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Patentrezept gegen die Eurokrise

Eurogipfel um Eurogipfel, Rettungspakete, Sparmaßnahmen: Das rette den Euro nicht, es ruiniere ihn, meint der österreichische Globalisierungskritiker und Attac-Mitbegründer Christian Felber in seinem Buch "Retten wir den Euro".

Von Gerhard Klas | 13.02.2012
    Steuerfinanzierte Rettungsschirme, ESM, der Europäische Stabilitätsmechanismus, Schuldenbremsen, Eurobonds, Insolvenz verschuldeter Euro-Staaten oder gar der Rauswurf Griechenlands: Mit all diesen derzeit diskutierten Lösungsvorschlägen beschreitet die Politik Wege, die zwangsläufig den Euro ruinieren werden. Das schreibt und sagt Christian Felber, Buchautor und Österreichs prominentester Globalisierungskritiker.

    "Mit dem ESM steigen ja die Staatsschulden in Summe noch weiter an und gleichzeitig die Vermögen. Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt, dass Schulden und Vermögen immer gleichzeitig steigen, und wenn wir im System wollen, dass die Schulden weniger werden, müssen irgendwo auch die Vermögen sinken. Deshalb wäre es der direkte Weg, die höchsten und größten und konzentriertesten Vermögen moderat zu besteuern, damit gemeinsam dann auch die Schulden mit sinken könnten."

    Genau daran kranken die Vorschläge der Politik, sagt Felber: dass die Vermögen der reichen Anleger nicht angetastet werden. Stattdessen werde versucht, mit öffentlichen Mitteln den Kulminationspunkt der Krise hinauszuschieben - refinanziert durch drastische Sparprogramme.

    "Wenn in einer konjunkturell schwierigen Situation wie der jetzigen dann auch noch der letzte mögliche Einkäufer und Nachfrager auch zu sparen beginnt – nämlich der Staat, dann sind wir mit Sicherheit in einer mehrjährigen Rezession und Depression. Zum anderen gibt es mathematische Gesetze, die sagen, die Summe der Schulden und der Vermögen ist immer null – und entweder müssen die Schulden eben abgebaut werden über den gleichzeitigen Rückbau der Vermögen, oder aber wir gehen in die Staatsinsolvenz."

    Christian Felber will nicht, dass die Schulden einfach gestrichen werden, sondern plädiert für ihre Tilgung. Um den Staatshaushalten und dem der Europäischen Union zu diesem Zweck mehr Mittel zuzuführen, hat er sich gründlich und ganz pragmatisch mit der Steuerpolitik in der EU beschäftigt und verschiedene Modelle durchgerechnet.

    "Die Alternativen wären, dass die unglaublich hochkonzentrierten Privatvermögen, die im Durchschnitt der Euro-Mitgliedsstaaten das vier- bis sechsfache der Staatsschulden ausmachen, dass die zur Besteuerung herangezogen werden und aus den Steuerbeträgen dann die Schulden zurückbezahlt werden."

    Seine Vorschläge dürften in den Ohren führender Wirtschaftswissenschaftler wie Teufelswerk klingen. Denn Felber setzt vor allem auf Kapital- und Unternehmenssteuern, die nach vorherrschender Lehrmeinung das Wirtschaftswachstum untergraben. Der Autor schlägt vier europaweite Steuern vor: eine Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent sowie eine Abgabe auf Kapitalvermögen von mehr als einer Million Euro. Bei den Steuern auf Kapitaleinkünfte plädiert er für eine Umkehr der derzeit gängigen Praxis: Aus seiner Sicht müssten diese Steuern deutlich höher sein als die auf Arbeitseinkommen. Des Weiteren hält er eine europaweite Koordination der Körperschaftssteuer für unabdingbar, da durch die derzeitigen Regelungen viele börsennotierte Konzerne trotz Milliardengewinnen kaum Steuern zahlen: Allein mit diesen vier Maßnahmen, meint Felber, könnten jährlich 1200 Milliarden Euro in den Haushalt der Europäischen Union gespült werden. Dabei stützt er sich auf Untersuchungen renommierter Forschungsinstitute. Dennoch dämpft Felber Hoffnungen auf eine rasche Einführung solcher europaweiter Steuern: Denn der EU-Binnenmarkt sei nach den Vorlagen führender europäischer Wirtschaftskonzerne aufgebaut worden. Deshalb gebe es etwa den freien Kapital- und Güterverkehr, hingegen keine Angleichung der Sozial- und Steuerpolitik. Der dadurch beförderte Wettbewerb habe zu einer regelrechten Ausplünderung der öffentlichen Haushalte geführt.

    "Deshalb ist die Krise des Euro ein Symptom dieser Bauweise und auch eine Chance, dass die Europäische Union von Grund auf anders, demokratischer konstruiert werden könnte."

    Felber entpuppt sich als Anhänger einer stark partizipativ ausgerichteten Demokratie, er will mehr Volksabstimmungen und einen gewählten Verfassungskonvent, der die Europäische Union auf neue Füße stellt. Im Grunde argumentiert Felber wie ein Musterschüler, der die Lobeshymnen auf die Demokratie im Schulunterricht nicht als Prosa abgetan hat, sondern sich ernsthaft Gedanken um ihre Umsetzung macht. Felber sieht sich durch aktuelle Entwicklungen bestätigt: Die Forderung nach einer europaweiten Finanztransaktionssteuer ist mittlerweile im politischen Mainstream angekommen, sogar der französische Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel sprechen sich dafür aus. Aber blenden lässt sich Christian Felber davon nicht.

    "Der bisherige Vorschlag seitens der EU-Kommission, der ist im Grunde noch ein Verhinderungsvorschlag gegen die Finanztransaktionssteuer, weil er ein Steueraufkommen von sehr geringen 50 Milliarden Euro pro Jahr vorsieht."

    Ein Haken ist sicherlich auch im jüngsten deutsch-französischen Vorschlag nach einer Harmonisierung der Unternehmenssteuern in der EU zu finden: Denn entscheidend ist die Frage, ob er sich in der Praxis am niedrigsten oder höchsten Standard orientiert. Aber immerhin beweisen die groß angekündigten Pläne der beiden Schrittmacher der EU, dass Felbers Vorschläge alles andere als aus der Luft gegriffen sind. Er ist kein Revoluzzer, predigt nicht den Klassenkampf, sondern gibt sich auch im Duktus ganz staatsmännisch und bürgerlich. Felber ist der festen Überzeugung, dass Konzerne, Banken und ihre Politiker letztendlich im wirtschaftlichen Eigeninteresse Zugeständnisse machen müssen. Das wäre sicher wünschenswert, erscheint aber wenig realistisch. Richtig ist: In den EU-Krisenländern wird wegen der Sparprogramme weniger konsumiert. Aber Exportnationen wie Deutschland, die dadurch Absatzmärkte verlieren, haben längst Wege beschritten, den Verlust zu kompensieren: etwa durch Freihandelsabkommen mit aufstrebenden Wirtschaftsnationen wie Indien.


    Christian Felber: "Retten wir den Euro!"
    Deuticke Verlag,
    160 Seiten, 10 Euro
    ISBN: 978-3-552-06187-3