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Pegida-Proteste
Wutbürger gegen das System

Jeden Montag gehen in Dresden über 10.000 Pegida-Anhänger auf die Straße. Sie scheinen unzufrieden und verunsichert. Politiker sind ratlos, wie sie mit den Demonstranten umgehen sollen. Gesellschaftsforscher meinen, der alltägliche deutsche Rassismus aus der Mitte der Bevölkerung werde nun sichtbar.

Von Nadine Lindner und Norbert Seitz |
    Pegida-Demonstranten in Dresden halten am 15. Dezember 2014 Banner hoch.
    Pegida-Demonstranten in Dresden halten am 15. Dezember 2014 Banner hoch. (imago/epd)
    Seit Wochen ist es immer montags das immer gleiche Ritual am Rande der Dresdener Innenstadt: Auf der Wiese neben einem Skatepark fährt ein weißer Verkaufswagen vor: Die Luke an der Seite öffnet sich, Boxen werden aufs Dach gehievt:
    "Herzlich willkommen zum neunten Abendspaziergang gegen Glaubenskrieger und für die Meinungsfreiheit."
    Es ist eine bunt gemischte Gruppe, die sich hier trifft: Vor allem junge Männer, von denen viele Fanshirts tragen - so als wollten sie direkt zum nächsten Spiel von Dynamo Dresden. Ein paar haben Kappen auf - mit der Aufschrift Hooligan oder Elbflorenz. Wenige sind mit Jacken der rechten Lifestyle Marke "Thor Steinar" unterwegs. Dazwischen stehen Rocker sowie bekannte Gesichter von AfD und NPD. Andere kommen demonstrativ in Handwerkerkluft zur Demo. Es sind aber auch sehr viele ältere Paare zu sehen, unauffällige Mitfünfziger, die man eher auf dem Weihnachtsmarkt vermuten würde.
    Am vergangenen Montag waren es schätzungsweise 15.000 Menschen, die dem Aufruf der "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" - kurz Pegida - folgten. Und für morgen ist zu einem sogenannten Weihnachtssingen eingeladen.
    "Es ist wieder Montag, wir haben eine weitere Runde des medialen Rundumschlags der Realitätsverweigerer hinter uns."
    Am Rednerpult steht Lutz Bachmann, einer der Pegida-Organisatoren. Ein Werbekaufmann aus Dresden, 41 Jahre alt -mit schillernder Vergangenheit: Er ist mehrfach verurteilt wegen Einbruch, zuletzt wegen Drogenhandel. Derzeit ist er auf Bewährung, auf freiem Fuß.
    In einem Interview mit der Bild-Zeitung sagte Bachmann, dass er mit den Demonstrationen im Herbst begonnen habe, weil er gegen Waffenlieferungen der Bundeswehr an die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK protestieren wollte. Denn für ihn sei die PKK marxistisch orientiert.
    Unbeantwortet bleibt bis heute allerdings die Frage, warum Bachmann danach eine Gruppe gegründet hat, die sich "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", nennt.
    "Dazu betone ich ausdrücklich, dass Pegida nicht gegen den Islam ist, sondern gegen den Islamismus oder Islamisierung, das ist ein riesiger Unterschied. Ich weise darauf hin, dass mir völlig bewusst ist, dass es ein grundgesetzlich verbrieftes Recht auf freie Religionsausübung gibt. Ich gebe aber zu bedenken, dass diese Dinge, die jetzt ablaufen in unserem Land - angefangen von Extra-Schwimmzeiten für die Trägerinnen der frauenverachtenden Burka - nicht im Sinne des Erfinders dieser Gesetze sein können."
    "Wer denkt an uns, wenn solche Gesetze erlassen werden? Wir sind eigentlich der Gastgeber und sollten die Tischregeln bestimmen."
    Mehrere Pegida-Demonstranten halten ein Banner mit der Aufschrift "Gewaltfrei und vereint gegen Glaubenskriege auf deutschem Boden!"
