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Perfekter Berufsstart in der Auto-Industrie

Wer sich auf eine Karriere in der Automobilbranche vorbereiten will, dem bleibt häufig nur der Weg über Praktika. Das könnte sich jetzt ändern: In Tschechien gibt es eine eigene Auto-Universität, die zum VW-Konzern gehört. Für Erasmus-Studenten aus Deutschland führt die spezialisierte Hochschule jetzt ein englischsprachiges Programm ein - zugeschnitten ganz auf einen Berufsstart in der Auto-Industrie.

Von Kilian Kirchgeßner |
    Ein Hörsaal in Tschechien, Betriebslehre steht auf dem Stundenplan. Gut hundert Studenten sitzen vor der großen Tafel, es geht um externe Dienstleistungsbetriebe und Ausschreibungsverfahren. Alltag für angehende Wirtschaftswissenschaftler - und doch ist etwas anders hier an der kleinen Hochschule in Mlada Boleslav, eine Stunde nördlich von Prag. Die Beispiele in der Vorlesung drehen sich sämtlich um die Automobil-Industrie, die Handschrift des Uni-Stifters ist dabei deutlich zu sehen. Der Autohersteller Skoda steht hinter der Hochschule, sein Werksgelände liegt wenige Minuten vom Campus entfernt. Rektorin der Uni ist Miroslava Nirgrinova.

    " Wir sind der Praxis im Unternehmen sehr nahe, sei es bei der Produktion, der Entwicklung oder in der Buchprüfung. Damit sind die Absolventen gut vorbereitet auf ihren Einsatz nach dem Studium. Wir ergänzen das obligatorische Studienprogramm mit den neuesten Erkenntnissen aus der Praxis."

    Die Skoda-Hochschule ist eine exklusive Adresse. Gerade einmal 580 junge Leute sind hier eingeschrieben, die Professoren kennen ihre Studenten mit Namen. In ganz Europa ist Skoda der einzige Auto-Hersteller, der sich eine eigene Hochschule leistet. Zwar gibt es in Wolfsburg am Stammsitz des Volkswagen-Konzerns die Auto-Uni; sie allerdings dient vor allem zur Weiterbildung der Mitarbeiter, offiziell akkreditierte Studienprogramme gibt es dort bislang nicht. Für die Zukunft sind Kooperationen mit technischen Hochschulen vorgesehen. Die Skoda-Hochschule hingegen vergibt schon heute akademische Titel, der Schwerpunkt liegt auf der Betriebswirtschaft. In diesem Jahr öffnet die Hochschule ihre Studiengänge erstmals auch für internationale Studenten. Die ersten Kooperationen mit deutschen Universitäten sind schon unter Dach und Fach, sagt Rektorin Miroslava Nirgrinova.

    " Wir haben bei uns das Kreditpunkte-System, damit sind wir also international kompatibel. Das Angebot an englischsprachigen Vorlesungen und Seminaren weiten wir derzeit stark aus, um für ausländische Studenten attraktiv zu werden. Damit starten wir jetzt in diesem Jahr."

    Den ersten deutschen Studenten hat die kleine tschechische Hochschule schon gewonnen: Es ist Otto Kotrhonz aus Düsseldorf. Für den 22-Jährigen geht an der Auto-Uni ein Traum in Erfüllung.

    " Ich habe mich immer für Autos, für die Motoren und das Design interessiert. Und dann habe ich gesagt, das ist genau mein Ding. Das ist ein großer Vorteil, weil wir hier die Einblicke bei Skoda haben, weil wir hier ganz auf die Automobilbranche getrimmt werden."

    Unter tschechischen Studenten ist ein Platz an der Auto-Hochschule hoch begehrt. Skoda ist der größte Exporteur des Landes und einer der bedeutendsten Arbeitgeber. Wer an der hauseigenen Uni seinen Abschluss macht, ist anschließend ein gefragter Mitarbeiter.

    " Im Laufe der Studienzeit bekommen wir schon Angebote von verschiedenen Firmen, sagt Lukas Miler, der gerade an seiner Bachelor-Arbeit schreibt. Am Ende können wir also nahtlos in den Beruf einsteigen, viele haben sogar die Wahl zwischen verschiedenen Jobs."

    Wer als Deutscher in Mlada Boleslav studiert, muss im Anschluss aber nicht sein ganzes Berufsleben in Tschechien verbringen. Die Hochschule hat hervorragende Kontakte in viele europäische Länder - und vermittelt ihren Studenten die begehrten Praktikumsplätze auch bei anderen Unternehmen aus dem VW-Konzern, sagt Rektorin Miroslava Nirgrinova.

    " Die Studenten lockt ja vor allem die enge Verbindung mit der Praxis, wir haben regelmäßig Praktikanten bei Audi, VW, Seat oder Bentley. Dabei ist es häufig so, dass die Studenten auch danach eine enge Verbindung zu diesen Unternehmen halten."

    Die deutsche Muttersprache sei in Tschechien überhaupt kein Problem, meint der Düsseldorfer Student Otto Kotrhonz. Bei Skoda etwa sitzen gerade in der Führungsebene viele deutsche Manager - da sei die gleiche Sprache häufig sogar von Vorteil. Für die deutschen Gaststudenten in der böhmischen Provinzstadt Mlada Boleslav bleibt also eigentlich nur ein Nachteil, bilanziert Kotrhonz:

    " Ich kenne das deutsche Studentenleben, und das kann man mit dem hier gar nicht vergleichen. Wenn man hier hinkommt und diese Vorkenntnisse hat, dann ist man ziemlich enttäuscht."

    Ein kleiner Trost immerhin: Die tschechische Hauptstadt Prag mit ihrer bunten Studentenszene ist gerade einmal 60 Kilometer entfernt.