Reinhardt: Guten Tag, Herr Probst.
Probst: Ist dieses Eingeständnis für Sie überraschend gekommen oder nur das klare Wort eines Militärs, vor dem sich Politiker aus innenpolitischer Rücksichtnahme bislang gedrückt haben?
Reinhardt: Ich glaube, mein Freund Abu Said, den ich sehr schätze und der ein ausgesprochen guter Mann ist und der auch im Peacekeeping sich auskennt, hat das angesprochen, was im Augenblick läuft. Die Amerikaner haben den Übergang von der militärischen Operation, die sie schnell und gut gewonnen haben in das klassische Peacekeeping, das anschließende Stabilisieren bis jetzt nicht geschafft und es wird von Tag zu Tag schwieriger. Sie haben das Vertrauen der Bevölkerung nicht gewonnen und sie werden es mit der Art und Weise, wie es in den letzten drei Monaten gelaufen ist, wahrscheinlich auch nicht gewinnen und dann wird der Widerstand stärker.
Probst: Was heißt das dann für die Strategie, die die USA verfolgen müssen?
Reinhardt: Sie ist falsch. Man hat nicht umsonst sehr früh Jay Garner und sein Team ausgewechselt, das waren die ersten, die dort unten praktisch die Machtverhältnisse für die Amerikaner neu ordnen sollten. Man hat sie alle nach Hause genommen und mit Paul Bramer eine neue Crew runtergeschickt und jetzt aus Amerika ein Prüfungsteam in den Irak entsandt, um zu sehen, ob die Strategie stimmt. Sie stimmt eindeutig nicht. Sie ist noch immer stark militärbezogen, aber sie können Sicherheitspolitik und Stabilisierung eben nicht nur mit Soldaten in Panzern und Hubschraubern machen, sie brauchen den gesamten Bereich der Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, der Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen, damit die Bevölkerung im Irak sieht, es wird besser. Denn die sagt heute, sie stehe schlechter da als vorher, habe kein Wasser und Elektrizität, es laufe nichts. Und dann wird natürlich die Gegenposition von Tag zu Tag stärker.
Probst: Aber das sind natürlich Dinge, Herr Reinhardt, die sich nicht von heute auf morgen instand setzen lassen.
Reinhardt: Richtig, aber wenn wir es genau betrachten, haben wir alle festgestellt, dass ein Großteil der Zerstörungen, über die die Bevölkerung heute klagt und an denen sie leidet, eben in der Zeit gelaufen sind, als der offizielle Krieg vorbei war und geplündert und kaputtgemacht worden ist und die Amerikaner dabeistanden und nichts taten. Ich erinnere mich sehr wohl an Bilder von dort unten, wo amerikanische eingesetzte Verwaltungsleute im Grunde genommen völlig hilflos waren und gesagt haben, wir verstehen nicht, dass die Truppe uns nicht schützt, weil man Wasser-, Elektrizitätswerke et cetera immer noch zerstört hat. Man muss doch, bevor man in ein Land geht, einen klaren Plan vorher festlegen: Was sind die für uns entscheidenden Dinge, damit die Bevölkerung, die nun eine neue Administration, eine amerikanische zu vergegenwärtigen hat, nun Vertrauen zu dieser schafft?
Probst: Sollte man im Umkehrschluss jetzt weniger militärische Präsenz auf den Straßen zeigen?
Reinhardt: Ich glaube, man muss einfach mehr den Zivilanteil bringen, dafür sorgen, dass die Krankenhäuser wieder funktionieren, dass die Versorgung für die Menschen akzeptabel ist und sie nicht den Dingen nachlaufen müssen. Mit der jetzigen Übergangskommission, die man eingesetzt hat, ist vielleicht ein erster Weg getan. Aber man braucht vor allem die ganzen zivilen Hilfsorganisationen und die NGOs. Ich denke auch, dass man die UNO brauchen wird, um die Erfahrung derer, die im Peacekeeping weltweit beteiligt waren, entsprechend nutzen können. Soldaten in Panzern sind dort nur sehr begrenzt in der Lage, dies zu tun.
Probst: Kurz zum Schluss, Herr Reinhardt. Es ist ja in erster Linie bei den Amerikanern, nicht bei den Briten im Süden des Landes. Machen die es besser?
Reinhardt: Ja, die Briten haben natürlich sehr viel in Nordirland gelernt und gehen im Peacekeeping völlig anders vor als die Amerikaner. Ich habe das im Balkan mehrmals erlebt: Die Briten haben eine ähnliche Position wie die Deutschen, sie versuchen, sehr stark zu deeskalieren, und sagen, die Bevölkerung ist nicht unser Feind, sondern die Gruppe, die wir auf unsere Seite ziehen müssen, deren Herzen und Köpfe wir gewinnen müssen, deswegen kümmern wir uns primär darum. Und ich glaube, das müssen die Amerikaner noch tun.
Probst: Klaus Reinhardt, General a.D. war das. Ich danke Ihnen.
