
Es sind Bilder von der Facebook-Seite der Partei. Offiziell knapp 1,8 Millionen Kosovaren werden an diesem Sonntag an die Urnen gerufen, um ein neues Parlament zu wählen. Prognosen zufolge könnte Kurtis Partei die stärkste Kraft werden, sagt Florian Bieber, Leiter des Zentrums für Südosteuropastudien an der Universität Graz.
"Verschiedenste Meinungsumfragen in den letzten Wochen deuten darauf hin, dass Vetevendosje zwischen 40 und 50 Prozent der Stimmen bekommen könnte. Wie zuverlässig die Umfragen sind, ist jetzt dahingestellt, aber es ist eindeutig die Tendenz, dass die Partei, die also bei den letzten Wahlen etwa ein Viertel der Stimmen bekam, jetzt eben knapp unter der absoluten Mehrheit liegen könnte. Und das liegt sehr stark daran, dass die etablierten Parteien alles versucht haben, diese Partei von der Macht zu halten. Also mit allen Mitteln das durchgesetzt haben. Und das hat, glaube ich, ein sehr großes Misstrauen in der Bevölkerung geschaffen."

Das zentrale Problem des Kosovo: Vetternwirtschaft und alte Seilschaften
"Ich glaube, man kann sagen, dass es eine große Unzufriedenheit gibt unter dem Großteil der Bevölkerung im Kosovo. Und dass es halt viele gibt, die vielleicht nicht so leicht ausbrechen können aus dem Beziehungsgeflecht zu den alten Parteien und jene, die diesen Bruch eher unternehmen können. Das sind gerade Jüngere. Das sind auch gerade jene, die vielleicht ihren Arbeitsplatz nicht den Kontakten und Beziehungen zu den alten Parteien, die das System lange dominiert haben, verdanken, und die natürlich den Job bekommen haben, weil sie im öffentlichen Dienst arbeiten und Parteimitglieder sind. Die sind natürlich dann relativ unaufgeschlossen gegenüber Veränderungen."

"Wir waren ziemlich lange an der Macht, und wenn man lange an der Macht ist und wenn man dann auch eine Rolle hat, wie wir gehabt haben, dass wir einen Staat von Grund auf aufgebaut haben. Natürlich wird man für alles schuldig gemacht, aber das ist gar nicht wahr."
Trotzdem wolle die Partei jetzt alles daransetzen, für Rechtstaatlichkeit zu sorgen, so Hoxhaj.
"Wir haben einen ganz konkreten Plan, wie man es machen wird im Sinne, dass wir das Justizsystem unterstützen werden, und dass wir auch bestimmte Gesetze im Parlament verabschieden werden. Diejenigen Leute, die es geschafft haben, durch Korruption reich zu werden, deren Eigentum einfach zu beschlagnahmen."
Der PDK wird auch vorgeworfen, sie habe unter ihrem Vorsitzenden Thaci den Staatsapparat des kleinen Landes unnötig aufgebläht, um Parteifreunde und ihre Angehörigen mit Posten zu versorgen. Bei Wahlen werde versucht, von diesen Menschen Loyalität einzufordern, erläutert der Kosovo-Experte Florian Bieber.
"In einer Umfrage, die ich mit einem Team vor wenigen Monaten organisiert habe, sagen viele Kosovaren, dass sie glauben, dass es Einflussnahme gibt, in erster Linie durch Arbeitsplatz-Versprechen. Also das ist das größte Problem, dass einem ein Arbeitsplatz angeboten wird, wenn man loyal ist und der Verlust angedroht wird, wenn man öffentlich für die Opposition eintritt. Sie werden letztendlich nicht das Wahlergebnis nachhaltig verändern. Aber man kann nicht sagen, dass die Wahlen in perfekten Umständen durchgeführt würden."
"Kosovo hat Elemente eines besetzten Staates, aber in den Köpfen und Herzen der Menschen hat sich etwas Großartiges verändert, das sich in den kommenden Wahlen am 14. Februar niederschlagen muss. Die Wahlen sind nicht weniger als ein Referendum zwischen der alten Garde und den neuen Politikern. Dafür haben wir uns mit Frau Präsidentin Vjosa Osmani zusammengetan. Wir kandidieren auf einem Ticket mit den zwei J: Jobs und Justice."
