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Parteien streiten ums Familienglück

In den Koalitionsverhandlungen zeigt sich, wer seine Wahlversprechen halten kann. Ein Knackpunkt ist die Familienpolitik. Die SPD will das Ehegattensplitting abschmelzen, die CDU will mit einem Familiensplitting weiterhin auf traditionelle Lebensmodelle setzen.

Von Verena Herb | 24.10.2013
    Mehr Kinder braucht das Land - und die Parteien denken: Mehr Geld macht auch mehr Kinder. Deshalb sollen Familien stärker unterstützt werden. Jede Partei hat da ihre eigenen Ideen. Die CDU - das Familiensplitting.

    "Das Grundsatzprogramm sieht es als Ergänzung zum Ehegattensplitting",

    erklärt Hermann Gröhe, CDU-Generalsekretär.

    Richard Ochmann: "Die CDU/CSU schlägt vor, zum einen das Kindergeld zu erhöhen. Und zwar um 35 Euro pro Monat pro Kind. Und gleichzeitig den Kinderfreibetrag in der Einkommenssteuer zu erhöhen auf den Grundfreibetrag eines Erwachsenen. Voraussichtlich 8354 Euro."

    Richard Ochmann, Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hat den Vorschlag des Familiensplittings genauer unter die Lupe genommen. Der Aussage der Ex-Bundesfamilienministerin Kristina Schröder - "Für uns bedeutet Familiensplitting, dass wir gerade auch die kleineren und mittleren Einkommen in den Blick nehmen." - erteilt Ochmann eine Absage. Das Fazit seiner Untersuchung: Die geplante Familienbesteuerung der CDU/CSU verursacht hohe Kosten - bei geringer Entlastung für einkommensschwache Familien:

    "Dieser Vorschlag der Erhöhung des Kindergelds und des Kinderfreibetrags kommt am Ende natürlich in erster Linie dem Mittelstand, aber auch den einkommensreichsten Familien in Deutschland zugute. Die niedrigeren Einkommen profitieren weniger, und die Empfänger von Transferleistungen profitieren überhaupt nicht."

    Der Wirtschaftsforscher hat es durchgerechnet: Während Geringverdiener nur 300 Euro im Jahr mehr hätten, kämen Bezieher durchschnittlicher und höherer Gehälter auf bis zu 866 Euro. Komplett leer gingen Familien aus, die Hartz IV beziehen. Sie profitieren naturgemäß weder vom höheren Freibetrag, noch von der Anhebung des Kindergeldes, weil Letzteres als Sozialleistung angerechnet wird.

    Die Kosten des Familiensplittings à la Union: mehr als sieben Milliarden Euro pro Jahr.

    Steinbrück: "Es ist mal wieder ein Vorstoß der CDU, wo es keinen Gegenfinanzierungsvorschlag gibt. Es folgt der ganzen finanziellen unseriösen Darstellung der CDU/CSU."

    Was die Vorschläge der SPD kosten sollen, steht aber auch nicht im Wahlprogramm geschrieben. Dafür aber ihr Vorschlag, ein sozial gestaffeltes Kindergeld einzuführen. Bezieher geringer Einkommen sollen 324 Euro an Kindergeld bekommen, verdient eine Familie mehr als 3000 Euro monatlich beziehen sie 184 Euro. Den bisherigen Satz. Denn für die Sozialdemokraten steht fest, der Vorschlag der Union bedeutet: Wohlhabende Eltern bekommen viel Geld vom Staat, arme Familien wenig. Das will die SPD umkehren. Denn an den wahren Bedürfnissen gehe das konservative Familiensplitting vorbei. Es sei "ideologische, klientelorientierte Familienpolitik unter dem Deckmantel der Wahlfreiheit.

    Unterschiedliche Ansätze, die zwischen den beiden Volksparteien sicherlich zu Kontroversen in den Koalitionsverhandlungen führen werden: besonders deshalb, weil die Union vehement am Ehegattensplitting festhalten will. Ebenso wie am Betreuungsgeld. Die Kritik an beidem ist bekannt: Die Einverdiener-Ehe wird begünstigt. Und - meist sind es die Frauen - sie bleiben aus finanziellen Gründen eher zu Hause, als eine Arbeit anzunehmen. Im Wirtschaftsforscher-Duktus heißt das: "negativer Beschäftigungseffekt." Dabei wollen doch sowohl Konservative wie Sozialdemokraten das Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen. Richard Ochmann befindet:

    "Diesem Ziel steht diese Reform mit Sicherheit entgegen. Wenn man dieses Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern möchte, dann wären diese sieben Milliarden sicherlich besser aufgehoben bei einem Ausbau von qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung."

    Fazit: Es lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt schwer absehen, auf welches Familiensteuerentlastungsmodell sich Union und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen einigen werden. Fakt ist: Geldleistungen wie die Erhöhung des Kindergeldes tragen weder zu einer Vermeidung von Armut noch zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Die künftige Bundesregierung sollte zuerst darüber verhandeln, wie der Ausbau der Kinderbetreuung in Deutschland vorangebracht werden kann. Ist das erst einmal zufriedenstellend abgeschlossen, können immer noch Geldgeschenke verteilt werden.
    Parteien streiten im Wahljahr 2013 über Familienpolitik
    Von mehr Kindergeld käme bei ärmeren Familien nicht viel an. (dpa / Julian Stratenschulte)