Reinhardt: Bitteschön
Link: Interview als RealAudio
Probst: Ist dieses Eingeständnis für Sie überraschend gekommen oder nur das klare Wort eines Militärs, vor dem sich Politiker aus innenpolitischer Rücksichtnahme bislang gedrückt haben?
Reinhardt: Ich glaube, mein Freund Abu Said, den ich sehr schätze und der ein ausgesprochen guter Mann ist und der auch im Peacekeeping sich auskennt, hat das angesprochen, was im Augenblick läuft. Die Amerikaner haben den Übergang von der militärischen Operation, die sie schnell und gut gewonnen haben in das klassische Peacekeeping, das anschließende Stabilisieren bis jetzt nicht geschafft und es wird von Tag zu Tag schwieriger. Sie haben das Vertrauen der Bevölkerung nicht gewonnen und sie werden es mit der Art und Weise, wie es in den letzten drei Monaten gelaufen ist, wahrscheinlich auch nicht gewinnen und dann wird der Widerstand stärker.
Probst: Was heißt das dann für die Strategie, die die USA verfolgen müssen?
Reinhardt: Sie ist falsch. Man hat nicht umsonst sehr früh Jay Garner und sein Team ausgewechselt, das waren die ersten, die dort unten praktisch die Machtverhältnisse für die Amerikaner neu ordnen sollten. Man hat sie alle nach Hause genommen und mit Paul Bramer eine neue Crew runtergeschickt und jetzt aus Amerika ein Prüfungsteam in den Irak entsandt, um zu sehen, ob die Strategie stimmt. Sie stimmt eindeutig nicht. Sie ist noch immer stark militärbezogen, aber sie können Sicherheitspolitik und Stabilisierung eben nicht nur mit Soldaten in Panzern und Hubschraubern machen, sie brauchen den gesamten Bereich der Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, der Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen, damit die Bevölkerung im Irak sieht, es wird besser. Denn die sagt heute, sie stehe schlechter da als vorher, habe kein Wasser und Elektrizität, es laufe nichts. Und dann wird natürlich die Gegenposition von Tag zu Tag stärker.
Probst: Aber das sind natürlich Dinge, Herr Reinhardt, die sich nicht von heute auf morgen instand setzen lassen.
Reinhardt: Richtig, aber wenn wir es genau betrachten, haben wir alle festgestellt, dass ein Großteil der Zerstörungen, über die die Bevölkerung heute klagt und an denen sie leidet, eben in der Zeit gelaufen sind, als der offizielle Krieg vorbei war und geplündert und kaputtgemacht worden ist und die Amerikaner dabeistanden und nichts taten. Ich erinnere mich sehr wohl an Bilder von dort unten, wo amerikanische eingesetzte Verwaltungsleute im Grunde genommen völlig hilflos waren und gesagt haben, wir verstehen nicht, dass die Truppe uns nicht schützt, weil man Wasser-, Elektrizitätswerke et cetera immer noch zerstört hat. Man muss doch, bevor man in ein Land geht, einen klaren Plan vorher festlegen: Was sind die für uns entscheidenden Dinge, damit die Bevölkerung, die nun eine neue Administration, eine amerikanische zu vergegenwärtigen hat, nun Vertrauen zu dieser schafft?
Probst: Sollte man im Umkehrschluss jetzt weniger militärische Präsenz auf den Straßen zeigen?
Reinhardt: Ich glaube, man muss einfach mehr den Zivilanteil bringen, dafür sorgen, dass die Krankenhäuser wieder funktionieren, dass die Versorgung für die Menschen akzeptabel ist und sie nicht den Dingen nachlaufen müssen. Mit der jetzigen Übergangskommission, die man eingesetzt hat, ist vielleicht ein erster Weg getan. Aber man braucht vor allem die ganzen zivilen Hilfsorganisationen und die NGOs. Ich denke auch, dass man die UNO brauchen wird, um die Erfahrung derer, die im Peacekeeping weltweit beteiligt waren, entsprechend nutzen können. Soldaten in Panzern sind dort nur sehr begrenzt in der Lage, dies zu tun.
Probst: Kurz zum Schluss, Herr Reinhardt. Es ist ja in erster Linie bei den Amerikanern, nicht bei den Briten im Süden des Landes. Machen die es besser?
Reinhardt: Ja, die Briten haben natürlich sehr viel in Nordirland gelernt und gehen im Peacekeeping völlig anders vor als die Amerikaner. Ich habe das im Balkan mehrmals erlebt: Die Briten haben eine ähnliche Position wie die Deutschen, sie versuchen, sehr stark zu deeskalieren, und sagen, die Bevölkerung ist nicht unser Feind, sondern die Gruppe, die wir auf unsere Seite ziehen müssen, deren Herzen und Köpfe wir gewinnen müssen, deswegen kümmern wir uns primär darum. Und ich glaube, das müssen die Amerikaner noch tun.
Probst: Klaus Reinhardt, General a.D. war das. Ich danke Ihnen.
Reinhardt: Bitteschön
Link: Interview als RealAudio