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Weiterhin #Neuland

Die Grünen bleiben in der Opposition, die FDP ist nicht mehr im Parlament und profilierte Internet-Kenner ziehen sich aus den Spitzengremien zurück. Die Netzpolitik wird es in den nächsten Jahren schwer haben.

Von Falk Steiner | 17.10.2013
    "Das Internet ist für uns alle Neuland","

    sagte Angela Merkel noch im Juni beim Besuch des US-Präsidenten Barack Obama in Berlin. Neuland? Politik mit und für das Internet, zu Fragen der Digitalisierung, das beschäftigt die Gesellschaft seit bald 20 Jahren auch in Deutschland. In der ablaufenden Legislaturperiode wurde auf Betreiben der Union fast drei Jahre lang eine Enquete-Kommission mit 17 Abgeordneten und 17 Sachverständigen auf die Suche nach einer guten Internetpolitik geschickt. Ihr Vorsitzender, der CDU-Politiker Axel Fischer, sagte am Ende der Reise im vergangenen April:

    ""Wenn sie an die Geschichte, die Historie der Umweltpolitik denken, dann hat es auch eine Weile gedauert, bis wirklich jeder Abgeordnete und jede Abgeordnete verstanden haben, was Umweltpolitik bedeutet. Und so glaube ich, dass es schon Kolleginnen und Kollegen gibt, denen die Auswirkungen des Internets auf die Gesellschaft, auf unser Zusammenleben in der Tiefe noch nicht ganz klar ist und das wird noch etwas dauern."

    Gestritten über die Netzpolitik wurde im Parlamentsbetrieb intensiv.

    "So selbstverständlich wie die Versorgung mit Wasser, Strom, Post und Telefon … / Das wäre schlimm, wenn unser Land am Schluss regiert werden würde von Piraten und Chaoten aus dem Computer-Club … / Aber noch viel perfider ist die Funktionalität des Nachladens von Software und die Fernsteuerung des befallenen Rechners … / Es wird regiert von Sicherheitsbeamten, die dem Recht und dem Gesetz verpflichtet sind … / Die Kanzlerin ist auch noch ahnungslos …"

    Datenschutz-Themen wie Vorratsdatenspeicherung, NSA-Skandal, Bundestrojaner und Bestandsdatenauskunft, aber auch das Urheberrecht und der Breitbandausbau waren Konfliktthemen. Tatsächlich bildete sich bei der Netzpolitik öfter eine Koalition aus Liberalen, Grünen und Linken – zumindest, solange es nicht zur Abstimmung im Plenum kam. Die Wahlprogramme der Parteien präsentierten sich alle mit netzpolitischen Einsprengseln – oder gar Schwerpunkten. Die SPD legte ihren Schwerpunkt vor allem auf digitale Aspekte in der Wirtschaftspolitik. So wollte Peer Steinbrück als SPD-Spitzenkandidat vor der Bundestagswahl den Deutschen mehr Risikofreudigkeit nahelegen:

    "Bei uns ist jemand, der einmal gescheitert ist, übrigens auch in der Schule, meistens ein Verlierer."

    Und meinte damit nicht seine Kanzlerkandidatur, sondern die fehlende Gründerfreundlichkeit in Deutschland, bei der das Ausprobieren neuer Ideen oft unnötig schwer gemacht würde. Die Union hingegen blieb in ihrem Wahlprogramm oft schwammig. Grüne und Liberale erklärten ihre Auffassung von Netzpolitik zu einem zentralen Baustein - doch was bedeutet das Fehlen der FDP nun?

    "Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war die Protagonistin, die verhindert hat, dass es eine neue Vorratsdatenspeicherung gab und insofern wird man die FDP im Bundestag vielleicht doch irgendwann vermissen, weil das Thema bei anderen Parteien nicht so hoch gehängt wurde, wie bei der FDP zum Schluss","

    sagt Jürgen Kuri, stellvertretender Chefredakteur des Portals heise online und der Computerzeitschrift c’t. Bei den kleinen Bundestagsparteien ist die Zukunft des Themas unklar. So wird nach dem Wahldebakel der Bündnis-Grünen und dem Rücktritt des gesamten Parteivorstandes der profilierte Netzpolitiker Malte Spitz nicht mehr für das Spitzengremium kandidieren. Und Netz- und Innenpolitiker Konstantin von Notz wird sich aufgrund der veränderten Zusammensetzung in seiner Fraktion stärker auf Innenpolitik konzentrieren müssen – auch wenn aus der Ferne der frühere grüne Leitwolf Joschka Fischer seiner Partei noch Anfang Oktober riet, sich neben der Ökologie auch auf die Netzpolitik zu konzentrieren.

    Bei der Fraktion der Linken ist Petra Sitte zur parlamentarischen Geschäftsführerin gewählt worden – ob daneben noch Platz für Netzpolitik bleibt, ist fraglich. Dem Bundestag fehlen also viele kluge Köpfe der vergangenen Legislatur, ein eigener Ausschuss und ein eigenes Ministerium oder wenigstens ein eigener Staatsminister, wie von der Enquete-Kommission parteiübergreifend gefordert, sind in weite Ferne gerückt. Und was bedeutet die sich nun abzeichnende große Koalition aus CDU, CSU und SPD? Jürgen Kuri sagt:

    ""Es kommt zusammen was zusammengehört, die SPD hat, was Bürgerrechte im Netz angeht, wenn man von ein paar vereinzelten Netzpolitikern absieht, kein sehr gutes Karma und auch in anderen Bereichen sind sich CDU und SPD, was netzpolitische Themen angeht, näher als das von anderen Parteien zu erwarten gewesen wäre."

    Auch wenn sie für einige im Parlamentsbetrieb anders als für Angela Merkel kein Neuland mehr ist: Die Netzpolitik als Querschnittsthema wird es in dieser Legislaturperiode schwer haben. Dabei steht vieles an: allem voran die Datenschutzdebatte und der Ausbau des schnellen Internets, die Netzneutralitätsdebatte und auch der Streit um´s Urheberrecht ist noch lange nicht vorbei.