Auf die Wand vor der Ausländerbehörde in Berlin-Moabit sind fröhliche Menschen gemalt: Mit Koffern, Kindern und lustigen Hüten kommen sie nach Berlin, um jenseits von Krieg und Elend ein neues Leben zu beginnen.
Aktivist Jens Rode und der junge Syrer Mohamed A. spannen an diesem Morgen ein Transparent davor. "Kein Geld für ‚Völkermordbotschaften‘", steht darauf. Es sieht jetzt so aus, als hätten sich die gemalten heiteren Migranten dahinter versammelt, um mit zu demonstrieren. Das Bild, das Berlin von sich zeichnet, ist nun getrübt.
"Wir haben die Kundgebung hier heute angemeldet, um dagegen zu protestieren, dass zunehmend Berliner und deutsche Behörden syrische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die aus Syrien geflohen sind, dazu auffordern, ihre Pässe verlängern zu lassen - bei der syrischen Botschaft. Das halten wir für ein Problem, weil in der syrischen Botschaft der syrische Geheimdienst arbeitet. Viele Syrerinnen und Syrer, die nach Deutschland geflohen sind, haben gute Gründe, dass der syrische Staat nicht weiß, wo sie sich aufhalten - weil sie eben vor diesem Regime geflohen sind."
Aktivist Jens Rode und der junge Syrer Mohamed A. spannen an diesem Morgen ein Transparent davor. "Kein Geld für ‚Völkermordbotschaften‘", steht darauf. Es sieht jetzt so aus, als hätten sich die gemalten heiteren Migranten dahinter versammelt, um mit zu demonstrieren. Das Bild, das Berlin von sich zeichnet, ist nun getrübt.
"Wir haben die Kundgebung hier heute angemeldet, um dagegen zu protestieren, dass zunehmend Berliner und deutsche Behörden syrische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die aus Syrien geflohen sind, dazu auffordern, ihre Pässe verlängern zu lassen - bei der syrischen Botschaft. Das halten wir für ein Problem, weil in der syrischen Botschaft der syrische Geheimdienst arbeitet. Viele Syrerinnen und Syrer, die nach Deutschland geflohen sind, haben gute Gründe, dass der syrische Staat nicht weiß, wo sie sich aufhalten - weil sie eben vor diesem Regime geflohen sind."
"Ich will nicht mit dieser Botschaft zusammenarbeiten"
Der Syrer Mohamed A. wurde selbst von der Ausländerbehörde aufgefordert, die syrische Botschaft aufzusuchen. Der Name in seinem aktuellen Pass war nicht korrekt.
"Aber ich bin nicht gegangen, ich mache das nicht".
Reporter: "Weil Sie Angst haben, da hin zu gehen?"
"Ja, ich will nicht mit dieser Botschaft zusammenarbeiten, die vom Regime ist, egal, ob sie mich dann abschieben oder mein Name falsch bleibt. Wenn Sie hingehen, Sie sehen große Assad-Bilder da, und die Leute da, die sind alle Assads Armee und nicht Leute, die diesem Volk helfen wollen."
"Aber ich bin nicht gegangen, ich mache das nicht".
Reporter: "Weil Sie Angst haben, da hin zu gehen?"
"Ja, ich will nicht mit dieser Botschaft zusammenarbeiten, die vom Regime ist, egal, ob sie mich dann abschieben oder mein Name falsch bleibt. Wenn Sie hingehen, Sie sehen große Assad-Bilder da, und die Leute da, die sind alle Assads Armee und nicht Leute, die diesem Volk helfen wollen."
Furcht vor Repressalien
Für Syrer, deren Familie noch in Landesteilen lebt, die vom Assad-Regime kontrolliert sind, ist es noch problematischer, die syrische Botschaft aufzusuchen:
"Was macht der in Deutschland? Der ist geflüchtet vor dem Regime und macht seine Papiere da. Das macht Schwierigkeiten für seine Familie, die geben die Namen weiter und verhaften ihre Familie. Das ist sehr häufig passiert."
