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Pegida
Prominente distanzieren sich

Der Widerstand gegen Pegida wächst: Nachdem gestern Abend Tausende Demonstranten in verschiedenen Städten gegen die Bewegung auf die Straße gegangen waren, wurden heute aus allen Lagern der Politik Stimmen laut, sich gegen Pegida zu positionieren. Es gab jedoch auch Gegenstimmen.

Von Gudula Geuther | 06.01.2015
    Teilnehmer der islamkritischen Pegida-Demonstration in Dresden.
    Teilnehmer der islamkritischen Pegida-Demonstration in Dresden. (picture alliance / dpa / Peter Endig)
    Unter der Überschrift "Nein zu Pegida" distanzieren sich 50 Prominente in der Bild-Zeitung von der Bewegung, die gestern in Dresden 18.000 Menschen auf die Straße brachte. "Das ist nicht Deutschland", sagte Helmut Schmidt. Die Pegida-Proteste, so der Altkanzler, appellierten an dumpfe Vorurteile, an Fremdenhass und Intoleranz. Außenminister Frank-Walter Steinmeier rief mittelbar zu Gegendemonstrationen auf. "Wir müssen ganz deutlich machen," sagte der SPD-Politiker wörtlich, "dass diejenigen, die da auf einigen Straßen ihre Parolen rufen, eine kleine Minderheit mit einer lauten Stimme sind." Altbundeskanzler Gerhard Schröder erinnerte erneut an den vor 14 Jahren von ihm initiierten Aufstand der Anständigen. Den brauche man auch heute. Anders als in Dresden waren gestern in einigen anderen Städten die Pegida-Ableger klar in der Minderheit. Etwa in Köln, wo 7.500 Menschen gegen die Demonstration von 500 protestiert hatten. Vor dem Hintergrund riet Grünen-Chef Cem Özdemir zur Gelassenheit:
    "Dass es einen Rechtspopulismus gibt, ist nichts Neues und ist auch nichts typisch Deutsches, das gibt es auch in anderen Ländern. Insofern sollten wir da die Kirche im Dorf lassen."
    Auf dem Dreikönigstreffen der FDP interpretierte dagegen Wolfgang Kubicki die Sorgen der Demonstranten konkreter - und zeigte gegenüber dem Deutschlandradio gerade deshalb Verständnis:
    "Es gibt Integrationsprobleme, an die müssen wir heran. Und ich sage ganz deutlich: Meine Willkommenskultur hört dort auf, wo IS-Kämpfer aus Syrien und dem Irak zurückkehren, um möglicherweise hier das fortzusetzen, was sie dort getan haben. Die Menschen, die wir humanitär aufnehmen, sind vor diesen Menschen geflohen. Wenn unsere Sicherheitskräfte sagen: Wir sind nicht mehr in der Lage, damit fertig zu werden, müssen wir sie verstärken. Ansonsten werden die Sorgen der Menschen zunehmen und nicht abnehmen."
    Warnung vor Ausgrenzung und Spaltung
    Auch Ayman Mazyek sieht solche Ängste hinter den Demonstrationen. Als Muslim habe er genauso Angst vor ISIS und islamistischem Terror, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime der Bild-Zeitung. Aber Deutschland dürfe sich nicht durch Ängste spalten lassen. Andere allerdings sehen hinter den Pegida-Demonstrationen ganz andere Probleme. Hans-Joachim Maaz etwa, Psychiater und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Beziehungskultur. Im Deutschlandfunk verwies er auf die persönliche Situation vieler Demonstranten:
    "Die ist in Ostdeutschland natürlich etwas prekärer. Also es gibt tatsächlich die Enttäuschung über die Wende, über die nicht erfüllten Hoffnungen auf den Westen, über die geringere Bedeutung der Menschen vielleicht, die nicht in Arbeit gekommen sind, die keine Erfolge gehabt haben. Deshalb spitzt sich in Dresden, glaube ich, auch eine Systemkritik zu, die sehr viel mehr Inhalte transportiert als eben nur die Kritik an der Islamisierung."
    Maaz warnte vor Ausgrenzung und Spaltung, vor einer Trennung in vermeintlich Gut und Böse - und lehnte deshalb auch Gegendemonstrationen und die Prominenten-Kritik ab. Politik und Medien müssten versuchen, die eigentlichen Probleme der Menschen zu verstehen. Auch Frank Richter sieht einen regelrechten Problemstau. Im Deutschlandfunk sprach der Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung von einem "tiefgreifenden Vertrauensverlust in die staatlichen Institutionen". Er führt das auch auf die - wie er es nennt - noch zu zarten, nicht in die Tiefe reichenden Wurzeln der Demokratie in Sachsen zurück.
    "25 Jahre sind dann im Prinzip doch keine zu lange Zeit, um das Demokratische nicht nur formell zu verstehen, sondern zu verinnerlichen, es zu akzeptieren als eine Form des Zusammenlebens. Da ist offenbar noch viel Arbeit zu leisten."
    Er hat für den Abend Pegida-Anhänger zur Diskussion eingeladen.