    Steckt hinter Pegida Fremdenfeindlichkeit, vielleicht sogar rechtsextremes Gedankengut? Die Initiatoren bestreiten das. (imago/Peter Blick)
    Lutz Bachmann bestreitet das vehement. Der Ausländeranteil in Sachsen liegt bei gerade mal 2,2 Prozent. Trotzdem richtet sich der Pegida-Protest auch gegen die wachsende Zahl von Flüchtlingen, die in Deutschland Asyl suchen. Denn es werden viele Wirtschaftsflüchtlinge vermutet.
    Bürger scheinen verunsichert, verärgert und unzufrieden zu sein
    "Pegida will ganz einfach, dass die vom Volk gewählten Politiker endlich wieder zuhören und sich der wirklichen Probleme annehmen."
    Es gibt Menschen in unserem Land, die auf der Straße leben müssen und nicht genug zu essen haben. Für diese werden keine Heimat eingerichtet, geschweige denn nicht über eine dezentrale Unterbringung mit Vollausstattung diskutiert."
    Der Stadtrat von Dresden hat kürzlich beschlossen, neue Unterkünfte für Flüchtlinge einzurichten.
    "Wie ihr alle wisst, wurde das genehmigt und die Asylbewerberheime werden gebaut.
    Kathrin Oertel sprach vergangenen Montag zu den Demonstranten. Eine dreifache Mutter, Ende 30, aus Dresden. Ihrer Ansicht nach wird zu viel für Flüchtlinge, aber zu wenig für Deutsche getan. Ihre Kritik richtet sich vor allem an integrationsunwillige Mitbürger.
    "Ich betone es noch einmal, in unserem Land liegen die Prioritäten auf deutschen Gesetzen, deutsche Kultur, deutschen Sitten und deutsche Bräuche. Und wem das Deutsch vor den eben genannten Substantiven nicht gefällt, der ist in Deutschland dann wahrscheinlich auch falsch."
    Bürger, die in Dresden immer montags auf die Straße gehen, scheinen verunsichert, verärgert und unzufrieden zu sein – mit verschiedensten Entscheidungen der deutschen Politik. Und so verwundert es nicht, dass zunehmend auch Kritik an der Russland-Politik der Bundesregierung laut wird. So sagte Rene Jahn, ein großgewachsener Herr mittleren Alters, auf einer der Veranstaltungen.
    "Und um ein aktuelles Beispiel zu nennen. Gibt es auch nur einen objektiven Grund, Russland mit der Ukraine zu provozieren? – Nein! – Warum werden Kriege produziert und provoziert? Mit welchem Recht mischen sich unsere Politiker in andere souveräne Staaten ein?"
    Aber nicht nur Politiker stehen im Kreuzfeuer der Kritik - auch Journalisten:
    "Wir geben einfach keine Interviews an die Presse."
    "Lügenpresse!"
    Viele Demonstrations-Teilnehmer lehnen Interviews ab. Nur wenige reden überhaupt mit der Presse. Wie beispielsweise diese beiden Herren mittleren Alters:
    "Dass hier wahllos Leute reingeholt werden, und ringsrum die Leute sagen, wir wollen nicht, dass nicht jedes freies Gebäude zum Asylantenheim ausgebaut wird."
    "Es geht mir um die Leute, die hier einen Islamstaat draus machen wollen. Und darauf habe ich keine Lust, zu Allah zu beten."
    Wie nun umgehen mit den Demonstranten? Und wie umgehen mit den Organisatoren von Pegida? Das sind die Fragen, die derzeit alle politischen Akteure in Sachsen und darüber hinaus bewegt. Darüber wird bundesweit diskutiert – in Talkshows, in Parlamenten, in Redaktionskonferenzen, in Zeitungskommentaren.
    Die sächsische AfD hat sich nach einigem Zögern zur Fürsprecherin von Pegida gemacht. Die noch junge Partei glaubt wohl, vom Pegida-Protest zu profitieren. Doch darüber hinaus gestaltet sich der politische Dialog mit Pegida, den unter anderem Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich einfordert, schwierig: Gesprächsangebote zu Diskussionsrunden vonseiten der Landeszentrale für politische Bildung, des MDR und auch der SPD blieben bislang unbeantwortet.