Viele fürchten also, dass ihre Verwandten in Syrien Repressalien zu erleiden haben, wenn bekannt ist, welches Familienmitglied wie und wohin geflohen ist.
"Was macht der in Deutschland? Der ist geflüchtet vor dem Regime und macht seine Papiere da. Das macht Schwierigkeiten für seine Familie, die geben die Namen weiter und verhaften ihre Familie. Das ist sehr häufig passiert."
Viele fürchten also, dass ihre Verwandten in Syrien Repressalien zu erleiden haben, wenn bekannt ist, welches Familienmitglied wie und wohin geflohen ist.
Auf Drängen von Horst Seehofer
Bis April dieses Jahres gab es das Problem in Berlin noch nicht. Die Ausländerbehörde hat bis dahin für alle Syrer Reiseausweise für Ausländer ausgestellt, weil sie pauschal von einer "Unzumutbarkeit der Passbeschaffung" ausgegangen ist. Auf Drängen des von Horst Seehofer geführten Bundesinnenministeriums musste die Berliner Innenbehörde die Regeln ändern. Nun läuft es für "subsidiär geschützte" Syrer - also solche, die keinen vollen Asylstatus haben - und Menschen, die über den Familiennachzug nach Deutschland gekommen sind, so:
"Syrischen Staatsangehörigen, die keinen von der Bundesrepublik Deutschland anerkannten gültigen Pass besitzen, kann ab sofort nur noch dann ein deutscher Passersatz ausgestellt werden, wenn ein Pass oder Passersatz bei den syrischen Behörden nachweislich nicht auf zumutbare Weise erlangt werden kann."
"Syrischen Staatsangehörigen, die keinen von der Bundesrepublik Deutschland anerkannten gültigen Pass besitzen, kann ab sofort nur noch dann ein deutscher Passersatz ausgestellt werden, wenn ein Pass oder Passersatz bei den syrischen Behörden nachweislich nicht auf zumutbare Weise erlangt werden kann."
Was ist zumutbar, was nicht?
Eine Regelung, die in den meisten anderen Bundesländern schon länger gilt. Auf Nachfrage, was zumutbar ist und was nicht, gibt die Innenbehörde an: "Wann jeweils die Voraussetzung der Unzumutbarkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer vorliegt, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern bedarf unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände einer Einzelfallprüfung."
Was "Einzelfallprüfung" konkret für die betroffenen Syrer bedeutet, erlebt Osama Al Amin fast täglich. Er leitet die Human Help Community in Berlin-Charlottenburg, eine NGO, die sich um Syrer in Deutschland kümmert. Seit April kommen vermehrt Landsleute zu ihm, deren syrische Pässe abgelaufen sind. Er hat einen Klienten, bei dem der erste Sachbearbeiter ihm einen Ersatzpass ausstellen wollte. Beim nächsten Termin sprach er bei dessen Kollegen vor, doch der schickte ihn zur syrischen Botschaft.
"Das geht nach Launen des zuständigen Beamten in der Ausländerbehörde - manchmal krieg man das, manchmal nicht."
Was "Einzelfallprüfung" konkret für die betroffenen Syrer bedeutet, erlebt Osama Al Amin fast täglich. Er leitet die Human Help Community in Berlin-Charlottenburg, eine NGO, die sich um Syrer in Deutschland kümmert. Seit April kommen vermehrt Landsleute zu ihm, deren syrische Pässe abgelaufen sind. Er hat einen Klienten, bei dem der erste Sachbearbeiter ihm einen Ersatzpass ausstellen wollte. Beim nächsten Termin sprach er bei dessen Kollegen vor, doch der schickte ihn zur syrischen Botschaft.
"Das geht nach Launen des zuständigen Beamten in der Ausländerbehörde - manchmal krieg man das, manchmal nicht."
