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Patientenberaterin: Organspende muss transparenter werden

Die jüngsten Berichte über Manipulation und Betrug bei Wartelisten schrecken viele potenzielle Organspender ab, sagen Experten. Elke Simon von der Deutschen Stiftung Patientenschutz kritisiert: Vor allem das undurchsichtige System sei schuld an der mangelnden Bereitschaft zur Transplantation.

Elke Simon im Gespräch mit Rainer Brandes | 13.11.2013
    Bettina Klein: Die jüngsten Berichte über Manipulation, Betrug, ja Korruption auf dem Feld der Organspende haben viele Bürger offenbar abgeschreckt und die Bereitschaft, ein Organ zu spenden, deutlich verringert. Aber ist es nur das? Die Deutsche Stiftung Organspende beteuert jedenfalls, an ihr liege es nicht. Elke Simon ist Patientenberaterin der Stiftung Patientenschutz. Mit ihr hat gestern mein Kollege Rainer Brandes gesprochen und zunächst mal gefragt, ob es sich die zuständige Organisation da etwas zu einfach macht.

    Elke Simon: Wenn man sich anhört, wie der Rückgang von der DSO bislang erklärt wurde, dann klingt das schon etwas merkwürdig. Da waren es zunächst die berühmten Einzelfälle, wenige Mediziner, die dort manipuliert haben. Jetzt sagt man, es sind die Ärzte, die verunsichert sind in den Kliniken und ihrer Aufgabe nicht mehr nachkommen können. Man bekommt doch eher das Gefühl, dass diese wechselnden Erklärungsversuche eher ein Schwarzer-Peter-Spiel sind als eine ehrliche Analyse, die auch die eigene Organisation mit einbezieht.

    Rainer Brandes: Der Kern des Organspende-Skandals, den ja auch die Deutsche Stiftung Organspende immer als Grund für den Rückgang angibt, der Kern dieses Skandals sind ja gefälschte Patientenakten, mit denen Ärzte versucht haben, ihre Patienten auf der Warteliste höher rutschen zu lassen. Daraufhin hat der Gesetzgeber ja auch reagiert: Es gibt jetzt das Sechsaugenprinzip. Das heißt, es muss immer auch ein unabhängiger Arzt die Patientendaten kontrollieren. Und es soll ein zentrales Register geben, in das alle Spender- und Empfängerdaten gebündelt werden. Diese neuen Regelungen - verhindert das künftige Manipulationen?

    Simon: Das wird abzuwarten bleiben. Aber ich glaube, dass das nur ein Teil der Erklärung dafür ist, warum tatsächlich die Spendebereitschaft so massiv gesunken ist. Es ist doch eher wohl die Tatsache, dass die Menschen extrem verunsichert sind. Jahrelang hatten sie das Gefühl, dass sie nicht aufgeklärt wurden auf ehrliche Art und Weise, wie das System tatsächlich funktioniert. Nun ist aus einem Vieraugenprinzip ein Sechsaugenprinzip geworden. Ob das reichen wird als vertrauensbildende Maßnahme, bleibt abzuwarten. Wir glauben, es muss viel transparenter für die Menschen werden: Wie funktioniert das System? Und wie werden wir darüber aufgeklärt, wie man zukünftig solche Dinge verhindern kann.

    Brandes: Was heißt das denn konkret? Die Krankenkassen müssen ja jetzt alle zwei Jahre die Versicherten anschreiben. Genügt das nicht als Information?

    Simon: Der Inhalt ist die eine Sache. Aber die Kernprobleme, um die es tatsächlich geht, die werden auch in dieser Information nicht angesprochen - etwa die ganz dringliche Frage, wer entscheidet überhaupt, nach welchen Kriterien die Organe verteilt werden oder auch nicht verteilt werden. Und das, was wirklich ganz massiv wichtig ist für die 12.000 Menschen, die auf ein Organ so dringend warten, ist: An wen kann man sich eigentlich wenden als Betroffener, der auf ein Organ wartet, in der Frage, auf welcher Position stehe ich auf der Warteliste, wer ist überhaupt mein Ansprechpartner. Wenn ich mich beschweren möchte über jemandem, wo bekomme ich Rechtsschutzsicherheit? Diese Fragen werden bislang nicht angegangen. Insofern haben wir das Gefühl, an einer echten Reform besteht noch gar kein richtiger Wille.

    Brandes: Da sagt die Deutsche Stiftung Organspende aber ja, die Regeln dafür, wer auf welchen Platz auf dieser Warteliste kommt, die sind ganz klar geregelt und das ist gerecht aufgeteilt und für die Betroffenen transparent. Es geht da schlicht nach Dringlichkeit und Erfolgsaussichten einer Transplantation. Jetzt betreuen Sie ja selbst Schwerkranke. Das heißt, Ihr Eindruck ist das nicht, dass das so transparent ist?

    Simon: Nein, das ist überhaupt nicht transparent. Auch diese Kriterien Dringlichkeit und Transparenz müssen dringend überprüft werden: Sind das die Kriterien, nach denen wir tatsächlich die Organe vergeben wollen, insbesondere bei verschiedenen Organen? Gilt das gleichermaßen für eine Leber wie für eine Lunge?

    Brandes: Wonach würden Sie es denn gerne verteilen?

    Simon: Das ist eine Frage, die sich nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Politik stellen muss. Jedenfalls muss Einheit darüber herrschen, welches die Kriterien sind, und die müssen auch überall angewendet werden und es muss klar sein, wer darf das denn entscheiden. Ich als Patient auf der Warteliste bekomme mitgeteilt, Sie sind aufgenommen auf einer Liste, oder bekomme auch mitgeteilt, Sie sind nicht aufgenommen, weil Sie beispielsweise bestimmte sogenannte Compliance-Richtlinien nicht erfüllen. Dazu gehören beispielsweise auch das Beherrschen der deutschen Sprache oder auch andere Dinge, die oft in einen Katalog aufgenommen werden, von denen der Patient mitunter gar nichts erfährt.

    Brandes: Warum gibt es denn diese Regelung überhaupt? Warum muss ich Deutsch können, um ein Organ zu bekommen?

    Simon: Nun, das macht ja durchaus Sinn. Wenn ich beispielsweise an das Befolgen von medizinischen Anweisungen denke, muss ich natürlich diese Anweisungen verstehen können. Aber es gibt auch Kriterien: beispielsweise kann ein Verhalten, das ich an den Tag lege, indem ich mich beispielsweise bei einigen Dingen uneinsichtig zeige oder zu viele Nachfragen stelle - kann das ausreichender Grund sein, mich von einer Warteliste herunterzunehmen.

    Brandes: Das heißt, da fordern Sie, dass der Gesetzgeber dort aktiv wird?

    Simon: Unbedingt müssen diese Kriterien klar sein, müssen transparent sein, damit die Betroffenen wissen, woran sie sind.

    Klein: …, sagt Elke Simon - sie ist Patientenberaterin der Deutschen Stiftung Patientenschutz – zur zurückgehenden Bereitschaft bei der Organspende.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.