Das "andere" Island hat einen Namen: Birgitta Jónsdóttir, Gründerin der isländischen Piraten, Internetaktivistin und vor allem Ikone der Anti-Establishment-Bewegung. Ihre Partei lag gleich nach den "Panama Papers" in Umfragen bei bis zu 40 Prozent der Stimmen.
Dann kamen die Fußball-Europameisterschaft und der berauschende Erfolg des isländischen Teams. Leute, die sich vorher kaum noch angeguckt hatten, lagen sich plötzlich in den Armen und das hatte Folgen für die Piraten. Sie sind auf knapp 22 Prozent zurückgefallen, wären aber noch immer die zweitstärkste politische Kraft.
Kampf gegen Filz und Vetternwirtschaft
Jónsdóttir erläutert die wichtigsten Ziele: eine neue Verfassung auf den Weg bringen, die es bisher nur als Entwurf gibt, der von den Isländern zwar abgenickt, von der Politik bisher aber ignoriert worden ist; das Gesundheitssystem verbessern und dann natürlich der Kampf gegen Filz und Vetternwirtschaft:
"Wir haben es mit einer ethischen Krise zu tun. Das sieht man an der Art, wie hier mit dem gegenwärtigen Tourismusboom umgegangen wird. Der geht zu Lasten vieler und es gibt keine Gesetze, die dem Grenzen setzen. Das hat unsere Infrastruktur geschwächt und zu einer weiteren Korruptionswelle geführt, etwa beim am schnellsten wachsenden Unternehmen des Landes."
"Unabhängige" wieder knapp vor den Piraten
Damit meint sie den Flughafen Keflavik und nennt als Beispiel gern den Bus-Service von dort in die Hauptstadt und zurück. Die Firma, die diesen Transport exklusiv anbietet, unterhält laut Jónsdóttir enge Beziehungen zum Finanzminister. Er heißt Bjarni Benediktsson, war eine der in den "Panama Papers" erwähnten Figuren und gehört zur konservativen Unabhängigkeitspartei, die bisher zusammen mit der liberalen Fortschrittspartei von Ex-Premier Gunnlaugsson regiert hat. Gunnlaugsson war über die "Panama Papers" gestolpert und ist erst vor kurzem als Parteichef abgewählt worden.
Das Problem dabei trotzdem: Während die Fortschrittspartei bei den Wahlen wohl keine große Rolle mehr spielen wird, liegen die "Unabhängigen" sogar wieder knapp vor den Piraten. Die lehnen aber jede Zusammenarbeit mit den "Etablierten" ab: "Fortschrittspartei und die Unabhängigen kommen für uns nicht in Frage. Denn wir wollen die auf Island blühende Korruption bekämpfen, mit der diese Parteien in Verbindung gebracht werden. Wir müssten also mit Leuten zusammenarbeiten, die für etwas stehen, das wir ein für alle Mal beenden wollen."
"Etablierte" versprechen den Isländern ein "Weiter so"
Wenn es doch noch zu einer Koalition unter Führung der Piraten käme, dann dürfte das ein links-grünes Bündnis werden und eher wackelig sein. Das wissen die "Etablierten" und versprechen den Isländern ein "Weiter so", schön verpackt als Stabilitäts- und Wachstumsgarantie. Ihre simple Botschaft: Piraten bringen alles ins Rutschen, wir bieten Sicherheit.
Und das scheint vor allem außerhalb der Hauptstadt Reykjavik durchaus anzukommen. Niemand spürt das mehr als die Piraten natürlich, die es in den kleinen Dörfern so viel schwerer haben als in der Hauptstadt. Alfa Eymarsdóttir ist eine von ihren Kandidaten:
"Die Leute haben Angst vor Veränderungen. Sie haben Angst um ihre Jobs. So war das hier schon immer. Isländer sind im Herzen nun einmal konservativ und sie wollen, dass alles bleibt, wie es ist."