"Der teuerste Pass der Welt"
Al Amin bestätigt, dass manche seiner Klienten es nicht wagten, die Botschaft aufzusuchen, weil sie um die Sicherheit der Familie in der Heimat fürchteten. Selbst wenn sie die Vertretung aufsuchen, ist völlig unklar, ob sie die entsprechenden Papiere bekommen, ergänzt er:
"Auch wenn sie hingehen, kriegen sie das nicht, weil die Sicherheitsbehörden in Syrien nein sagen, oder der Betroffene soll für die Beantragung nach Syrien fliegen. Plus: Wenn man bei der Botschaft Geld zahlt für die Pässe, man bekommt keine Quittung, gar nichts. Die sagen, ja komm wieder in zwei, drei Monaten, dann kriegst du (einen) - oder nicht."
Hinzu kommt: Das syrische Regime nimmt für die Pässe je nach Dringlichkeit zwischen 165 und 700 Euro. Geld, das die Betroffenen oft nicht haben.
"Ich glaube, es ist der teuerste Pass der Welt - und man kann mit dem nicht mal in Syrien herumreisen. Das Geld fließt zum Regime, und das pflastert damit keine Straßen, sondern kauft Gewehre und geht damit gegen sein Volk vor. Also ich kann das nicht nachvollziehen."
"Auch wenn sie hingehen, kriegen sie das nicht, weil die Sicherheitsbehörden in Syrien nein sagen, oder der Betroffene soll für die Beantragung nach Syrien fliegen. Plus: Wenn man bei der Botschaft Geld zahlt für die Pässe, man bekommt keine Quittung, gar nichts. Die sagen, ja komm wieder in zwei, drei Monaten, dann kriegst du (einen) - oder nicht."
Hinzu kommt: Das syrische Regime nimmt für die Pässe je nach Dringlichkeit zwischen 165 und 700 Euro. Geld, das die Betroffenen oft nicht haben.
"Ich glaube, es ist der teuerste Pass der Welt - und man kann mit dem nicht mal in Syrien herumreisen. Das Geld fließt zum Regime, und das pflastert damit keine Straßen, sondern kauft Gewehre und geht damit gegen sein Volk vor. Also ich kann das nicht nachvollziehen."
Zehntausende Syrer in Deutschland betroffen
Von der neuen Regelung sind allein in Berlin tausende Syrer betroffen, sagt Al Amin. Bezogen auf die anderen Bundesländer, deren Behörden schon länger so verfahren, sind es Zehntausende. Haben die Betroffenen bei der Botschaft vergeblich vorgesprochen, bekommen sie noch nicht einmal den von der Ausländerbehörde geforderten Nachweis.
"Die Besucher zahlen das Geld, sie beantragen den Pass, sie geben dafür sogar ihren alten Pass ab - und kriegen noch nicht einmal eine Annahmebestätigung, dass sie das gemacht haben."
Kein Pass, kein Ersatzpass - viele seiner Klienten stehen dann monatelang ohne gültige Papiere da, und das ist für sie existenzgefährdend.
"Sie können nicht mehr arbeiten gehen, weil sie keine Aufenthaltsgenehmigung haben, ihre Krankenkasse ist in Gefahr. Alles auf einmal eingefroren, bis die Syrer sagen, du bekommst einen Pass, oder er kriegt keinen. Am besten man denkt nicht zu viel drüber nach – weil, es ist einfach unlogisch."
"Die Besucher zahlen das Geld, sie beantragen den Pass, sie geben dafür sogar ihren alten Pass ab - und kriegen noch nicht einmal eine Annahmebestätigung, dass sie das gemacht haben."
Kein Pass, kein Ersatzpass - viele seiner Klienten stehen dann monatelang ohne gültige Papiere da, und das ist für sie existenzgefährdend.
"Sie können nicht mehr arbeiten gehen, weil sie keine Aufenthaltsgenehmigung haben, ihre Krankenkasse ist in Gefahr. Alles auf einmal eingefroren, bis die Syrer sagen, du bekommst einen Pass, oder er kriegt keinen. Am besten man denkt nicht zu viel drüber nach – weil, es ist einfach unlogisch."