Der Konflikt zwischen Serben und Albanern
Die Stadt Mitrovica im Norden des Kosovo. Ein kleiner Fluss trennt die Stadt in zwei Hälften. Eine ehemals weiße Brücke verbindet den Norden mit dem Süden. Die Brücke ist ein Symbol für den Konflikt zwischen Serben und Albanern. Denn nördlich des kleinen Flusses leben Serben, im Süden Albaner. Im Krieg wurde die Brücke zerstört, kurz danach neu aufgebaut und lange von der NATO-Schutztruppe KFOR bewacht. Beide Gruppen, Albaner und Serben, eint dieselbe Sorge: Jobs.
Mitrovica ist als Großstadt die ärmste Großstadt im Kosovo, sagt Muhamet Idrizi vom Kulturverein Ora. Idrizi kommt aus Mitrovica, lebt in Hamburg, ist Lehrer und promoviert im Bereich internationale und vergleichende Bildungsforschung. Der Rest seiner Familie wohnt in der geteilten Stadt.
"Man hofft auf eine Verbesserung. Schaut sich natürlich ganz genau die politische Situation an, die Verhältnisse. Was die Arbeitslosigkeit angeht, was die Jugendarbeitslosigkeit angeht, was die administrative Verwaltung angeht, ist katastrophal."
2019 war jeder vierte Kosovare arbeitslos, bei den 15- bis 24-Jährigen war es fast jeder zweite. Und die Bevölkerung des Kosovo ist sehr jung. Es müsse endlich vorbei sein, dass sich Menschen im Kosovo illegal bereichern, öffentliches Geld in ihre Familien und Parteien umlenken, sagt Muhamet Idrizi.
"Im Kosovo haben wir gerade oft den Slogan in der jungen Bevölkerung, die sagen, wir sind nicht arm, sondern wir wurden beraubt, oder wir wurden ausgebeutet von den eigenen Politikern."
Der Konflikt mit dem Nachbarland Serbien kommt noch erschwerend hinzu. Viele Serben betrachten Kosovo nach wie vor als ihr "Stammland". Serbien hat das Kosovo nicht als Staat anerkannt. Der Konflikt hat auch 13 Jahre nach der Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien immer noch das Potenzial, die Politik in Prishtina zu beeinflussen, ja sogar die Regierung zu stürzen.
Circa fünf Prozent der Einwohner im Kosovo sind Serben
"Damals, als die Regierung gestürzt wurde, hat es auch viel damit zu tun, dass die Trump-Administration die Hoffnung hatte, durch einen Sturz der Kurti-Regierung schnell noch einen guten Deal zu erreichen mit Serbien und das für den eigenen Wahlkampf zu nutzen."
Das Projekt ist gescheitert, Grenell musste gehen, und der Präsident der USA heißt inzwischen Biden. Wie es aussieht, hat Kurti auf lange Sicht eher von der Geschichte profitiert.
Der Fall Oliver Ivanocic
Der Fall von Oliver Ivanocic zeigt, wie gefährlich es sein kann, aus dem von Belgrad vorgegebenen Kurs auszuscheren. Ivanovic war lange Jahre Anführer der Serben im Kosovo. Er hatte einen Sitz im Parlament und war nach der Unabhängigkeit des Kosovo zugleich Staatssekretär der serbischen Regierung für das Kosovo. Als die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und der Regierung in Belgrad zunahmen, wurde sein Auto in Brand gesteckt. 2017 kritisiert er den damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Serbiens, Alexander Vucic. Was Ivanovic 2018 zum Verhängnis wurde, ist nicht restlos geklärt, vielleicht war es seine Äußerung, die Serben im Kosovo hätten mittlerweile keine Angst mehr vor albanischen Extremisten, sondern vor extremistischen und kriminellen Serben. Kurz darauf wurde er im serbisch dominierten Norden Mitrovicas erschossen. Die Täter wurden bisher nicht ermittelt.