    Die Stadt Dresden setzt deshalb darauf, mit den Demonstrationsteilnehmern direkt in Kontakt zu treten und hat für Bürger mit Fragen seit dieser Woche ein Info-Telefon zum Thema Asyl eingerichtet. Kai Schulz, der Sprecher der Stadt Dresden, erklärt:
    "Wir wollen aber trotzdem ins Gespräch kommen und da ist natürlich das Telefon eine Möglichkeit, wo die Leute anrufen können und Fragen zum Thema stellen können. Wir haben das Telefon mit Mitarbeitern besetzt. Das reicht von ganz konkreten Fragen. Ist das Objekt bei mir die Ecke, die alte Schule, wird das jetzt ein Wohnheim? Wer kommt da hin? Wir haben Fragen auch dazu, wie viel Geld die Asylbewerber bekommen. Wie lange dauert ein Verfahren."
    Dresden richtet Info-Telefon zum Thema Asyl ein
    Pro Tag melden sich im Schnitt 50 Leute und die meisten Gespräche bleiben sachlich. Schulz nennt die Resonanz erfreulich. Ferner finden auch Diskussionsrunden in den Ortsteilen statt, in denen Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Das zuständige sächsische Innenministerium setzt auf soziale Netzwerke und stellt auf Twitter falsche Informationen zum Thema Asyl richtig.
    Das sind Schritte in die richtige Richtung, eine durchdachte Strategie, wie die Politik – auch über Sachsen hinaus - auf die Pegida-Demonstrationen reagieren sollte, ist das noch nicht.
    "Was Pegida ist? Die Demonstrationen sind ein Katalysator, das heißt ein Ressentiment, das an anderen Stellen schon sichtbar geworden. Ob das jetzt die Lesungen von Sarrazin waren oder die populistischen Kleinstparteien wie die "Freiheit" oder "Pro NRW" – da findet etwas eine neue Form, die vorher schon vorhanden gewesen ist. Wir sehen das, diese Gemengelage von anti-muslimischem Rassismus, von Feindlichkeit gegenüber Flüchtlingen auch schon an anderer Stelle. Aber dass sie jetzt auf die Straße kommt, das ist etwas Neues."
    Sagt Simon Teune, Bewegungsforscher am Wissenschaftszentrum und der TU Berlin. Er untersucht soziale Bewegungen wie Attac oder Occupy. Für ihn ist Pegida "die größte rassistisch grundierte Mobilisierung in der Geschichte der Bundesrepublik". Doch Pegida verweist nicht nur auf niedere Motive, sondern auch auf öffentliche Versäumnisse. Befindet Albrecht von Lucke, Politologe und Redakteur der "Blätter für deutsche und internationale Politik". Pegida ist für ihn durch zwei Motive gekennzeichnet:
    "Erstens eine völlige Abwehr dessen, was als der politisch-mediale Komplex begriffen wird, nämlich das Phänomen, nicht mehr gehört zu werden. Deswegen sprechen die Demonstranten gar nicht mit den Medien mehr. Man fühlt sich einer Macht ausgesetzt, die man nicht mehr erreicht."
    Ein zweites Moment greift freilich noch tiefer: Es ist ein Phänomen von Ortlosigkeit und Heimatlosigkeit.
    "Und das wirft die grundsätzliche Frage auf: Wie sind diese Menschen grundsätzlich verunsichert worden? Ich glaube, das ist kein Zufall. Dieses Jahr erscheint vielen regelrecht als annus horribilis, als ein Jahr, das unheimliche Krisen aufgeworfen hat. Und diese Zerrüttung und diese Form von Verunsicherung schlägt sich offensichtlich jetzt bei erheblichen Teilen der Bevölkerung ganz radikal nieder."
    Was braut sich da zusammen? Mit welcher ideologischen Gratwanderung haben wir es zu tun?
