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Partnerschaft in Zeiten des Umbruchs

"Mit Demokratie wird es ein gutes Land zum Leben." Sherif Mohamed ist Gaststudierender an der Universität Ulm. Seine Heimatuni ist die "German University of Cairo". Die deutsch-ägyptische Hochschule eröffnet heute ihr Kontaktbüro in Berlin.

Von Thomas Wagner | 08.02.2011
    Gebannt verfolgen Sara Al-Sayed und Sherif Mohamed die Fernsehnachrichten. Beide kommen aus der ägyptischen Hauptstadt Kairo. Sara studiert an der Uni Ulm Telekommunikationstechnik, Sharif Elektrotechnik.

    "Ich hab nie an Wahlen teilgenommen. Hast Du? - Wir haben uns machtlos gefühlt. Und jetzt spüren wir, dass wir die Macht haben, nach den Ereignissen in diesen zwei Wochen."

    Beide sind sich einig, wären sie dieser Tage statt in Ulm in ihrer Heimat, in Kairo, sie wären auch auf der Straße, als zwei von zwei Millionen Demonstranten. Beide wissen aber auch: Viele Studierende in Ägypten haben eher eine distanzierte Haltung zu den Demos.

    "Unsere Freunde und Kollegen, die sind gegen die Demonstrationen. Nur wir Ägypter im Ausland, wir sind mit den Demonstrationen. Das ist überraschend für uns."
    "Sie sind Leute der mittleren Klasse. Und diese Revolution betrifft die Rechte der armen Leute sozusagen."

    Bei Studiengebühren von über 3000 Euro gehören die über 8000 Studierenden, die derzeit an der German University of Cairo eingeschrieben sind, eher zur Mittel- und Oberschicht; etliche davon genießen Privilegien. Nicht alle, erzählt Sara Al-Sayed, verspürten deshalb Lust auf Demonstrationen, und Sara kennt die Stimmungslage aus eigener Erfahrung. Vor dem Masterstudium in Ulm schloss sie ihr Studium mit dem Bachelor an der German University of Cairo ab.

    "Die offiziellen Hochschulen, sie haben Probleme mit der Finanzierung. Und das hat schlechte Einflüsse auf die Qualität der Ausbildung. Und deswegen brauchten wir in den letzten zehn Jahren andere Möglichkeiten. Und diese Möglichkeiten kommen durch private Universitäten und Hochschulen. Und die GUC war eine dieser privaten Hochschulen."

    Und die hätten entscheidend zur Ausbildung einer zukünftigen Elite für Ägypten beigetragen, meint Professor Karl Joachim Ebeling, Rektor der Universität Ulm:

    "Dort gibt es freie Gedanken - soweit ich das beurteilen kann - wenn es um politische Diskussionen geht, aber auch in der Kunst, in der Wissenschaft, in wirtschaftlicher Richtung. Es gibt einen guten Spirit dort, der wichtig ist, um das Land insgesamt nach vorne zu bringen."

    Die Leiter der Hochschule mit deutscher Beteiligung hatten sich allerdings auch mit Kritik auseinanderzusetzen. Immerhin war es kein Geringerer als Hosni Mubarak selbst, heute als korrupter Despot verschrien, der die German University of Cairo im Jahre 2003 gemeinsam mit den Vertretern der baden-württembergischen Partnerunis Ulm und Stuttgart eröffnete.

    Drei Jahre später kursierten Berichte über unzureichende Englischkenntnisse der Studierenden und über angeblich undurchsichtige Personalentscheidungen. Dies seien allenfalls Kinderkrankheiten, wiesen seinerzeit die Partnerunis Ulm und Stuttgart diese Kritik zurück. Kinderkrankheiten, die aber mit der verfilzten Bürokratie in Ägypten eng zusammenhängen. Reinhold Lücker, Leiter des "International Office" der Universität Ulm, hat die German University of Cairo bereits 15 Mal besucht.

    "Bis heute ist es ein immenser bürokratischer Prozess, wenn Studierende in Deutschland Studienleistungen erbracht haben, die dann der GUC anzurechnen sind. Dann geht das Papier immer über irgendwelche ministerialen Schreibtische. Und damit kämpfen nicht nur wir, auch die Kollegen an der GUC."

    Und wenn auch an der German University of Cairo ein weitaus offenerer Geist als an den staatlichen ägyptischen Hochschulen herrschen mag, Einschränkungen vor allem bei Reformideen gab es trotzdem.

    "Es gab unausgesprochen immer in der Kooperation auch mit der Cairo University gewisse Restriktionen, wo man genau wusste: Bestimmte Grenzen darf man nicht überschreiten. Beispielsweise wenn wir angeregt haben, bestimmte Dinge anders zu machen, was Anerkennungen oder Veränderungen im Studiengang angeht. Dann hieß es immer: Nein, das ist ministerial so bedingt. Und daran kann und darf auf gar keinen Fall gerüttelt werden."

    Dennoch halten die Vertreter der Uni Ulm die Partnerschaft mit Kairo heute für wichtiger denn je. Ägypten brauche zur Umgestaltung des Landes gut ausgebildeten wissenschaftlichen Nachwuchs. Und dazu gehöre auch die Möglichkeit, im Zuge der Partnerschaft einige Semester in Ulm zu verbringen, betont Rektor Joachim Ebeling:

    "Ich denke mal, es ist wichtig, dass die andere Kulturkreise kennenlernen und das dann zurückspiegeln in ihr eigenes Land."

    Sarah Al-Sayed und Sherif Mohamed, die beiden Master-Studierenden an der Uni Ulm, wollten eigentlich noch länger in Deutschland bleiben. Nun, nach den Umwälzungen spielen sie mit dem Gedanken, viel schneller als ursprünglich geplant zurückzukehren:

    "Jetzt wie die Lage ist, möchte ich schon teilnehmen an der Entwicklung in unserem Land. Ich möchte teilnehmen, um etwas zurückzugeben an Ägypten."

    "Wenn Demokratie kommt und es Wahlen gibt, ist es gut. Mit Demokratie wird es ein gutes Land zum Leben werden."