Albin Kurti, Spitzenkandidat von Vetevendosje, setzt darauf, dass auch die Serben im Kosovo seinen Kampf gegen Korruption und alte Seilschaften würdigen. Dafür spricht, dass im Kosovo mittlerweile eine Generation herangewachsen ist, die kaum noch Erinnerungen an Jugoslawien hat und für die die ethnischen Fragen immer weiter in den Hintergrund treten.
Die Serben im Kosovo wollten genauso wie die Albaner und die anderen Minderheiten im Kosovo Arbeit und einen funktionierenden Rechtsstaat, glaubt Kurti und verspricht:
"Ich denke, dass ich als Premierminister wie kein anderer bereit sein werde, auf die Forderungen der serbischen Gemeinschaft im Kosovo einzugehen. Aber zu Sympathie oder Empathie für das Lamentieren oder die Trauer Belgrads über den Verlust des Kosovo durch den serbischen Staat bin ich nicht bereit. Von einem Dialog mit Serbien müssen die Menschen profitieren, die normalen Bürger. Und so werde ich auch den Dialog mit den Serben im Kosovo führen, denn auch sie brauchen eine gute Bildung, Gesundheitsversorgung, Arbeitsplätze."
Albin Kurti war für die Serben und für Serbien lange eine Art Gott-sei-bei-uns. Als die Internationalen Verwalter des Kosovo nach dem Krieg durchsetzten, dass im Land zweisprachige albanische und serbische Straßenschilder angebracht wurden, zogen Kurti und seine Anhänger los, um die serbische Schrift mit Aufklebern von Vetevendosje zu überkleben. Und Kurti forderte offen einen Anschluss des Kosovo an Albanien. So ganz distanziert er sich davon heute nicht.
"Wir wollen den Staat Kosovo stärken, und wir haben derzeit nicht das Recht, Albanien beizutreten, denn das würde unserer Verfassung widersprechen. Die können wir nicht so schnell ändern. Es ist aber eines unserer Ziele, den Menschen im Kosovo die Möglichkeit zu geben, ihren Willen in einem Referendum auszudrücken. Dafür müssten wir uns mit Albanien abstimmen. In jedem Fall wird es in Übereinstimmung mit der Verfassung, friedlich und demokratisch geschehen."
Für Kurti ist die Lage klar: "Wir sind eine Nation mit zwei Staaten."
Keine Region in Europa leidet derart unter willkürlich gezogenen Grenzen und auseinandergerissenen Volksgruppen wie das ehemalige Jugoslawien. Grenzverschiebungen haben in der Vergangenheit blutige Kriege befördert. Seine Gegner unterstellen Kurti, er träume in Wirklichkeit von einem Großalbanien.
"Was jetzt die Beziehungen zu Serbien und auch zur serbischen Minderheit angeht, ist er sicherlich weniger kompromissbereit, als das die anderen Politiker waren. Aber ich würde nicht sagen, dass er unbedingt antiserbisch eingestellt ist. Er hat sicherlich wenig Sympathie für die serbische Position. Er hat auch lange immer einen Dialog mit Serbien abgelehnt. Er hat signalisiert in den letzten Jahren, dass er durchaus bereit ist für einen Dialog, aber nicht auf der Art und Weise, wie er bisher stattgefunden hat. Was auch sicherlich kein schlechtes Signal wäre, weil der bisherige Dialog hat eigentlich wenig Ergebnisse gebracht, hat eigentlich auch nicht irgendwie aufgezeigt, wie man einen wirklichen Kompromiss finden kann zwischen den beiden Staaten, sodass möglicherweise seine etwas robustere Form gegenüber Serbien vielleicht sogar letztendlich produktiv sein könnte, weil Serbien immer wieder darauf gesetzt hat, dass die kosovo-albanische Seite, schwächer, uneiniger und zerstrittener ist und er damit eigentlich eine leichtere Hand hat bei den Verhandlungen."
Etwa ein Drittel der Kosovaren lebt im Ausland
"Ich glaube, ohne die würde das gar nicht funktionieren. Also da wäre der soziale Frieden schon längst am Ende."
Und auch politisch hat die Diaspora Gewicht. Nach Angaben der Botschaft sind gut 100.000 Kosovaren in Deutschland wahlberechtigt. Idrizi geht davon aus, dass die Wählerinnen und Wähler in Deutschland vor allem für Vetevendosje stimmen werden.