    Eine Frau, die sich offenbar vor einer "Zwangs-Islamisierung" fürchtet, demonstriert bei einer "PEGIDA"-Kundgebung
    Verbündet sich gerade die hysterisch gewordene soziale Mitte der Gesellschaft mit dem rechten Rand? (imago)
    Der Politologe Hajo Funke beobachtet die rechte Szene seit Jahren. Was für Deutschland erschreckend neu sein mag, ist aus seiner Sicht europaweit längst politischer Alltag:
    "Ich sehe es als ein Phänomen, was wir aus Österreich, aus Frankreich und aus den Niederlanden jedenfalls gut kennen – es ist ein aggressiver Rechtspopulismus, und der ist dadurch gekennzeichnet, dass man Ärger hat und ihn sammelt. Und diese neuen Anführer der Organisatoren dann sagen: 'Wir haben die Lösung'. Und sie haben die Lösung lediglich in der Formulierung der Aggression, des Ressentiments: Wir müssen gegen den Islam, wo immer er auftaucht, kämpfen, nutzen da die furchtbaren Erfahrungen, Beobachtungen des Enthauptungsterrorismus des sogenannten Islamischen Staates und sehen dann tendenziell alle, die irgendwie dem Islam zugerechnet werden, die Muslime sind, und dann auch noch die Asylbewerber, die kommen, als Gefahr für die Identität, für unser Zusammenleben."
    Drei Experten, drei Einschätzungen. Doch reichen Erklärungen nach dem klassischen Links-Rechts-Schema aus, um Pegida punktgenau einzuschätzen? Auch das traditionelle, in Krisensituationen gern hervorgeholte Erklärungsmuster vom "Extremismus der Mitte", das heißt, einer aus der Fassung geratenen Gutbürgerlichkeit, ist in analytisches Kreuzfeuer geraten. Dazu Albrecht von Lucke:
    "Meinem Eindruck nach ist es eher so, dass wir es mit einer hochgradig zersplitterten Gesellschaft zu tun haben, die sich irritierenderweise gerade in diesen Demonstrationen wieder bündelt, in Phänomenen, die aber mit dem Begriff der Mitte oder des Extremismus gar nicht mehr zu begreifen sind. Die sozial Schwachen machen doch davon Gebrauch, noch auf die Straße zu gehen und damit ihren Protest von unten zu artikulieren. Und das, glaube ich, ist mit dem Begriff 'Extremismus der Mitte' nicht mehr zu fassen."
    Bewegungsforscher Teune hält dagegen und zitiert aus einer sozialwissenschaftlichen Studie.
    "Ich denke schon, dass mit Pegida das auf die Straße kommt, was Oliver Decker in Leipzig den 'Extremismus der Mitte' genannt hat, nämlich eine normalisierte Form von Rassismus, die sehr weit verbreitet ist, die bürgerliche Schichten ergreift, die im Grunde genommen an vielen Stellen präsent ist."
    Auffällig zumindest, dass bei den Wutbürgern von oben wie von unten, also jenen von Stuttgart 21, wie denen von Dresden 2014, vor allem eine Gemeinsamkeit existiert, auf die auch Albrecht von Lucke hinweist:
    "Es geht um Verteidigung der eigenen Besitzstände, seien sie geringere oder größere."
    Und noch eine lagerübergreifende Gemeinsamkeit zu früheren Protestbewegungen drängt sich auf. Der Wutbürger von Dresden tritt dezidiert gegen "das System" auf.
    "Er ist eben so weitgehend gegen das System, das er mittlerweile ja auch die Medien völlig in Gegnerschaft begreift – eigentlich ein klassisch von links kommendes Phänomen, die Mainstream-Medien als etwas zu begreifen, gegen die man Alternativen aufbieten muss, dieses Phänomen, das man sich von den Medien mittlerweile korrumpiert wähnt, dass man sich mittlerweile gar nicht mehr richtig informiert meint, das man des Glaubens ist, man ist einem großen Verblendungszusammenhang ausgesetzt – dieses Phänomen ist ein plebejisches, das von unten kommt. Ein Phänomen, das man aus der 68er-Zeit klassischerweise eher von links kannte."
