Heute nehmen die Griechen das Schicksal des Landes in die Hand und ich bin mir sicher, dass morgen ein besserer Tag für das Land anbricht. Gute Abstimmung für alle."
Ob die Konservativen bei der heutigen Parlamentswahl tatsächlich so viele Stimmen bekommen, dass es zur alleinigen Regierungsmacht ohne Koalitionspartner reicht, ist noch unklar. Dies hängt auch davon ab, wie viele andere kleinere Parteien ins Parlament einziehen werden und damit Stimmen binden und wie sehr die Syriza-Partei tatsächlich Stimmen verlieren wird. Giorgos Tsampalou, ein konservativer Wähler im Athener Stadtteil Kolonaki, ist sich sicher, dass es mit der absoluten Mehrheit klappen wird:
"Ich erwarte einen Wechsel, einen ganz starken Wechsel. In die liberale Richtung. Es wird das Ende sein einer sehr schlechten Zeit für Griechenland – manches mit unseren Geldgebern wird von der Nea Demokratia sicher neu verhandelt und akzeptiert werden. Und das bringt Griechenland eine großartige Zukunft".
Alle Parteien hoffen, dass die Wahlbeteiligung an diesem Sonntag etwas höher als bei der letzten Parlamentswahl 2015 sein wird – damals hatten etwas mehr als 56 Prozent der rund zehn Millionen wahlberechtigen Griechen abgestimmt. Odysseas Koumatos, Wahlleiter im Wahllokal in einer Athener Grundschule denkt, dass diesmal auch viele ältere Wähler wissen, in welches Wahl-Lokal sie kommen müssen:
"Weil viele älteren Leute nicht im Computer nachschauen können, können sie diesmal sehr viel Telefon-Hotlines anrufen, wo sie erfahren, wo und wie genau sie abstimmen dürfen. Da kann man über die Nummer des Innenministeriums anrufen oder wenn da besetzt ist eine von vielen privaten Anbietern, die den Auskunftsservice auch anbieten."
Ausländische Investoren sollen Wirtschaftswachstum ankurbeln
Wenn sich, wie die Prognosen sehr eindeutig sagen, tatsächlich die Konservativen mit großer Mehrheit als künftige Regierungspartei durchsetzen, werden sie, wie versprochen, schnell an ihre Hauptaufgabe gehen müssen – den Kuchen für alle Griechen größer zu machen, wie sie das im Wahlkampf formulierten. Ein starkes Wirtschaftswachstum soll vor allem durch ausländische Investoren befeuert werden.
Dass in diesem Punkt auch schon die linke Syriza-Partei in den vergangenen Jahren Erfolge hatte, scheint für die Mehrheit der Griechen bei ihrer Wahlentscheidung keine Rolle zu spielen. Ioannis, ein 41-jähriger obdachloser Athener, der während der Syriza-Regierungszeit seine Arbeit und seine Wohnung verloren hat, erklärt in einem Park in der Athener Innenstadt –warum er auf gar keine der beiden großen Parteien vertrauen will:
"Es ist nicht nur, dass Du kein Geld hast oder keine Arbeit. Du fühlst Dich auch von Tag zu Tag mehr abgetrennt von den Möglichkeiten, die andere haben. Du findest niemanden zum Kaffee trinken. Keine Leute, um sich ganz normal zu unterhalten. Denn wenn sie dich so sehen, wie ich jetzt aussehe, dann danken sie erst mal ihrem Schicksal oder ihrem Gott oder was weiß ich, dass es sie nicht erwischt hat. Und du bist somit ganz allein mit dir."
Mit gut 18 Prozent Arbeitslosigkeit ist Griechenland immer noch Schlusslicht in Europa. Es wird die große Aufgabe für die neue griechische Regierung sein, der griechischen Bevölkerung neue Lösungen im Kampf gegen die Krise anzubieten – sonst dürfte auch unter den konservativen Wählern die in den letzten Wochen spürbare Euphorie schnell verblassen.