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Parlamentswahlen in Moldau
Kleines Land vor großen Entscheidungen

Löhne, Lebenshaltungskosten, Korruption – das sind die beherrschenden Themen in Moldau vor den Parlamentswahlen am Sonntag. Umfragen sehen die russlandfreundlichen Sozialisten vorne. Aber Koalitionspartner sind nicht in Sicht – und die Probleme des Landes bleiben.

Von Thielko Grieß | 21.02.2019
Ein riesiges Wahlkampfplakat hängt an der Wand eines Wohnhauses in Chisinau, das den Parlamentskandidaten der Republik Moldau Ilan Șor darstellt. Chisinau 13. Februar 2019
Blick auf Chisinau, die Hauptstadt Moldaus. Im Hintergrund ist ein Wahlkampfplakat des umstrittenen Millionärs Ilan Șor zu sehen, der ins Parlament gewählt werden will (AFP/ Daniel Michailescu)
Der Freizeitpark Orcheiland wirkt noch weihnachtlich. Links und rechts einer großen Bühne haben kleine Buden geöffnet; sie verkaufen Spielzeug oder Deko. Ioana wartet in ihrer Bude auf Kundschaft, sie hat Honig im Angebot. Eigentlich ist Ioana Lehrerin an einer Schule, aber abends und am Wochenende versucht sie, ein bisschen dazu zu verdienen:
"Unsere Löhne sind nicht so hoch, so ungefähr 2.000, 3.000 Lei. Ich bekomme umgerechnet also 150 Euro, und 100 davon zahle ich für Gas, Strom, Wasser, Heizung, sowas. Mir bleiben 50 Euro im Monat zum Essen. Tja, so leben wir alle."
Löhne, Lebenshaltungskosten, aber auch Korruption sind die beherrschenden Themen im Wahlkampf in der Republik Moldau.
Ein Freizeitpark als Spiegel des Landes
Und an diesem Ort, dem Freizeitpark der Stadt Orchei, nördlich der moldauischen Hauptstadt Chişinău, konzentrieren sich alle diese Themen auf landestypische Art und Weise.
Den Park, dessen Besuch keinen Eintritt kostet, hat ein Millionär bauen lassen: Ilan Șor, 31 Jahre alt. Er hat auch eine gleichnamige Partei gegründet, wie er im Park üppig plakatieren lässt. Șor ist bereits Bürgermeister der Stadt, will aber ins Parlament. Seine Popularität lässt er sich einiges kosten.
Ilan Șor ist allerdings nicht einfach nur ein wohlhabender Philanthrop, sondern ist verwickelt in einen Bankenskandal, der seit 2014 die Gemüter der meisten Moldauer erhitzt – vor allem, weil er nicht aufgeklärt ist.
Verschwundene Gelder in Milliardenhöhe
Aus drei Banken verschwanden über Kreditvergaben und Geldwäsche große Summen, wohl etwa eine Milliarde US-Dollar. Firmen des Millionärs gehörten zu den Kreditnehmern. Bezahlt haben am Ende die Steuerzahler – was für das kleine Land eine Riesensumme darstellt. Mit einer Milliarde US-Dollar lassen sich in der Republik etwa ein halbes Jahr lang die Staatsausgaben bestreiten.
Ilan Șor ist zwar auch in erster Instanz verurteilt, aber die Berufung läuft. Dass er kandidieren darf, führen viele im Land auf seine guten Verbindungen zur Regierung zurück. Diese Regierung hat bislang nicht nur den Bankenskandal nicht aufgeklärt, sie hat auch die Institutionen des Rechtsstaates soweit ausgehöhlt, dass viele Fachleute inzwischen von einem gekaperten Staat sprechen, wie etwa Vlad Kulminski, geschäftsführender Direktor des Instituts für Strategische Initiativen, einer Denkfabrik in Chişinău. Die Macht der Regierung, angeführt von der Demokratischen Partei und dessen Spitzenkandidaten Vlad Plahotniuc, ruhe auf vier Pfeilern:
"Nummer eins ist die Kontrolle über die Staatsanwaltschaft, die manchmal politische Befehle ausführt und gegen die Leute vorgeht, die gegen die gegenwärtige Regierung sind. Nummer zwei: Kontrolle über Gerichte. Moldau hat das korrupteste Gerichtssystem in Europa, eines der korruptesten der Welt. Das dritte ist das Anti-Korruptionszentrum, das häufig als ein Instrument genutzt wird, um gegen politische Gegner vorzugehen. Das vierte ist zu einem bestimmten Grad das Innenministerium."
Ungewisser Wahlausgang erwartet
Das Verhalten dieser selbsternannten Pro-Europäer hat das Ansehen der EU in Moldau geschädigt. In Umfragen führen zurzeit die Sozialisten, die auf eine Annäherung an Russland setzen. Der sozialistische Präsident des Landes, Igor Dodon, konnte nach Gesprächen mit Wladimir Putin verkünden, dass Wein und Früchte, typische moldauische Exportprodukte, zollfrei nach Russland eingeführt werden dürfen.
Auf den Wahlausgang will kaum ein Beobachter wetten. Sollten die Sozialisten einen Koalitionspartner benötigen, ist unklar, wer das sein könnte. Bis hin zu Neuwahlen werden verschiedene Varianten gehandelt. Von den großen Problemen des Landes ist damit noch kein einziges gelöst.