    Angesichts solcher, zum Teil kontroverser Einschätzungen nimmt es nicht Wunder, dass die Politik kaum in der Lage scheint, das Phänomen richtig zu begreifen. Die gereizten Reaktionen der Regierenden zeigen, dass ihre Nerven blank liegen.Etwas hilflos zitiertSachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich die Fragen verunsicherter Bürger:
    "Woher kommen die? Wie lange dürfen die bleiben? Welche Leistungen stehen ihnen zu?"
    Doch welche Rezepte hat die Politik in der Auseinandersetzung mit Pegida? Sie bewegen sich derzeit noch zwischen zaghafter Dialogbereitschaft und brüsker Ausgrenzung.
    "Ich glaube, es gibt zwei gleichermaßen falsche Strategien. Die eine ist die, aufgeregt, gewissermaßen unterhaken wollende, eine Allianz der Demokraten gegen eine Gefahr, die dadurch gerade groß gemacht wird. Die Angst davor, es könnte sich etwas entwickeln, führt dazu, gewissermaßen die große Allianz herzustellen."
    Lässt sich mit Dämonisierung ein Dialog beginnen?
    Ist die Politik also sprachlos geworden? Politologe von Lucke wittert dahinter eine zweite falsche Strategie:
    "Das halte ich gewissermaßen für das größte Übel. Denn letztlich ist es natürlich nur die Angst, die Sorge davor, dass vermeintliche Parteigänger durch eine entschiedene Abwehr abgeschreckt werden könnten. Es ist die Angst davor, man könnte potenzielle Wähler dadurch verlieren, dass man ihnen widerspricht. Ich glaube, das ist die größte Schwäche derzeit unserer Parteien, dass sie nicht die Traute haben, entschiedene Positionen zu beziehen."
    Darf die politische Mitte schweigen? Eher nicht, rät Simon Teune:
    "So eine Artikulation von rassistischen Deutungen unkommentiert zu lassen, ist, glaube ich, der größte Fehler, den man machen kann."
    Aber auch die opportunistische Aufnahme von Forderungen scheint fragwürdig, wie das frühere Beispiel eines sächsischen Innenministers beweist, der eine Polizeieinheit für die Beschäftigung mit kriminellen Flüchtlingen einrichten ließ:
    "Es ist ein Fehler, der in den 90er Jahren gemacht worden ist, der dazu geführt hat, dass wir eben eine Explosion hatten von Angriffen auf Flüchtlinge."
    "Rauer und ruppiger" würde es in unserer Gesellschaft, lautet der Klimabefund des leicht zerknirscht wirkenden Bundesinnenministers Thomas de Maiziere über die entstandene Situation. Was die Frankfurter Allgemeine bissig kommentieren sollte:
    "Die Wut des Thomas de Maiziere könnte auch daher kommen, dass 'Pegida' eine Idee von ihm geklaut hat, nämlich endlich gegen Islamismus und Integrationsgegner in die Offensive zu gehen, und zwar durch beherzte Politik, nicht durch Nacheile oder integrationspolitische Leisetreterei."
    Und die SPD? NRW-Innenminister Ralf Jäger schwingt gegen die Initiatoren die Antifa-Keule, indem er über "Neonazis in Nadelstreifen" schwadroniert und das Fußvolk als "Werkzeuge" beschimpft. Ebenso kompromisslos gibt sich Bundesjustizminister Heiko Maas:
    "Das, was Pegida veranstaltet, ist nichts anderes als widerlich."
    Doch lässt sich mit Dämonisierungen ein Dialog beginnen, wie ihn jetzt auch Parteichef Sigmar Gabriel schweren Herzens ins Auge fasst? Simon Teune:
    "Dass Demonstrationen als 'Schande für Deutschland' bezeichnet werden von Heiko Maas, ist eine krasse Fehleinschätzung, weil es ein Spiegel von Deutschland ist. Da wird einfach auf der Straße sichtbar, was tagtäglich Realität ist. Dass es eben einen großen Teil in der Bevölkerung gibt, der rassistisch denkt."
    Teilnehmer der Aktion "Abendspaziergang" in Düsseldorf - einem Ableger der Gruppe "Pegida" aus Dresden.
    Teilnehmer eines "Abendspaziergangs" in Düsseldorf - einem Ableger der Gruppe "Pegida" aus Dresden. (picture alliance/dpa/Caroline Seidel)
    Eine strategische Unübersichtlichkeit hat die Parteien erfasst. Darunter scheint die geistige Auseinandersetzung mit Pegida zu kurz zu kommen. Meint auch Albrecht von Lucke:
    "Diese eine neue Organisation nennt sich nicht ohne Grund: 'Patriotische Europäer'. Es ist die gleiche Anfrage, die in Alternative für Deutschland mitschwingt, nämlich die Frage: Was macht die Zugehörigkeit zu Deutschland, was macht Patriotismus im Jahre 2014 aus? Und an dem Punkte meine ich, wäre es gerade für eine konservative Volkspartei wie die CDU vonnöten, offensiv den Kampf um den Patriotismus aufzunehmen."
    Auch die SPD ist gefordert, denn bei der Anhängerschaft von Pegida handelt es sich nicht nur um AfD-Wähler.
    Ist Pegida von Dauer? Eine umstrittene Frage
    "Die SPD unter Sigmar Gabriel macht aber auch keine Anstalten, zum Beispiel die großen sozialen Fragestellungen, die in dieser neuen Heimatlosigkeit auch mitschwingt, aufzugreifen, also die Frage aufzuwerfen: Wie werden wir dieser großen sozialen Verunsicherung Herr, die da mitschwingt, wenn beispielsweise zahlreiche dieser Demonstranten sagen, das Geld, was unsere Sozialhilfeempfänger beziehungsweise Hartz-IV-Empfänger zu bekommen hätten, geht an Asylanten."
    Blieben noch jene, die große Kampagnen für wenig zielführend halten und eher auf die fehlende Integrationskraft an der kommunalen Basis setzen. So ist für den Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke eine gelingende Willkommenskultur noch immer die beste Präventivmaßnahme gegen radikale Bürgerängste.
    "Ich bin dafür, dass man ganz konkret operativ die Probleme in der Stadt oder im Stadtteil angeht. Da ist Politik gefragt. Man muss sehr viel aufmerksamer und achtsamer sein, mit den Bewohnern, die Ängste haben, anspricht, bevor man was tut. Mit den Asylflüchtlingen, mit denen man kooperiert, damit es einigermaßen fair und vernünftig zugeht. Und zugleich eine entschiedene Haltung: Wir sind an der Seite dieser Asylflüchtlinge."
    Doch noch ist nicht entschieden, ob es sich bei den Massenprotesten am Montag überhaupt um eine Bewegung handelt. Ist Pegida von Dauer? Mit dieser Frage quälen sich derzeit querbeet Untergangspropheten, hochmütige Ignoranten und bräsige Relativierer. Bewegungsforscher Simon Teune wagt schon einmal eine vorsichtige Prognose:
    "Bei vergleichbaren Protesten wie den Occupy-Protesten oder den Montags-Mahnwachen, die ähnlich organisiert gewesen sind, ist das nicht der Fall gewesen. Da hat es eben keine auf Dauer gestellte Mobilisierung gegeben beziehungsweise sind die wieder sehr schnell in sich zusammengebrochen. Und das ist sehr wahrscheinlich, dass sich das bei den Pegida-Protesten ähnlich verhalten wird."
    Die Pegida-Proteste sind zwar in den Westen übergeschwappt, doch bislang waren Demonstrationen - wie zum Beispiel die in Bonn - nur sehr spärlich besucht. In Dresden wurde für morgen Abend zu einem sogenannten Weihnachtssingen eingeladen. Und auch für Januar sind bereits weitere Pegida-Demonstrationen angekündigt.